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Eine Pflegekraft auf dem Charité-Campus Virchow-Klinikum in Berlin-Wedding.

© Mario Heller/Tagesspiegel

Tarif der Berliner Charité wurde zum Vorbild: Wie läuft es denn nun mit den Pflegekräften?

Nach dem Pflegestreik 2021 führte Berlins Universitätsklinik einen Tarifvertrag ein, der mehr Personal pro Patient vorschreibt. Dieser wurde bundesweit zur Vorlage für andere Krankenhäuser.

Von der eigenen Arbeit überzeugt, hat Charité-Personalchefin Carla Eysel der Bundespolitik am Donnerstag empfohlen, sich angesichts der Pflegenot doch endlich am Tarifgefüge in Berlins Universitätsklinik zu orientieren. Obschon es durchaus Schwachstellen gebe, seien die Beschäftigten mit dem Entlastungstarifvertrag zufriedener – man gewinne trotz Fachkräftemangels sogar Pflegende dazu.

Eysel wirbt dafür, dass die vom Bundeskabinett geplante Pflegepersonalregelung 2.0 als „lernendes System“ von den Erfahrungen der Charité profitieren sollte. Noch wird die als PPR 2.0 bekannte Regel allerdings im Bundesrat blockiert, sie soll den Personalbedarf auf den Krankenstationen bundesweit verbindlich evaluieren und je nach Lage ausrichten.

Begrenzte Anzahl der Patienten

Die Charité hatte sich schon 2021 mit Verdi auf einen hauseigenen Entlastungstarifvertrag geeinigt, der über diese Personalbedarfspläne der Politik hinausgeht. Die Gewerkschaft setzte damals mit einem Pflege-Streik durch, dass der Stress auf den Stationen durch Mindestbesetzungen reduziert wird.

Während beispielsweise eine Intensivpflegekraft zuvor oft zwei bis drei Patienten pro Schicht versorgte, sollen es nun im Schnitt maximal 1,7 Fälle sein. Das funktioniere überwiegend gut, sagte Personalchefin Eysel, wenngleich man die Daten genauer auswerten wolle.

Modell auch für Kliniken in NRW

Wird die jeweilige Pflegekraft-Patienten-Quote unterschritten, was immer noch regelmäßig geschieht, erhalten die betroffenen Beschäftigten sogenannte Belastungspunkte (intern „Chep“ genannt). Nach einer bestimmten Punktzahl stehen den Beschäftigten freie Tage, Kinderversorgung oder Geld zu.

Der Tarifvertrag wurde zum Vorbild. Im Jahr 2022 streikten die in Verdi organisierten Pflegekräfte an den Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen für eine ähnliche Regelung. Dass sich dieser Tarifvertrag bewährt habe, bestätigte auch die Gewerkschaft, wenngleich für Verdi gelte: Ziel müsse es bleiben, Unterbesetzung zu verhindern – die „Ausgleichsleistungen“ dürften also nicht die Regel bleiben.

330
Pflegekräfte arbeiten nun zusätzlich an der Charité

Seit der Tarif gilt, habe man viele Pflegekräfte gewonnen, sagte Eysel, womit die „Nettozahl“ gemeint sei: Alle Fluktuationen durch Einstellungen und Kündigungen berücksichtigt, gebe es 330 Männer und Frauen zusätzlich. An der Charité arbeiten circa 5000 Pflegekräfte, viele davon in Teilzeit.

Der Entlastungstarifvertrag läuft zum Jahresende aus. Charité-Vorstand und Verdi wollen ihn gleichermaßen verlängern. Deutlich schwieriger hat es Personalchefin Eysel derzeit mit den Ärzten. Der Marburger Bund fordert 12,5 Prozent mehr Gehalt. Insgesamt habe man der Medizinergewerkschaft ein Lohnplus von circa sechs Prozent angeboten, sagte Eysel, am Donnerstag gingen die Verhandlungen weiter.

Ärzte einigen sich mit Vivantes

Die landeseigene Universitätsklinik muss sparen, das Geschäftsjahr 2023 wird sie – ähnliche wie viele Krankenhäuser – wohl mit circa 70 Millionen Euro Defizit abschließen. Die meisten Kliniken stehen wegen steigender Kosten für Material, Energie und Personal unter Druck.

Mit den ebenfalls landeseigenen Vivantes-Kliniken einigte sich der Marburger Bund am Donnerstag. Für die fast 2500 Vivantes-Ärzte soll nun grob vereinfacht gelten: Stufenweise werden die Gehälter so angehoben, dass sie bis Ende 2025 insgesamt circa 11,5 Prozent über dem Januar-Wert dieses Jahres liegen. Es wird weniger Bereitschaftsdienste und verbindlichere Wochenendeinsätze geben.

Der Marburger Bund hatte auch von Vivantes zunächst 12,5 Prozent mehr Gehalt gefordert. Auch dieser Klinikkonzern steht unter Spardruck.

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