zum Hauptinhalt
Bettina Jarasch (Bündnis90/Die Grünen), Verkehrssenatorin und Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl, spricht bei der Landesdelegiertenkonferenz ihrer Partei im Estrel-Hotel zu den Delegierten.

© dpa/Jörg Carstensen

Berliner Grüne beschließen Wahlprogramm: Milliarden für die Wärmewende – und Tempo 30 als Regel

Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch will mit Landesgeld den Heizungstausch voranbringen. Sie erklärt, was sie als Regierende besser machen will als Franziska Giffey.

Drei Wochen vor der Wiederholungswahl in Berlin haben die Grünen am Samstag auf einem Parteitag ihr Wahlprogramm beschlossen. Die Partei legt in der Aktualisierung ihres zur Berlin-Wahl 2021 erarbeiteten Programms insbesondere einen Schwerpunkt auf den Umbau der Wärmeversorgung der Hauptstadt. Dazu sollen in den kommenden drei Jahren insgesamt zwei Milliarden Euro in die Wärmewende investiert werden.

Eine Milliarde Euro wollen die Grünen demnach in einen Wärmewendefonds einbringen. Damit soll unter anderem der Einbau von Wärmepumpen in Berlin vorangebracht werden. Neben einer Informationsoffensive mit der Handwerkskammer sieht der Plan dazu ein Landesförderprogramm für den Heizkörpertausch und ein Bonusprogramm für Handwerker beim Einbau von Wärmepumpen vor.

Zugleich soll mit dem Geld die Nutzung von Geothermie zum Heizen ausgebaut werden. Die zweite Milliarde soll nach dem Willen der Partei in einen Fonds zur Gebäudesanierung fließen. Unter anderem soll damit verhindert werden, dass Mieter durch die Kosten des Umbaus zu stark belastet werden.

In zehn Jahren haben wir einen Booster für die Energiewende angeworfen und ein Milliardenprogramm investiert.

Bettina Jarasch, Grünen-Spitzenkandidatin, zu von ihrer Partei geforderten Investitionen in den Klimaschutz

„In zehn Jahren haben wir einen Booster für die Energiewende angeworfen und ein Milliardenprogramm investiert“, sagte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch in ihrer Rede auf dem Parteitag. „Die Berlinerinnen bekommen dann ihre Wärme aus dem Berliner Boden, aus der Berliner Luft, von Berliner Dächern und nicht mehr von Putin.“

Grüne wollen Mieter mit Landesmitteln bei Sanierung vor Verdrängung schützen

Jarasch betonte ihr Ziel, die nächste Landesregierung anführen zu wollen. „Damit der Kampf gegen den Klimawandel und für die Verkehrswende erfolgreich wird, braucht Berlin starke Grüne – und zwar im Roten Rathaus.“ Nur mit ihr bekomme der Klimaschutz in Berlin oberste Priorität.

Der Co-Landesvorsitzende der Grünen, Philmon Ghirmai, verwies auf die Bedeutung des Wärme- und Gebäudesektors für die Klimabilanz der Hauptstadt. Rund 50 Prozent des Berliner CO2-Ausstoßes entfielen demnach auf diesen Bereich. „Klimaschutz ist keine Option. Klimaschutz ist die Grundlage für alles.“

Zugleich sollten Mieter vor steigenden Mieten durch Arbeiten an der Wärmedämmung ihrer Wohnung geschützt werden. „Das darf nicht zu Verdrängung führen. Eine energetisch sanierte Wohnung ist kein Luxus, sondern gehört zur Grundversorgung“, sagte Ghirmai.

Neben dem Umbau der Wärmeversorgung sprach Jarasch über ihre Visionen für die Hauptstadt. Dazu gehöre unter anderem die Fortsetzung der Verkehrswende.

