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Franziska Giffey spricht bei dem Landesparteitag der SPD Berlin im November 2022.

© dpa / dpa/Carsten Koall

Angriff auf Berlins SPD-Spitze: Jusos wollen Giffey und Saleh als Landesvorsitzende ablösen

Die Jusos fordern eine Trennung von Amt und Mandat ab 2024 für die SPD-Spitze. Fast der gesamte aktuelle Vorstand dürfte dann nicht mehr antreten.

Die Jusos fordern einen personellen und inhaltlichen Neuanfang für die Berliner SPD. Einen entsprechenden Initiativantrag wollen die Jungsozialisten am Freitag beim Landesparteitag einbringen. Ihrem Wunsch nach soll die Kandidatensuche für eine neue Führungsriege in einem breit angelegten Prozess nach dem Vorbild der Bundes-SPD organisiert werden.

Am Freitagnachmittag kommt die Berliner SPD zum ersten Parteitag nach der Wiederholungswahl zusammen. Nachdem die Partei im Februar das schlechteste Wahlergebnis seit der Wiedervereinigung erhalten und sich nach einem knappen Mitgliedervotum für eine Koalition mit der CDU entschieden hatte, werden dort heftige Debatten erwartet.

Die Jusos fordern in ihrem Antrag, der dem Tagesspiegel vorliegt, einen Auswahlprozess für eine neue Parteispitze, ähnlich wie auf Bundesebene 2019. Damals traten mehrere Kandidierenden-Duos im Rennen um die Parteiführung an. Für die Suche nach geeigneten Kandidierenden wollen die Jusos Mitgliederforen veranstalten.

Neue Führung ab 2024 ohne Giffey und Saleh?

Wer ein Mandat hat, soll sich künftig möglichst nicht zur Wahl stellen lassen können: „Funktionsträger*innen im geschäftsführenden Landesvorstand der SPD Berlin sollen künftig nicht identisch sein mit denen, die als Staatssekretär*innen, Senator*innen oder als Fraktionsgeschäftsführer*innen oder -vorsitzende die Regierung maßgeblich tragen“, schreiben die Jusos.

Nach der Entscheidung wurden keine erheblichen Schritte unternommen, die entstandenen Gräben wieder zuzuschütten.

Die Jusos über den Umgang der SPD-Parteiführung mit dem knappen Mitgliedervotum

Würde es so kommen, dürfte fast der komplette aktuelle Vorstand nicht mehr antreten. Die bisherigen Vorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh, die derzeit Senatorin und Fraktionsvorsitzender sind, könnten sich nicht mehr zur Wahl stellen. Und auch dem aktuellen Fraktionsgeschäftsführer, dem engen Saleh-Vertrauten Torsten Schneider, wäre damit die Möglichkeit einer Kandidatur verwehrt.

Der Antrag der Jusos geht mit der bisherigen Führung hart ins Gericht. Mit Blick auf das knappe Mitgliedervotum zur Koalitionsbildung mit der CDU heißt es in dem Papier: „Nach der Entscheidung wurden keine erheblichen Schritte unternommen, die entstandenen Gräben wieder zuzuschütten.“ Bisher sei die Unterbreitung inhaltlicher Angebote an die Gegner der schwarz-roten Koalition in Berlin unterblieben.

Der Landesvorstand der Jusos will deshalb „einen Visionenprozess“ starten, mit Debattencamps ebenfalls nach dem Vorbild der Bundes-SPD. Dabei sollen auch neue Wege gefunden werden, „um Brücken zu Linken und Grünen wieder aufzubauen“.

Die Ankündigung des bisherigen Co-Parteichefs Raed Saleh nach einer „schonungslosen und kritischen Aufarbeitung“ reicht den Jusos und auch anderen linken Parteimitgliedern offenbar nicht.

Inwiefern Salehs Strategie der starken Kommunikation in die Partei hinein von Erfolg gekrönt sein wird, scheint somit offener als zuvor. Der Co-Parteichef gilt, anders als Giffey, als parteiinterner Moderator, der andere stark einbindet, Kritiker aber auch zum Verstummen bringt.

Auch Saleh kann nicht mit allen 18.000 Parteimitgliedern Kontakt halten.

Ein SPD-Vorstandsmitglied über Co-Parteichef Raed Saleh

Ein SPD-Politiker, der Mitglied im Parteivorstand ist, sagt, Saleh telefoniere „wie ein Wilder rum“. Dabei käme ihm zugute, dass er Situationen erkläre, auch selbstkritisch auftrete. Das Vorstandsmitglied merkt aber an: „Auch Saleh kann nicht mit allen 18.000 Parteimitgliedern Kontakt halten“. Das habe sich ja auch im verhältnismäßig schwachen Ergebnis bei seiner Wahl zum Landesvorsitzenden 2022 gezeigt.

Auch über die Jusos hinaus gibt es im linken Parteiflügel die klare Erwartung, dass sich 2024 etwas ändern und der Weg dafür nun vorgezeichnet werden muss. 2024 stehen turnusgemäß neue Vorstandswahlen an. Ein einflussreiches Parteimitglied, das dem linken Lager zuzurechnen ist, sagt: „Es muss sich im gesamten Landesvorstand, sowohl in der Spitze als auch in der Breite, etwas ändern.“ Wer das anders sehe, sei „im falschen Jahrzehnt unterwegs“.

Hakan Demir, Bundestagsabgeordneter für Berlin-Neukölln, begrüßt den Vorstoß der Jusos. Er selbst hatte bereits nach dem Mitgliedervotum ein breites Auswahlverfahren für eine neue Parteispitze ins Gespräch gebracht. „Der Antrag hat meine volle Unterstützung“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Jusos stießen damit einen wichtigen Prozess an. „Wir brauchen eine aufrichtige Problemanalyse und konkrete Handlungsempfehlungen.“ Am Ende entscheide die Partei über neue Ideen und neue Köpfe.

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