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Die Mannschaft freut sich über den Aufstieg, doch die Suche nach einem Heimspielstadion für Viktoria zieht sich.

© imago/Matthias Koch

Kein Stadion für Viktoria, nirgends: Berliner Fußballer suchen dringend Heimspielstätte für Dritte Liga

Ein neues Domizil für den Drittliga-Aufsteiger Viktoria wäre zu teuer, doch Alternativen sind rar. Soll der Verein etwa in Wolfsburg spielen?

Sportamtsleiterin Heike Götze ließ bereits zu Beginn der Debatte die Geldkatze aus dem Steuersack: „Der Bezirk hat nicht vor, für 18 bis 22 Millionen Euro ein drittligataugliches Stadion zu bauen“, sagte sie. „Wir haben keine Fläche und nicht das Geld“, fügte sie in der letzten Sitzung des Sportausschusses der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf hinzu. Und: „Uns sind die Hände gebunden.“ Die Suche nach einem Ort für die Heimspiele der Aufsteigermannschaft von Viktoria 1889 aus Lichterfelde zieht sich weiter. Noch ist keine Lösung gefunden.

Seitdem Ende März klar wurde, dass der Fußballverein diesen Sommer von der Regionalliga in die Dritte Liga aufsteigt und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) strikte Vorgaben für die Spielorte macht, kreisen die Namen. Jahn-Sportpark, Mommsenstadion, Poststadion, Alte Försterei, Karl-Liebknecht-Stadion in Babelsberg – und immer wieder das Olympiastadion. „Wenn wir das Olympiastadion schon haben, wieso ist es nicht möglich, dieses Stadion für einen weiteren Verein zu nutzen“, fragte Michael Gaedicke (Grüne) im Ausschuss.

Betrieben wird das Olympiastadion von der Olympiastadion Berlin GmbH; der einzige Gesellschafter ist das Land Berlin. Es sei doch nicht relevant, ob formal eine GmbH das Stadion vermarkte, sagte Mirko Klimas (SPD), letztendlich flössen Steuergelder in den ex-olympischen Sportbau: „Rechte Tasche, linke Tasche.“

„Wir müssen mit unseren Parteien im Abgeordnetenhaus reden“, forderte er sich und seine Kollegen auf. Der Aufstieg eines Berliner Fußballvereins in die Dritte Liga sei eine Dimension, „um die sich das Land Berlin auch kümmern kann“. Er fordere den Senat auf, dem Verein entgegenzukommen.

Das Olympiastadion ist finanziell nicht zu stemmen

Da könne er doch gleich seinen Parteifreund Innensenator Andreas Geisel anrufen, der sei Aufsichtsratsvorsitzender der Betreiber-GmbH, konterte Clemens Escher (CDU). Er sehe zwar auch die Möglichkeit für Viktoria. dort zu spielen, schließlich sei Hertha „nicht der Vollmieter, sondern Ankermieter“. Aber, gab er zu bedenken: „Es ist finanziell für einen Verein wie Viktoria nicht zu stemmen.“

Sebastian Buchholz, er ist Bürgerdeputierter der Grünen und zugleich Schiedsrichter, stimmte zu: „Es würde sich nicht lohnen, im Olympiastadion zu spielen, da müssten 30.000 bis 40.000 Menschen kommen.“ Wenn aktuell bei einem Viktoria-Spiel das Stadion Lichterfelde gut gefüllt sei, „dann sind da 1.500 bis 1.600 Zuschauer“, ist die Meinung von Sportamtschefin Götze. „Selbst die Alte Försterei wäre zu teuer.“

Viktoria habe bereits in Wolfsburg und Magdeburg angefragt, ob die Drittligamannschaft dort spielen könne, berichtete sie. Ein „Heimspiel“ der Lichterfelder Viktoria in Wolfsburg, da kämen ja noch weniger Zuschauer, gab Uwe Netzel (SPD) zu Protokoll. „Wir müssen dicke Bretter bohren, dass das irgendwie in Berlin möglich wird“, sagte er.

Michael Gaedicke pflichtete ihm bei. Zum einen müssten alle Parteien ihre Fraktionen im Abgeordnetenhaus wegen der Stadionfrage bearbeiten. Und zum anderen, so regt er an, sollte politischer Druck auf den DFB ausgeübt werden, über die gesetzten Standards nachzudenken: „Wir reden über Coronazeiten“, warum müsse ein Drittliga-Verein 10.001 Zuschauerplätze aufbieten, reichten nicht auch 2.000 oder 3.000? „Das ist doch absurd.“

Warum nicht ein temporäres Stadion zur Miete?

Dass der DFB die Forderung erhört und die 10.001-Plätze-Regel kippt, „davon ist Stand heute nicht auszugehen“, meint Viktoria-Geschäftsführer Peer Jaekel auf Nachfrage des Tagesspiegels einen Tag nach der Ausschusssitzung. Die Einschätzung der Ausschussmitglieder, dass das Olympiastadion für Viktoria zu teuer wäre, bestätigt er: „Uns wurde ein Betrag im unteren sechsstelligen Bereich als Tagesmiete genannt.“ Allerdings seien Verhandlungen oder Subventionsgesuche noch nicht Teil der Gespräche gewesen.

Die Option, ein eigenes temporäres Stadion aus Stahlteilen zu bauen, hält Peer Jaekel nach wie vor für möglich – auch unter 18 Millionen Euro. Denn auch Mietlösungen seien realistisch und wären „bei einer Verweildauer von unter fünf Jahren sicher auch wirtschaftlicher“. Allein, es fehle neben dem Geld bei dieser Variante noch eine Fläche.

Bisher trägt Viktoria 89 die Heimspiele im Stadion Lichterfelde aus. Drittligatauglich ist die Spielstätte aber nicht.

© imago images/Matthias Koch

Wegen der ungeklärten Frage nach einem festen Heimspielstadion hält der Viktoria-Geschäftsführer auch eine Flickenteppich-Saison für möglich: „Abhängig von Sicherheitsanforderungen ist es tatsächlich denkbar, dass wir unterschiedliche Heimspielstätten nutzen müssen“, sagt er. Das wäre für den Verein in einer Übergangsphase kein Problem, „die Lizenz und das Erfüllen der Auflagen steht über allem“.

Die Zuschauerzahlen werden steigen, glaubt Viktoria

Peer Jaekel hält es durchaus für wahrscheinlich, dass die Zuschauerzahl bei Viktoria rapide steigen wird: „Gerade mit Blick auf die Traditionsvereine erhoffen wir uns einen enormen Auswärtstourismus in die Hauptstadt.“ Ein Blick in die Statistik der letzten Drittliga-Saison vor Corona gibt ihm Recht: Am wenigsten Besucher pro Spiel hatte in der Spielzeit 2019/20 die Sportgemeinschaft Sonnenhof aus Großaspach mit 2.305 Zuschauern – und Aspach hat 8.291 Einwohner. Am meisten Fans strömten laut der Website Transfermarkt.de bei Eintracht Braunschweig ins Stadion: durchschnittlich 18.366. Für die Berliner Viktoria gibt es also Luft nach oben. Die kleinsten Stadien bespielten in der Corona-Saison 2020/21 übrigens Verl (5.135 Plätze) und Viktoria Köln – deren Stadion hat eine Kapazität von 10.001 Plätzen.

Langsam wird die Stadionfrage drängend. Denn laut einem Vereinssprecher von Viktoria endet die Frist für die Erteilung der Drittligalizenz durch den DFB Ende Mai. Die neue Saison startet am 23. Juli. Hoffentlich mit Viktoria.

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