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Um Personal zu locken, werben die vier Schulen des Christburg Campus’ mit immateriellen Werten.

© Nancy Jesse Fotografie/Christburg Campus

Angst vor der Lehrer-Abwanderung : Wie Berlins freie Schulen ihre Beschäftigten umwerben

Seitdem das Land Berlin Lehrkräfte mit der Verbeamtung locken kann, haben es die freien Träger schwerer, ihr Personal zu halten. Aber sie versuchen, attraktiver zu werden.

Not macht erfinderisch, könnte man es positiv formulieren: Berlins 130 freie Schulen suchen nach Mitteln und Wegen, um für ihre Beschäftigten attraktiver zu werden, denn das Land wirbt ihnen mit der Rückkehr zur Verbeamtung die Lehrkräfte ab. Was aber tun die freien Träger, um ihre Beschäftigten zu halten?

So viel vorab: Dass es Kündigungen infolge der Verbeamtung gibt, bestätigten alle Befragten mit Ausnahme eines kleinen Trägers. Etliche Träger sind finanziell eher klamm, können also gar nicht mit zusätzlichem Geld winken. Im Gegenteil: Sie zahlen ihren Beschäftigten oftmals weniger als die öffentliche Hand. Die Verbeamtung verstärkt dieses Gefälle noch. „Die Konkurrenz war schon vorher da“, sagt denn auch der Geschäftsführer des freien evangelischen Trägers „Christburg Campus“, Dirk Noack.

130
freie Schulen gibt es in Berlin

Zum Personalfindungskonzept der vier Schulen des Campus gehört daher, mit immateriellen Werten zu werben. Dazu ließ Noack Postkarten drucken, die den Umworbenen vor Augen führen sollen, was sie in den Christburg-Schulen finden können: Wertschätzung, persönliche Entfaltung, Gemeinschaft und gelebten Glauben.

Seit zwei Jahren unternehmen wir mit erheblich gesteigerten Mitteln und neuen Maßnahmen besondere Anstrengungen bei unserer Personalgewinnung.

Dirk Noack, Geschäftsführer des Christburg-Campus

Eine der vier Schulen ist aus der Arche-Schule erwachsen, die speziell für die unterprivilegierten Kinder im Hellersdorfer Plattenbau nahe des Familienzentrums „Arche“ gegründet wurde. Eine weitere Schule liegt im Falkenhagener Feld. Da an beiden Schulen rund 40 Prozent der Familien nur den Minimalbetrag von 50 Euro im Monat zahlen können, ist an die Finanzierung hoher Gehälter nicht zu denken. Umso wichtiger fand Noack es, eine „Arbeitgebermarke“ zu entwickeln und Wertschätzung sowie das „Wir-Gefühl“ zu stärken.

Zuletzt habe der Träger ein Mitarbeiterfitnessprogramm gestartet, bei dem die Kolleginnen und Kollegen allein in Berlin über 400 Angebote in den Bereichen Sport, Schwimmen, Fitness und Wellness „zu einem sehr reduzierten Preis“ nutzen können.

Das Katholische Erzbistum will eine Zulage zahlen

Das Katholische Erzbistum ist ebenfalls in Sorge. Es geht um 20 Schulen mit fast 7000 Kindern und Jugendlichen sowie mehr als 650 Lehrkräften. Wie viele kündigen werden, weiß bislang niemand. „Bildung wird definitiv ein Schwerpunkt im Erzbistum Berlin bleiben“, betont Bereichsleiterin Birgit Hoyer im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Daher hat sich auch das Erzbistum Gedanken gemacht, wie es gegensteuern könnte. Ein Baustein werde sein, dass man den Lehrkräften die Differenz zur höchsten Erfahrungsstufe 5 zahle: Die entsprechende Zulage von bis zu 1700 Euro pro Monat fällt hingegen bei neuen Landeslehrkräften infolge der Verbeamtung künftig weg.

In unseren Schulen erwarten Lehrerinnen und Lehrer eine gute Arbeitsatmosphäre und kreative Gestaltungsfreiheiten.

Birgit Hoyer, Bereichsleiterin Bildung im Erzbistum Berlin

Wichtiger als der finanzielle Ausgleich, den das Erzbistum nicht unbegrenzt leisten könne, ist es Hoyer allerdings, für einen attraktiven und sicheren Arbeitsplatz zu werben. „In unseren Schulen erwarten Lehrerinnen und Lehrer eine gute Arbeitsatmosphäre, kreative Gestaltungsfreiheiten, eine engagierte Elternschaft und eine große kulturelle und religiöse Vielfalt“, betont Hoyer.

Optimistisch ist Johannes Mosmann, der Geschäftsführer der Interkulturellen Waldorfschule Berlin. „Bei uns gibt es bislang weder Kündigungen noch angedrohte Kündigungen, die sich auf die Verbeamtung an öffentlichen Schulen beziehen“, berichtet er. Die allermeisten Beschäftigten hätten sich bewusst für die kleine Schule entschieden, „weil sie glauben, hier mehr bewegen zu können als an einer öffentlichen Schule“.

Nur die Waldorfschulen bilden selbst aus

Die Waldorfschulen haben gegenüber anderen freien Schulen den Vorteil, dass sie einen Großteil ihrer Lehrkräfte selbst ausbilden – nach dem speziellen Waldorfprogramm. Diese Lehrkräfte können nicht verbeamtet werden, sind mithin nicht Ziel der Abwerbungen. Aber unter den klassisch ausgebildeten Lehrkräften mit Staatsexamen gebe es schon erste Kündigungen, ergänzt Julian Scholl von der Landesarbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen.

Um die unterschiedlichen Antworten der Träger auf die Verbeamtung soll es am 20. März gehen, wenn sich die Arbeitsgemeinschaft der Freien Schulen (AGFS) zu einem Fachtag trifft, kündigt ihr Sprecher Andreas Wegener an. Der langjährige Geschäftsführer der Private Kantschulen erinnert daran, dass die freien Schulen vielfach benachteiligt seien. Dazu gehört, dass sie keinen Zugang zur Quereinsteigerausbildung haben. Das aber sei angesichts der Abwanderung infolge der Verbeamtung besonders erschwerend.

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