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Berliner Forum der Religionen: Wie eine Diversity-Trainerin antisemitische Verschwörungen teilt

Das Forum der Religionen will in Schulen gegen Diskriminierung aufklären, beschäftigt aber eine Mitarbeiterin, die antisemitische Stereotype verbreitet. Der Senat fordert Nachschulungen.

Von
  • David Vilentchik
  • Julian Theilen

Anspruch und Wirklichkeit sind manchmal unversöhnlich. Es sei ihr „eine Herzensgelegenheit“, schreibt sie auf der Webseite des Berliner Forums der Religionen, „den interreligiösen Dialog in ihrer Heimat- und Lieblingsstadt Berlin voranzubringen“. Ina R. (Name geändert) lächelt auf dem Mitarbeiterfoto freundlich, doch auf ihrem Instagram-Account teilt sie antisemitische Hetze. Und das Berliner Forum der Religionen, das mit seiner pädagogischen Referentin R. in Schulen für religiöse Toleranz wirbt, steht bedröppelt da. Ebenso der Berliner Senat, der das Berliner Forum in diesem Jahr mit knapp 145.000 Euro fördert. 

„!$R4**L hört auch nicht auf zu t*ten“: Vielleicht müssen einige Sätze aus R.s Instagram-Profil genau zitiert werden, um zu verstehen, was sich dort seit Wochen abspielt. Das Wort Israel, wie in antisemitischen Kreisen typisch, wurde unkenntlich gemacht, weil der Judenstaat nicht anerkannt wird. Das Dollar-Zeichen erinnert an die Verschwörungserzählung, nach der Juden Reichtum und Macht einsetzen würden, um Einfluss auf das Weltgeschehen auszuüben.

Diese Interpretation ist nicht weit hergeholt. R. agitiert in diesem Sinne immer wieder. Die Medien in Deutschland würden bewusst nicht die Wahrheit über den Nahostkonflikt sagen, raunt sie fast täglich in ihren Instagram-Stories. Israel begehe vor aller Augen einen „Genozid“, wiederholt sie gebetsmühlenartig. Aber dass sie Israel so leidenschaftlich kritisiere, habe sicher nichts mit Diskriminierung von Juden zu tun.

Gleichzeitig beklagt sie aber immer wieder, dass man Israel in Deutschland öffentlich gar nicht kritisieren dürfe. Einen negativen Höhepunkt erreicht R., als sie den Holocaust als Beweis dafür nimmt, dass Unrecht auch im Namen des (israelischen) Staates geschehen könne: „Unsere Regierung und Gesetze sind keine Leitlinien für menschlichen Anstand und Moral.“ Konkret meint sie: Die Militäroperation Israels gegen Hamas-Terroristen müsse genauso hinterfragt werden wie die Ermordung von sechs Millionen Juden im Zweiten Weltkrieg. Absurd dieser Vergleich, verquer, vielleicht sogar: böswillig?

Berlins Antisemitismusbeauftragter Samuel Salzborn findet klare Worte: Mit dem gebrauchten Begriff „Genozid“, sagt Salzborn, geschehe mit „Blick auf Israel nicht nur eine antisemitische Täter-Opfer-Umkehr“. Vielmehr würde man mit diesen Bildern „dieser Tage das Agieren des Staates Israel, der sich gegen einen barbarischen Angriff der antisemitischen Terrororganisation Hamas wehrt, dämonisieren und delegitimieren“.

Die Berliner Senatsverwaltung für Kultur teilt auf Nachfrage die Auffassung Salzborns. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin, ein potenzieller Ansprechpartner des Berliner Forums der Religionen, bezichtigt R. darüber hinaus der Lüge, da kein Land in Deutschland so sehr kritisiert werde wie Israel. Die Gemeinde arbeite nicht mit dem Berliner Forum zusammen.

Die Bilder sind zutiefst irritierend und widersprechen unseren Grundüberzeugungen.

Michael Bäumer, Geschäftsführer des Berliner Forums der Religionen

Ein Mitglied des Koordinierungskreises des Forums, das um Anonymität bittet, betont trotzdem: „Noch nie hat es in der Vergangenheit im Berliner Forum antisemitische Ausfälle gegeben.“ Umso schockierter sei sie, dass nun offenbar eine Person im Forum beschäftigt ist, die mit solchen Positionen auffällt. Sie geht davon aus, dass Konsequenzen folgen werden.

Der Geschäftsführer des Berliner Forums der Religionen, Michael Bäumer, äußert sich lange nicht, um dann doch seine fest angestellte Mitarbeiterin zu verurteilen: „Die Bilder sind zutiefst irritierend und widersprechen unseren Grundüberzeugungen, die wir in unserer Präambel festgelegt haben: aufeinander hörend, respektvoll und den Zusammenhalt in dieser Stadt stärkend miteinander umzugehen.“

Bäumer bittet darüber hinaus um Verständnis, dass das Forum zunächst das Gespräch mit der Mitarbeiterin R. suchen werde. Dass niemand von den antisemitischen Einstellungen der Mitarbeiterin gewusst haben will, verwundert jedoch. Ihre Instagram-Stories sind für jeden öffentlich sichtbar. Auch Kollegen folgen ihr.

Dieser Fall im Berliner Forum fällt in eine Zeit, in der Kultursenator Joe Chialo (CDU) staatliche Förderungen von einigen Kulturträgern in Berlin hinterfragt. Erst vor wenigen Tagen teilte der Senat mit, dass er das Kulturzentrum Oyoun in Neukölln nicht mehr unterstützen werde, weil Oyoun mit Gruppen zusammenarbeitet, die zum Boykott von Israel aufrufen und dessen Existenzrecht infrage stellen.

Dem Berliner Forum droht das gleiche Schicksal offenbar nicht, aber der Senat stellt klar: „Wir werden den Vorfall zum Anlass nehmen, gegenüber dem Berliner Forum anzuregen, israelbezogenen Antisemitismus sowie geeignete Formen der Prävention in ihren Projekten und Veranstaltungen stärker zu thematisieren.“

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