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Der Maler Konrad Knebel kam al 19-Jähriger zum Studieren nach Berlin und blieb.

© be.bra-Verlag/Rolf Zöllner

Berlin-Bücher: Wettlauf mit der Zeit

Knut Elstermanns sehr persönliches Buch über den Berliner Stadtmaler Konrad Knebel

Da haben sich zwei gefunden in ihrer Liebe zu den Straßen, insbesondere den Gründerzeithäusern Berlins: der Maler Konrad Knebel und der Filmjournalist Knut Elstermann.

Der Kritiker hat dem Künstler nun ein Buch geschrieben, das den Leser in dieser Begeisterung mitnimmt. „Der Canaletto vom Prenzlauer Berg“ ist keine Schwärmerei - das würde zu den unsentimentalen Bildern Knebels auch nicht passen -, sondern eine sensible Betrachtung, die ebenso viel über den Porträtierten wie den Autor aussagt.

Knut Elstermann wuchs in den sechziger Jahren in Prenzlauer Berg in der Winsstraße auf, der er bereits 2013 ein eigenes Buch gewidmet hat.

Bis seine Eltern sich entschieden, in eine komfortablere Wohnung umzuziehen, war die Nachbarschaft mit ihren brüchigen Häusern und Hinterhöfen sein Revier. In gewisser Hinsicht trauert Elstermann ihr noch heute nach. Ein Atelierbesuch bei Konrad Knebel samt anschließendem Bilderkauf, von dem er in seinem neuesten Buch erzählt, trägt ihn dorthin wieder zurück.

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Der Leipziger Knebel kam 1951 als 19-Jähriger zum Studieren an der Kunsthochschule Weißensee nach Berlin und blieb als selbstständiger Maler. Dieses Beharrungsvermögen zeichnet auch seine Motive aus: immer wieder Straßen, Fassaden, Stadtveduten. Durch diesen selbst erteilten Auftrag hat er eine Lebenswelt bewahrt, die es heute so nicht mehr gibt. Selbst seine Verdrängung 2012 aus dem Atelier in Prenzlauer Berg, das er seit 38 Jahren nutzte, hält ihn nicht davon ab, weiterzumachen. Der Künstler besitzt in seinen Mappen noch genügend Skizzen aus der Zeit vor der Gentrifizierung, seine Gemälde entstehen stets nach diesen Vorlagen, nie vor Ort. Aber auch im Westteil der Stadt entdeckt er dann und wann neue Motive wie den S-Bahnhof Schöneberg.

Melancholie im Gemäuer. Noch stehen die Altbauten, doch im Hintergrund lauert schon der Plattenbau. Das Gemälde „Häuser in Friedrichsfelde I“ (Tempera/Öl auf Leinwand) schuf Konrad Knebel im Jahr 1971.
Melancholie im Gemäuer. Noch stehen die Altbauten, doch im Hintergrund lauert schon der Plattenbau. Das Gemälde „Häuser in Friedrichsfelde I“ (Tempera/Öl auf Leinwand) schuf Konrad Knebel im Jahr 1971.

© Konrad Knebel/be.bra-Verlag/VG Bild-Kunst 2020

Elstermann betrachtet Knebels Bilder mit einem besonderen Verständnis, gesättigt durch Kindheitserinnerungen. Melancholiker sind sie beide. Hier schreibt kein Kunsthistoriker, sondern ein Enthusiast mit Einfühlungsvermögen. Natürlich stellt der Autor die Verbindung zu den beiden Canalettos her, zu Giovanni Antonio Canal, der Venedig porträtierte, und seinem Neffen Bernardo Bellotto, der Wien, Dresden und Warschau für die Nachwelt festhielt. Aber Knebel malt nicht prachtvolle Stadtpanoramen, sondern blätternde Fassaden, Bauzäune, Garagenhöfe und Schutthaufen. Auch die beiden Berliner Stadtmaler Eduard Gärtner und Otto Nagel erwähnt der Autor. Werner Heldt und Kurt Mühlenhaupt möchte man noch ergänzen, aber Elstermann ist gar nicht an einer Einordnung des Werks gelegen.

Danach kamen die Sprengmeister

Stattdessen läuft man mit ihm durch Knebels gemalte Straßen, erfährt hier von dem besonderen Licht, das in dessen Bildern leuchtet, dort vom Wettlauf des Künstlers mit der Zeit. Mit seinem Skizzenblock versuchte er in DDR-Zeiten, den Sprengmeistern zuvorzukommen, die Berlins brüchige Gründerzeitarchitektur für die neue sozialistische Stadt aus dem Weg räumen sollten. Ironischerweise wurden ausgerechnet Knebels wehmütige Dokumentationen als Beleg dafür genommen, dass die Bauten doch veraltet und deshalb entbehrlich seien.

Knut Elstermann: Der Canaletto vom Prenzlauer Berg. Der Maler Konrad Knebel. be.bra-Verlag. 112 Seiten, 74 farbige, sechs schwarz-weiße Abbildungen, 22 Euro.
Knut Elstermann: Der Canaletto vom Prenzlauer Berg. Der Maler Konrad Knebel. be.bra-Verlag. 112 Seiten, 74 farbige, sechs schwarz-weiße Abbildungen, 22 Euro.

© promo

Der Künstler wehrte sich gegen diese Vereinnahmung, indem er zunehmend alles Erzählerische entfernte, die Straßen von Menschen entleerte und seine Gemälde dadurch zu Bildern stiller Trauer werden ließ. Ihre Kargheit und Strenge mag in der Summe zwar ermüden. Aber Elstermann führt vor, wie viel Leben in diesen brüchigen Mauern steckte und steckt. Und dass es sich lohnt, an ihre Vergangenheit zu erinnern.

Der Künstler selbst nimmt die neuesten Entwicklungen im Prenzlauer Berg eher unsentimental auf und schlägt stattdessen vor, jetzt einfach abzuwarten, bis alles wieder alt geworden ist.

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