zum Hauptinhalt
Der-Erbonkel_online.png

© Lisa Rock für den Tagesspiegel

Zum Grillen geboren: Der Brutzel-Effekt auf die Evolution des Menschen

Wann genau der Mensch das Barbecue erfand, ist unklar. Aber es veränderte ihn elementar: Seine Gene, seine Gedärme, sein Gehirn.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Vor 1,9 Millionen Jahren soll ein Vorfahr des Menschen, Homo erectus, mit dem Grillen begonnen haben. Das jedenfalls schätzt Richard Wrangham von der Harvard University. Wirklich beweisen kann er es nicht. So freundlich, ein paar Edelstahlgrills zu hinterlassen, waren die Frühmenschen nicht. Die älteste, sehr wahrscheinlich menschliche Feuerstelle in der Wonderwerk-Höhle in Südafrika mit verbrannten Knochensplittern ist rund eine Million Jahre alt.

Hier grill ich, hier bin ich Mensch.

© stock.adobe.com

Wrangham argumentiert umgekehrt: Ohne das Grillen, ohne gekochte Nahrung, hätte der Mensch nicht werden können, was er heute ist. Das Gehirn wäre klein, der Magen-Darm-Trakt groß und der Zeitaufwand für Nahrungssuche und Verdauung groß geblieben. Denn erst wer seine Nahrung kocht, vor Erfindung der Einbauküche beim Barbecue über einer Feuerstelle, gewinnt daraus viel mehr Energie als Rohkostler. Das Erhitzen wirkt wie eine Vorverdauung, der Aufwand für den Stoffwechsel wird so stark reduziert, das der Darm des Menschen im Verlauf der Evolution schrumpfen konnte.

Das Gehirn hingegen wuchs infolge des Grillens. Während andere Säugetiere 10 und Affen 13 Prozent ihrer Energie in das Denkorgan stecken, kann sich der kochende Mensch leisten, 20 Prozent zu investieren.

Der Grill-Effekt der Menschwerdung

Das heißt, all die genetischen Veränderungen, die das Gehirn größer und den Menschen intelligenter werden ließen, waren wegen des Grillens überhaupt erst möglich. Das gezähmte Feuer formte den Menschen.

Das ging sogar so weit, dass sich Homo sapiens ein Stück weit genetisch an den Qualm gewöhnte: Eine Veränderung im Gen AHR hilft, einem Team um Gary Perdew von der Pennsylvania State University zufolge, dass weniger der krebserregenden polyzyklischen Kohlenwasserstoffe aus dem Rauch aufgenommen werden, die sich auf Steak und Grillkäse absetzen. Neanderthaler- und Denisova-Menschen, beide ausgestorben, hatten die Mutation nicht.

Der Erbonkel warnt allerdings davor, zu glauben, Genmutationen könnten vor allen Folgen des Grillens schützen. An eine im Schnitt drei oder gar vier Grad Celsius wärmere Welt, zu der auch Barbecue-Orgien beitragen, wird es keine Anpassung geben.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false