zum Hauptinhalt
Das Graue Kloster in der Klosterstraße.

© Stiftung Stadtmuseum Berlin

Berlins erste Schule ab 1390: Latein pauken im Schatten der Petrikirche

Folge 33 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ befasst sich mit Berlins Schulen. Die älteste ist, anders als oft behauptet, nicht das „Graue Kloster“.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

Für die einen ein Grund zur Freude, für die anderen ein Jammer: Vor einer Woche hat das neue Schuljahr begonnen. Laut amtlicher Zählung gibt es derzeit 913 Schulen in Berlin, die von mehr als 470.000 Kindern und Jugendlichen besucht werden. Aber welche war die Erste? Spoiler: Die gibt es heute nicht mehr.

Das Graue Kloster – um 1860 noch in der Klosterstraße.

© Sammlung Stiftung Stadtmuseum Berlin

Die Schule am Grauen Kloster, jenem Gymnasium, das unter anderem vom ersten Reichskanzler Otto von Bismarck besucht wurde (der übrigens nicht als begeisterter Besucher galt) ist zwar eine der bekannteste Bildungsstätten Berlins, aber es gab schon andere vor ihr. Sie wurde erst 1574 eröffnet, nachdem im Jahr 1539 Kurfürst Joachim II. das Franziskaner-Kloster aufgelöst hatte und die Schule direkt neben der ehemaligen Kirche der „Grauen Brüder“ (die Farbe ihre Habite schenkte dem Kloster seinem Namen) entstand.

Bis zum Zweiten Weltkrieg blieb die Schule in der Klosterstraße in Mitte. Später fand sie eine neue Heimat. Durch die Wirrungen der Berliner Teilung und die geplante Säkularisierung der Schule in Ost-Berlin fiel die Entscheidung, sie in den West-Sektor zu versetzen. Heute hat das Evangelische Gymnasium zum Grauen Kloster sein Sitz in Berlin-Schmargendorf (Charlottenburg-Wilmersdorf).

Die erste Schule musste man erst ausgraben, was (symbolisch) auch vor paar Jahren geschah. Wie so viele von den ältesten Berliner Funde, lag sie nicht im damaligen „Berlin“, sondern in der Stadthälfte Kölln (heute Berlin-Mitte). Am Petriplatz, neben der in den 1960er-Jahren gesprengten Petrikirche, befand sich schon um 1390 die Cöllnische Lateinschule.

Eine Kreidetafel mit Zitat der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann: „Die Geschichte lehrt dauernd, aber sie findet keine Schüler.“

© Beata Gontarczyk-Krampe

Die Berliner Lateinschule, die ebenfalls in den 1390ern entstand, dürfte ein bisschen jünger gewesen sein. Beide sind längst verschwunden. Die Schulen, die Berlins Straßenbild am stärksten geprägt und teilweise immer noch prägen, entstanden erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Viel verdankt die Stadt dem Mann, der ihr auch mehrere Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude – darunter das legendäre Polizeipräsidium am Alexanderplatz – und Markthallen gab: Stadtbaurat Hermann Blankenstein. Seine Schulen waren modern, praktisch gestaltet und kostengünstig gebaut. Und das, obwohl ihre Fassaden, besonders in den Innenhöfen, statt mit dem für Berlin typischen preiswerten roten Klinker oft mit dem teureren hellen Klinker verblendet worden sind.

Dahinter steckt System: Für die repräsentative Straßenseite reichten die gewöhnlichen roten Backsteine. Aber da, wo „nur“ die Kinder tobten, nahm man mehr Geld in die Hand. Die Antwort auf diese Frage nach dem „Warum“, sagt viel über Blankensteins Haltung aus: Die gelben Klinker sollten die Schulhöfe aufhellen. Denn Schatten kannten die Kinder genug aus den engen Berliner Hinterhöfen ihrer Elternwohnungen.

Schüler der 184. Gemeindeschule in Graefestraße in Berlin-Kreuzberg im Jahr 1900.

© berlin.museum-digital.de/object/116794

Was die Kinder brauchten, war Licht – auch im Klassenzimmer. Durch hellen Backstein sparte man zudem Geld für ihre Beleuchtung in dunkleren Jahreszeiten. Das wissen sie in der alten 184./1746/144. Gemeindeschule – heute die „Albrecht von Graefe Schule“ – in der Kreuzberger Graefestraße. Geplant wurde sie von Blankenstein mit Karl Frobenius. Dort scheint bis heute Licht. Wenn das kein Grund ist, auch Kindern im Schuljahr 2023/24 etwas mehr über den Stadtbaurat Blankenstein beizubringen.

Diese Kolumne erscheint in der gedruckten Zeitung jeden Sonnabend.

Wenn Sie wissen möchtem wo der größte Lehrermangel, herrscht, und welche Schulen besonders gut versorgt sind, schauen Sie nach in unserer großen Datenanalyse mit interaktiver Karte .

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false