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Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin, und Raed Saleh (SPD), Fraktionsvorsitzender.

© dpa/Jörg Carstensen

Update

Knappe Mehrheit: 54,3 Prozent der Berliner SPD-Mitglieder stimmen für Koalition mit der CDU

Beim Mitgliederentscheid der Berliner SPD hat sich eine knappe Mehrheit für eine Koalition mit der CDU ausgesprochen. Die Parteispitze zeigt sich erleichtert, die Jusos diplomatisch.

| Update:

Eine knappe Mehrheit an der SPD-Basis hat sich für eine Koalition mit der CDU ausgesprochen. Das wurde am Sonntagnachmittag bekannt. Wie die Berliner SPD mitteilte, haben 54,3 Prozent der knapp 12.000 SPD-Mitglieder, die sich an der Abstimmung beteiligt haben, mit „Ja“ abgestimmt.

Damit ist der Weg frei für den Einzug von CDU-Landeschef Kai Wegner als Regierender Bürgermeister ins Rote Rathaus - mit der SPD als kleinem Koalitionspartner. Am Mittwoch soll die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags erfolgen.

„Wir haben ein klares Ergebnis für den Vorschlag des geschäftsführenden Landesvorstands“, sagte Franziska Giffey am Abend im Kurt-Schumacher-Haus nach Verkündung des Abstimmungsergebnisses. 11.886 – fast 65 Prozent – der Berliner SPD-Mitglieder haben an der Abstimmung teilgenommen. 6179 votierten für, 5200 gegen die Koalition mit der CDU.

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Giffey ergriff als erste bei der Pressekonferenz das Wort. „Ich bin sehr erleichtert, für die SPD, aber auch für unsere Stadt. Wir haben nun die Chance, ins konkrete Handeln zu kommen“, sagte sie. Sie nannte die Entscheidung eine „Richtungsentscheidung“, die weit über die nächsten Jahre den Weg weise.

Wir akzeptieren dieses Votum und werden kritisch-solidarisch die zu bildende Regierung begleiten.

Juso-Vorsitzende Sinem Tasan-Funke

Co-Parteivorsitzender Raed Saleh lobte den Prozess des Mitgliedervotums: Es habe eine „lebendige Diskussionskultur“ gegeben, die gezeigt habe, dass man zusammenstehe. Er habe Verständnis für jeden, der anders abgestimmt habe. Aber man mache das für dreieinhalb Jahre, „weil diese Entscheidung vernünftig ist.“ Eine Koalition zwischen CDU und Grüne sei nicht das richtige für die Stadt gewesen.

Die Frage, ob das knappe Ergebnis auch personelle Konsequenzen innerhalb des Landesvorstands haben könne, wies Saleh weit von sich: „Die Partei freut sich, wenn die Inhalte stimmen“, sagte er, „dann wird alles andere auch gut.“ Regulär werden die Landesvorsitzenden alle zwei Jahre gewählt, eine neue Wahl stünde demnach erst im nächsten Jahr an.

Die Jusos aber forderten schon vorher Konsequenzen. Sie sprachen sich am Abend für die Trennung von Partei- und Regierungsämtern aus. „Ein Blick in die Bundespartei zeigt, dass die SPD profitiert, wenn Spitzenparteiämter und Regierungsposten getrennt sind. Das wünschen wir uns auch für die SPD Berlin“, sagte die Landesvorsitzende der Berliner Jusos, Sinem Taşan-Funke.

Mit Blick auf das Ergebnis äußerte sie sich diplomatischer: „Wir akzeptieren dieses Votum und werden kritisch-solidarisch die zu bildende Regierung begleiten. Unsere Haltung überdauert Abstimmungen – auch diese“, sagte Tasan-Funke. Im Gegensatz zu Franziska Giffey sprach sie jedoch von „keinem deutlichen Ergebnis“.

11.886
Berliner SPD-Mitglieder beteiligten sich an der Abstimmung

Die Abstimmung der SPD Berlin fiel deutlich knapper aus als ähnliche Abstimmungen 2013 und 2017 auf Bundesebene. 2013 stimmten bundesweit knapp 76 Prozent für eine Koalition mit den Christdemokraten, 2018 waren es 66 Prozent.

Neben den Jusos plädiert auch Franziska Drohsel, stellvertretende Vorsitzende der SPD Steglitz-Zehlendorf und ehemalige Juso-Bundesvorsitzende, für personelle Veränderungen. „Die historisch schlechten Wahlergebnisse 2021 sowie 2023 müssen aufgearbeitet werden. Wir brauchen einen personellen und programmatischen Neuanfang“, sagte sie.

Hakan Demir, Bundestagsabgeordneter für Berlin-Neukölln, forderte mit Blick auf das knappe Ergebnis die Zusammenführung der Partei. Diese sei, das habe die Abstimmung gezeigt, gespalten.

Kai Wegner erfreut

CDU-Parteichef und Berlins designierter Regierender Bürgermeister äußert sich bei Twitter zum Ergebnis: „Das Votum der SPD-Mitglieder steht für Vernunft und Verantwortung“, schrieb er. Es sei nun Zeit, die Probleme der Stadt schnell anzupacken. „Es geht darum, dass wir gemeinsam hart daran arbeiten, dass Berlin jeden Tag ein Stückchen besser wird“, sagte er weiter.

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CDU-Generalsekretär Stephan Evers hatte sich zuvor ähnlich geäußert: „Wenn nun auch die CDU der Koalition zustimmt, haben beide Parteien gemeinsam die Chance, gesellschaftliche Spaltungen zu überwinden und Berlin aus einer neuen politischen Kultur des Respekts und der Verantwortung heraus zu führen“, sagte er.

