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© Lisa Rock für den Tagesspiegel

Trinkfeste Fliegen: Warum der Kater eine Kopfsache ist

Einigen Fliegen scheint Alkoholkonsum wenig auszumachen. Als Vorbild für Menschen, die gerne mehr vertragen und anschließend nicht leiden wollen, taugen sie aber nicht.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Sie grinsen. Zwar haben sie nur einen Rüssel, aber ich bin sicher, die Viecher machen sich gerade über den gewaltig verkaterten Erbonkel lustig, während sie um die Reste in den Biergläsern vom Vatertag schwirren.

Denn einen Brummschädel hat Drosophila melanogaster nicht zu befürchten. Jedenfalls nicht so schnell, wie andere Fliegen oder Tiere. Im Laufe der Evolution haben sie es geschafft, Alkoholhaltiges von bis zu 15 Prozent zu tolerieren. Daher macht ihnen niemand Konkurrenz, wenn sie sich auf halbvergorenes Obst stürzen.

Naheliegend, dass Forscher, die auch mal einen über den Durst trinken und sich danach über ihren Kater ärgern, herausfinden wollen, wie die Fliegen das schaffen – sowohl recht lange nüchtern zu bleiben als auch, sich allmählich an den Alkohol zu gewöhnen.

Lange dachte man, das liege nur daran, dass die Fliege Alkohol einfach schneller abbauen kann. Tatsächlich fand man in den 1980er Jahren auch eine besonders fleißige Alkoholdehydrogenase. Doch als Forscher 2017 Drosophila das Gen für die ursprüngliche, langsamere Variante dieses Enzyms ins Erbgut einbauten, waren die Fliegen immer noch genauso trinkfest wie zuvor.

Offenbar ist es eher ein Kopfding als eine Frage der Verdauung des Alkohols. Denn als Forscher ein bestimmtes Gen ausschalteten, das in Nervenzellen eine wichtige Rolle bei der Reaktion auf Stress (etwa Hitze) spielt, blieb die Alkoholtoleranz aus und die Fliegen entwickelten schneller als üblich die typischen Rausch-Symptome: unkoordiniertes Verhalten, Verlust des Körpergleichgewichts bis hin zur Bewusstlosigkeit. Die Forschenden nannten das Gen – naheliegenderweise – „hangover“.

Wie genau Fliegen oder Menschen Alkohol mehr oder weniger gut vertragen, ist noch immer nicht geklärt. Auffällig ist aber, dass viele Gene dabei eine Rolle spielen, die auch Lernvorgänge kontrollieren. Jetzt einen Lehrplan mit Nachhilfestunden im Bier-, Wein- und Schnapsvernichten auszuarbeiten, um den nächsten Herrentag besser zu überstehen, ist aber keine gute Idee. Alkoholtoleranz ist der erste Schritt in Sucht und Abhängigkeit. Der Brummschädel ist, so unangenehm er ist, ein sinnvolles Warnsignal.

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