Geschwindigkeitskontrollen auf Berlins Straßen sollen verdoppelt werden

„In zehn Jahren kann man alle Bahnhöfe im Stadtgebiet bequem auch ohne eigenes Auto erreichen. Berlin ist Stadt der kurzen Wege, sodass man zu Fuß einkaufen, Wäsche zur Reinigung und Kinder zur Schule oder Kita bringen kann – auch am Stadtrand“, sagte sie. Um die Verkehrssicherheit auf den Straßen zu erhöhen, wolle sie die Geschwindigkeitskontrollen in der Stadt verdoppeln. Zugleich solle Tempo 30 zur Regelgeschwindigkeit werden.

Auch zum bezahlbaren Wohnen wolle sie weitere Regelungen erlassen. Künftig sollten Vermieter demnach rechtlich dazu gezwungen werden, auch günstige Wohnungen anzubieten. „Alle Vermieter sind verpflichtet, dauerhaft einen Teil ihrer Wohnungen günstig auch an Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen zu vermieten“, zeichnete Jarasch eine ihrer Visionen für das Jahr 2033.

Ob es in fünf oder zehn Jahren ein Vergesellschaftungsgesetz gibt, kann heute niemand seriös sagen.

Bettina Jarasch, Grünen-Spitzenkandidatin, über die Chancen eines Gesetzes zur Enteignung von Wohnungskonzernen

Weniger klar äußerte sich die Grünen-Spitzenkandidatin zur Zukunft der Enteignungsfrage. „Mir ist es ernst mit dem, was wir fast 60 Prozent der Berliner Bevölkerung versprochen haben, die für den Volksentscheid gestimmt haben. Wir haben die Expertenkommission eingesetzt, um zu prüfen, wie ein solches Gesetz umsetzbar ist. Und daran arbeiten wir“, sagte sie.

Zugleich zeigte sich Jarasch unsicher, ob sich die Enteignung von Immobilienkonzernen in Berlin rechtssicher umsetzen lasse. „Ob es in fünf oder zehn Jahren ein Vergesellschaftungsgesetz gibt, kann heute niemand seriös sagen.“ Bis dahin sei es ein weiter Weg.

Jarasch betonte, dass ein solches Gesetz verfassungskonform und rechtsicher sein müsse. „Ich möchte nicht, dass Berlin damit vor dem Verfassungsgericht scheitert.“ Nötig sei dazu auch eine „angemessene Entschädigung“ für die Eigentümer.

Jarasch greift Giffey und die CDU an

In ihrer Rede ging Jarasch auch auf ihre Konkurrenten um das Rote Rathaus von SPD und CDU ein. Es sei Zeit, „eine Regierende ins Rote Rathaus zu wählen, die Probleme und Krisen nicht nur reaktiv abmildern will, sondern die einen Plan dafür hat, wo Berlin in fünf und in zehn Jahren stehen kann“, griff die Grüne SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey an.

Der CDU warf sie vor, sich nur um Vornamen zu kümmern und den Menschen beim Klimaschutz eine „Mogelpackung“ zu verkaufen. Die Pläne der CDU für eine größtenteils unterirdisch verlaufende Verlängerung der A100 kritisierte Jarasch scharf. „Auch eine grün angemalte Autobahn bleibt eine Autobahn.“ Gegen die Kosten eines solchen Projekts seien selbst der BER und Stuttgart 21 ein Schnäppchen.

Wenige Wochen vor der Wahl in Berlin ist weiter offen, wer als Sieger aus der Abstimmung hervorgehen wird. In der jüngsten Umfrage führt die CDU um ihren Spitzenkandidaten Kai Wegner mit 23 Prozent der Stimmen vor den Grünen (21 Prozent) und der SPD (18 Prozent).

Trotz des Rückstands auf die Union rechnen sich die Grünen weiterhin Chancen auf den Wahlsieg aus. Unterstützung von der Bundesebene der Partei erhielt der Landesverband am Samstag jedoch nicht. Lediglich die aus Berlin stammende Bundesfamilienministerin Lisa Paus war anwesend.

Ein Sprecher betonte, dass Spitzenkandidatin Jarasch im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen sollte. Mit allen grünen Bundesministern sowie den Bundesvorsitzenden seien bis zur Wahl Termine geplant.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false