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Neue Container mit farblichem Leitsystem: Hangar 1 des ehemaligen Flughafens Tempelhof.

© dpa/LAF

600 neue Plätze für Geflüchtete in Berlin: Flüchtlingsunterkunft am Flughafen Tempelhof wächst

Fragen der Gesundheitsversorgung und Beschulung sind ungeklärt. Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD) versicherte, trotzdem die Integration gewährleisten zu wollen.

In der Großunterkunft für Geflüchtete im früheren Flughafen Tempelhof sind zum Freitag 600 neue Containerplätze in Hangar 1 entstanden. Noch am Vormittag sollten dort 400 alleinreisende geflüchtete Männer einziehen, die seit Anfang der Woche auf Feldbetten in der Eingangshalle des Flughafens übernachteten. „Es ist keine einfache Herausforderung, aber alle arbeiten Hand in Hand“, sagte Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) bei einem Pressetermin vor Ort. Die 600 neuen Plätze in Tempelhof seien „ein Puzzlestück“ bei den Bemühungen, neue Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen.

Die Kapazitäten des Landes sind fast ausgeschöpft, derzeit liegt die Auslastung der Unterkünfte des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) bei knapp 99 Prozent. Der Senat hat daher vor einigen Wochen beschlossen, die Großunterkünfte in Tempelhof und Tegel auszubauen sowie Hotel- und Hostelplätze anzumieten.

In Hangar 1 in Tempelhof wurden wie in Hangar 2 und 3 Container aufgebaut. Diese sind je 12 Quadratmeter groß und mit zwei Stockbetten für vier Personen ausgestattet. Es gibt pro Container einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen sowie vier abschließbare Schließfächer. In Hangar 2 und 3 kommen bereits 800 Personen unter, hinzu kommen weitere 1000 auf dem restlichen Gelände. Die Freizeitaktivitäten, die bislang im neu bezogenen Hagar angeboten wurden, sollen nun in Hangar 4 ziehen oder dort bald wieder zur Verfügung stehen.

Wir mahnen dringend an, dass die Erstversorgung hier am Standort möglich gemacht werden muss.

Jörn Oltmann (Grüne),  Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, über die Gesundheitsversorgung

„Es entstehen Großunterkünfte, die es in dem Ausmaß bundesweit noch nicht gibt“, sagte Kiziltepe. Ihr Schwerpunkt sei es, trotzdem Integration möglich zu machen. Der Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, Jörn Oltmann (Grüne), appellierte an die Gesundheitsverwaltung, die medizinische Versorgung der Menschen vor Ort sicherzustellen. „Wir mahnen dringend an, dass die Erstversorgung hier am Standort möglich gemacht werden muss, das ist überfällig“, sagte Oltmann.

Die Innenaufnahme aus einem der neuen Container im Hangar 1.
Die Innenaufnahme aus einem der neuen Container im Hangar 1.

© Anna Thewalt

Derzeit gibt es keine medizinische Versorgung vor Ort. Wenn ein Gesundheitsproblem auftritt, wird der Krankenwagen gerufen. Auf Nachfrage, was konkret geplant sei, erklärte die Gesundheitsverwaltung am Freitag, die ambulante medizinische Versorgung in Form eines „Med-Punktes“ sei „selbstverständlich Teil der Gespräche im Rahmen der Taskforce Integration und Unterbringung von Geflüchteten“. Wann es ein solches Angebot geben könnte, sagte die Verwaltung nicht.

Oltmann machte auch deutlich, dass die Schulen im Bezirk an ihre Grenzen gestoßen seien. Derzeit gehen viele der knapp 100 schulpflichtigen Kinder der Unterkunft in Willkommensklassen im Bezirk. Alle weiteren Beschulungsangebote würden „zentral“ von der Bildungsverwaltung koordiniert, sagte Oltmann. Die Bildungsverwaltung erklärte am Freitag, man stehe „in Gesprächen mit dem Schulamt und der Schulaufsicht, um zeitnah ein Angebot unterbreiten zu können“. Laut Angaben des Wohlfahrtsverbands AWO, die als Träger der Unterkunft fungieren, warten knapp 30 Kinder in der Unterkunft auf einen Schulplatz.

Über 2000 Asylsuchende noch nicht registriert

Insgesamt steht Berlin aufgrund der weiter hohen Ankunftszahlen unter Druck. Allein in der vergangenen Woche kamen nach LAF-Informationen 1071 Asylsuchende nach Berlin. Das Amt kommt bei der Registrierung nicht mehr hinterher: Etwa 2000 Asylsuchende, so LAF-Sprecher Sascha Langenbach, seien noch unregistriert. Allerdings würden im November und Dezember 20 neue Mitarbeiter „in Rekordzeit“ eingestellt, um auszuhelfen.

Geflüchtete ziehen in die Flüchtlingsunterkunft am früheren Flughafen Tempelhof. Die Flüchtlingsunterkunft im früheren Flughafen Tempelhof ist größer geworden.
Geflüchtete ziehen in die Flüchtlingsunterkunft am früheren Flughafen Tempelhof. Die Flüchtlingsunterkunft im früheren Flughafen Tempelhof ist größer geworden.

© Dr. Fabian Bein/Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten/dpa

Senatorin Kiziltepe kündigte an, „bald“ werde ein neuer LAF-Präsident ernannt. Derzeit leitet ihr Staatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) die Behörde kommissarisch. Kiziltepe appellierte an den Bund, mehr Geld für Länder und Kommunen zur Verfügung zu stellen. „Aus meiner Sicht müssten wir eigentlich nach der Corona-Notlage eine Flüchtlings-Notlage ausrufen, sodass die Schuldenbremse in diesen Zeiten auch mal umgangen werden kann“, forderte sie. 

Die Unterbringung Geflüchteter kostet das Land Berlin derweil viel Geld. Dabei sind Notunterkünfte wie in Tegel oder Tempelhof besonders teuer, wie Experten immer wieder sagen. Kiziltepe wollte genaue Angaben zu den Kosten am Freitag nicht machen. Sie sagte aber, für den Betrieb der Unterkunft in Tegel könne sie pro Monat zwei modulare Unterkünfte bauen. Diese kosten jeweils 20 Millionen Euro.

Für die Anmietung von Hostel- und Hotelzimmern bezahlt Berlin einen durchschnittlichen Tagessatz von 57 Euro. Dies geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des AfD-Abgeordneten Gunnar Lindemann hervor.

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