Grünen-Fraktionsvorsitzende Jarasch: „Ein guter Start ist das nicht“

Von den Grünen, die künftig Oppositionspartei sein werden, kamen kurz nach Bekanntwerden kritische Reaktionen. Grünen-Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch bewertete das knappe Votum als schlechter Omen für die künftige Koalition: „Ein guter Start ist das nicht. Rückenwind sieht anders aus. Die SPD hat sich für den Rückschritt und gegen ein sozial und ökologisch gerechtes, weltoffenes Berlins ausgesprochen“, sagte sie. „Wir nehmen die Rolle der Oppositionsführung an und werden die Arbeit des Wegner-Senats in den kommenden Jahren kritisch begleiten.“

Die Landesvorsitzenden der Berliner Grünen, Susanne Mertens und Philmon Ghirmai, zeigten sich im Hinblick auf die von der rot-grün-roten Koalition in Berlin erreichten Ziele enttäuscht: „Das Bündnis hat bundesweit einmalige Leuchtturmprojekte im Sinne eines gerechten, ökologischen und weltoffenen Berlins umgesetzt. Den Erfolgen der letzten Jahre – etwa in der Sozial-, Gesellschafts-, Klima- oder Mobilitätspolitik – droht nun die Rückabwicklung“. Für Berlin sei das schmerzlich.

Die Landesvorsitzende der Berliner Linken, Katina Schubert, sowie die Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und Carsten Schatz äußerten sich erwartbar kritisch zum Votum: „Berlin hat Besseres als eine schwarz-rote Ankündigungskoalition verdient, die keine wirklichen Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit hat und mit der ein soziales wie gesellschaftliches Rollback droht“, erklärten sie. Allerdings verwiese sie auch auf das aus ihrer Sicht knappe Votum: „Das ist für uns Linke ein gutes, wichtiges Zeichen. Es gibt in unserer Stadt sehr viele Sozialdemokraten, die wissen, dass gemeinsames Regieren mit der CDU in Berlin noch nie etwas vorangebracht hat.“

Die AfD-Vorsitzende Kristin Brinker wertete das knappe Ergebnis ebenfalls als „kein gutes Zeichen für Berlin“. Die Gefahr sei groß, dass die SPD zur Opposition in der Regierung werde, um diejenigen Parteimitglieder bei der Stange zu halten, die die Koalition abgelehnt hätten.

Der Landesvorsitzende der Berliner FDP, Christoph Meyer, wertete die knappe Entscheidung als „verheerendes Zeichen“, die zeige, wie tief gespalten die SPD in Berlin sei. „Statt Berlin endlich ins 21. Jahrhunderts zu katapultieren und das Image einer funktionierenden Stadt aufzudrücken, werden CDU und SPD die Hauptstadt in einer Zeitkapsel des Stillstands gefangen halten. Das hat die Stadt nicht verdient“, sagte der Bundestagsabgeordnete.

Enteignungsinitiative „schockiert“

Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“ übte harsche Kritik: „Wir sind schockiert von dem Koalitionsvertrag, dem die SPD-Mitglieder heute mehrheitlich zugestimmt haben. Er zeugt offener Ignoranz gegenüber dem demokratischen Auftrag der Berliner*innen zur Enteignung großer Wohnungskonzerne“, heißt es in einer Mitteilung.

Die Initiative kritisiert vor allem das sogenannte Vergesellschaftungsrahmengesetz, das der Koalitionsvertrag von CDU und SPD vorsieht, sowie die Fokussierung auf Rückkauf von Immobilien anstelle einer Enteignung der Immobilienkonzerne.

18.566 stimmberechtigte SPD-Mitglieder

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Zweieinhalb Wochen hatten die 18.566 stimmberechtigten SPD-Mitglieder Zeit, sich an der Abstimmung zum Koalitionsvertrag mit der CDU zu beteiligen.

Der Zählvorgang im Kurt-Schumacher-Haus fanden unter großen Vorsichtsmaßnahmen statt. So mussten die rund 60 Personen, die an der Auszählung beteiligt sind, im Vorfeld ihre Mobiltelefone und Smartwatches abgeben. Während der Auszählung waren alle Mitglieder der Zählkommission in der ersten Etage des Hauses eingeschlossen und durften diesen Bereich nicht verlassen. Die SPD wollte so verhindern, dass Informationen über die Abstimmung nach draußen dringen oder sogar ihren Weg in die sozialen Medien finden.

Freiwillige Helfer wurden ausgelost

Die Zählkommission bestand aus der Wahlkommission des Landesparteitags, die immer für zwei Jahre gewählt ist und aus Vertretern der Kreisverbände sowie 12 Mitgliedern des Landesvorstands besteht.  Vorsitzende der Kommission ist Abgeordnete und Landesvorstandsmitglied Ina Czyborra. Zusätzlich dazu waren am Sonntag noch hauptamtliche Mitarbeiter des Landesverbands an der Auszählung beteiligt sowie 25 freiwillige Helfer, die sich im Vorfeld bewerben konnten und ausgelost wurden.

Mithilfe von Maschinen wurden die Briefe aufgemacht. In einem ersten Raum wurden die eidesstaatlichen Erklärungen überprüft und von den Stimmzetteln getrennt. Die Stimmabgabe wurde zu diesem Zeitpunkt auch im Wahlverzeichnis notiert. In einem weiteren Raum wurden dann die Stimmzettel gezählt, jeder Zettel zwei Mal.

Nicht zuletzt die beiden Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh warben für das schwarz-rote Bündnis und betonten immer wieder die sozialdemokratische Handschrift des Koalitionsvertrags. Giffey war bereit, für eine Regierungskoalition mit der CDU ihr Amt als Regierende Bürgermeisterin aufzugeben, das sie bei der Fortsetzung von Rot-Grün-Rot behalten hätte. (mit dpa)

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