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Die High-Deck-Siedlung gilt als besonders problematischer Kiez.

© Mario Heller/Tagesspiegel

Kahlschlag beim Berliner Quartiersmanagement: Sechs Neuköllner Gebiete sollen bis 2025 abgewickelt werden

Wegen einer Bundesregelung endet die finanzielle Förderung für die Nachbarschaftsprojekte nun automatisch. Betroffen sind auch Großsiedlungen, die als Problemkieze gelten.

Der Hilfe für Berlins Problemkieze droht in den kommenden Jahren ein massiver Kahlschlag. Für 19 der 32 Quartiersmanagement-Gebiete läuft Ende 2025 die Förderung durch den Bund aus. Die Förderung für die QM-Gebiete wurde im vergangenen Jahr auf maximal 15 Jahre begrenzt.

Das bedeutet, dass – anders als bislang – nicht mehr alle paar Jahre überprüft wird, ob ein Quartiersmanagement weiter für nötig erachtet wird. Stattdessen enden die QM-Gebiete nun automatisch nach eben jenen 15 Jahren. Das gilt auch unabhängig davon, ob sich in den betroffenen Kiezen die Lage verbessert hat.

Neukölln ist von der neuen Regel besonders betroffen: Sechs der 19 QM-Gebiete, die 2025 enden, liegen im Bezirk. Darunter sind auch bekannte Problemkieze wie die Rollbergsiedlung und die High-Deck-Siedlung. Das stellt das Bezirksamt vor große Herausforderungen, wie der zuständige Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) vergangene Woche in der Bezirksverordnetenversammlung betonte. Nach der Lage erkundigt hatten sich der SPD-Verordnete Max von Chelstowski und der Grünen-Verordnete Jan Stiermann.

Die Entscheidung, dass die Förderung allein aufgrund der Laufzeit ende, sei „für den Bezirk und viele Akteure überraschend“ gewesen, so Biedermann. Die Maximallaufzeit von 15 Jahren sei in den sechs betroffenen Neuköllner Kiezen schon seit Langem überschritten: Die Rollbergsiedlung und die High-Deck-Siedlung sind seit 1999 QM-Gebiete, also seit 24 Jahren. Ebenfalls betroffen sind die Dammwegsiedlung, der Kiez rund um die Flughafenstraße und Rixdorf (QM-Gebiete seit 2005) sowie der Donaustraßenkiez (QM-Gebiet seit 2009).

24
Jahre werden die Rollberg- und die High-Deck-Siedlung bereits von Quartiersmanager:innen betreut

Bislang habe der Senat den Bezirk nicht darüber informiert, wann welches Quartiersmanagement verstetigt – also abgewickelt – werden soll, sagte Biedermann weiter. Allerdings sollen betroffene Gebiete bis Ende des Jahres demnach in die zweijährige Übergangsphase übergehen, in deren Rahmen vorhandene Projekte idealerweise langfristig gesichert werden sollen.

Das bedeutet, dass erfolgreiche Nachbarschaftsprojekte und -Einrichtungen sich dann nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten umsehen müssen. Dafür, dass Projekte weiterlaufen können, seien die Bezirksämter verantwortlich, sagte Biedermann. Diese müssten sich um Organisation und Finanzierung kümmern.

Dem Bezirk fehlt das Geld, um die Projekte fortzuführen

Allerdings beginnt hier das Problem: Laut Biedermann fehlt dem Bezirk schlicht das Geld. „Eine zeitgleiche Beendigung des Quartiersmanagements in sechs Gebieten – darunter drei Großsiedlungen – ist für den Bezirk aus den laufenden Mitteln nicht ansatzweise leistbar“, sagte er. So sei es bereits enorm herausfordernd gewesen, Mittel für die Verstetigung der Projekte für die QM-Gebiete Gropiusstadt, Schillerpromenade und Körnerpark aufzutreiben, die 2020 verstetigt wurden (auch das lief nicht ohne Protest ab).

Alle aktuellen QM-Gebiete in Neukölln seien aus Sicht des Bezirksamtes sinnvoll und hätten vielfältige Problemlagen, sagte Biedermann weiter. Dies gelte auch über 2025 hinaus. „Das Ziel des Berliner Quartiersmanagements ist es, Stadtteile zu stabilisieren, denen sonst droht, von der gesamtstädtischen Entwicklung abgehängt zu werden. Quartiersmanagement soll negative Folgen von gesellschaftlicher Benachteiligung abmildern oder kompensieren“, so der Stadtrat.

Ein QM solle die Nachbarschaft aktivieren und die Anwohnenden aktiv an der Entwicklung ihres Kiezes beteiligen. Sein Ziel erreicht habe das Quartiersmanagement, wenn ein Kiez stabil sei und die – auch für alle anderen Bezirksregionen geltende – sogenannte kommunale Regelversorgung ausreichend sei. Dies könne für die sechs betroffenen Kieze nicht bestätigt werden, sagte Biedermann.

 Eine zeitgleiche Beendigung des Quartiersmanagements in sechs Gebieten – darunter drei Großsiedlungen – ist für den Bezirk aus den laufenden Mitteln nicht ansatzweise leistbar.

Jochen Biedermann, Baustadtrat in Neukölln

Biedermann kritisierte, dass eine starre Begrenzung der Laufzeit dem eigentlichen Ansatz von Quartiersmanagement und dessen Zielen nicht gerecht werde. Ein besonderer Fokus des QMs liege auf Angeboten für Kinder, Jugendliche und im Bildungsbereich. Das gelte für andere Förderungsprogramme nicht, diese würden eher einen Fokus auf den baulichen Bereich legen. „Die Stabilisierung und Unterstützung dieser strukturschwachen Quartiere ist aus bezirklicher Sicht eine Daueraufgabe“, sagte Biedermann.

Wenn die sechs Neuköllner Kieze verstetigt werden sollten, müssten die regulären Mittel und Förderungen des Bezirkes aufgestockt werden, forderte der Stadtrat. „Die Regelstrukturen des Bezirksamtes Neukölln sind nicht ansatzweise genügend ausgestattet, um den Herausforderungen in den jeweiligen Gebieten zu begegnen“, sagte er.

Das sei auch beim sogenannten Gipfel gegen Jugendgewalt offenbar geworden: Denn einige der genannten Gebiete, insbesondere die High-Deck- und Rollbergsiedlung, sind auch hier besonders betroffen. „Für den sozialen Zusammenhalt in der Stadt ist entscheidend, dass Menschen in benachteiligten Quartieren die gleichen Lebenschancen haben wie Menschen in anderen Teilen der Stadt“, sagte Biedermann.

Dafür müsse sich die ganze Stadt dauerhaft einsetzen, betonte er und forderte eine dauerhafte Unterstützungsstruktur – im Gegensatz zu zeitlich und projektbezogen befristeten Förderungen wie eben dem QM-Programm. Zugleich warnte Biedermann davor, dass abrupte Änderungen in den Kiezen die Arbeit der vergangenen Jahrzehnte konterkarieren könnten.

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