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Forschung auch aus privaten Mitteln ist Deutschland noch vergleichsweise selten. Das soll sich nun ändern.

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Ziele einer privaten Wissenschaftsstiftung: „Wir wollen die Internationalisierung voranbringen“

Peter-André Alt, ehemals FU-Präsident, leitet eine Wissenschaftsstiftung, die der Mäzen Walter Wübben fördert. Warum er sich für die Forschungsförderung aus privaten Mitteln engagiert – und mit welchen Zielen.

Herr Alt, Sie leiten seit kurzem die neue Wübben Wissenschaftsstiftung. Vorher waren Sie lange Chef der Hochschulrektorenkonferenz, davor FU-Präsident. Wie froh sind Sie, dass Sie in Ihrem neuen Amt nicht mehr alle tagesaktuellen Aufreger mitmachen müssen?
Wenn ich die Zeitungen lese, bin ich manchmal nicht unglücklich, dass ich nicht mehr in alle Prozesse einbezogen bin. Die Entscheidungen sind in der Wissenschaftspolitik oft kleinteilig, die Themen kommen schwer vorwärts. Mich hat in den letzten Jahren das Gefühl nicht losgelassen, dass wir wieder eine Zeit der großen Weichenstellungen bräuchten. Unter diesen Gesichtspunkten fehlt mir das operative Geschehen nicht. Ich freue mich, dass ich hier eher programmatisch wirken kann.

War das auch ein Grund, weswegen Sie die Hochschulrektorenkonferenz verlassen haben?
Es gab keinen negativen Grund, keinen Überdruss. Ich bin nicht von meinen Aufgaben davongelaufen, sondern freute mich auf etwas Neues.

Private Stiftungen wie die von Walter Wübben sind in der deutschen Wissenschaft nach wie vor selten. Woran liegt es, dass Forschung für Mäzene nicht attraktiv genug ist?
Meine Hypothese lautet: Der gesamte Bildungs- und Wissenschaftsbereich ist trotz aller Klagen relativ auskömmlich durch die öffentliche Hand finanziert. Daher ist kein verbreitetes Bewusstsein dafür vorhanden, dass zusätzliche Mittel nötig sind. In Ländern, in denen die Finanzierung über Gebühren privat erfolgt, ist dieses Bewusstsein sehr viel stärker verankert. Aber auch in Deutschland werden wir zukünftig mehr privates Engagement für die Wissenschaft benötigen.

Es mangelt ja auch nicht an privatem Kapital in Deutschland, wenn man bedenkt, wie viel Geld Unternehmen in ihre eigene Forschung stecken.
In bestimmte Bereiche ist privates Geld in großem Umfang geflossen. Nehmen Sie die Krebsforschung: Hier gibt es bereits seit den 1960er Jahren ein großes unternehmerisches Engagement. Aber über die gesamte Breite der Wissenschaft hinweg, so wie wir das betreiben wollen, ist das viel seltener.

Sie wollen Originalität statt Konformismus fördern. Ist Wissenschaft in Deutschland etwa unoriginell?
Nein, das ist gerade die Spitzenwissenschaft nicht. Aber wir leben in einer Zeit der globalen Vernetzung, auch von Informationen, Erkenntnissen, Methoden, Fragestellungen. Das hat den eigentümlichen Effekt, dass zuweilen die Tendenz zum Mainstream herrscht. Wenn man so genau weiß, was gerade im Zentrum des eigenen Fachs an wichtigen Themen bearbeitet wird, hat man vielleicht weniger Mut und weniger Bereitschaft, Nebenwege zu gehen.

Wo sehen Sie blinde Flecken der Forschung hierzulande?
Ein Beispiel: Wir sehen in Deutschland eine zunehmend wachsende Zahl von psychischen Erkrankungen. Obwohl wir in der Depressionsforschung viel geleistet haben, sind die Psychopharmaka jedoch immer noch auf dem Stand der 1950er Jahre. Ein anderes Beispiel ist die Kommunikationsethik: In einer Kommunikationsgesellschaft müsste mehr über die Fragen der Verantwortung geforscht werden. Aber ich will hier gar keine Themen vorwegnehmen.

Die Stiftung befindet sich seit einigen Monaten im Aufbau. Wie ist Ihr Zeitplan: Wann sollen die ersten Stipendien vergeben werden?
Wir beginnen mit studentischer Förderung im Herbst. Im neuen Jahr werden wir unsere Professur-Programme starten, vor allem das Herzstück: Die Tenure Track-Professuren, die auf Bewerberinnen und Bewerber aus dem Ausland abzielen, die neu nach Deutschland kommen oder zurückkehren wollen. Die Anträge stellen die Universitäten gemeinsam mit den Bewerbern. Besonderen Wert wird die Stiftung darauf legen, Rekrutierungsbemühungen konsequent international auszurichten. Und dann wird es ab Dezember ein Programm zum Coachen von neu gewählten Universitätspräsidenten geben.

Es ist immer schwierig, Landesregularien und Stiftungsansprüche miteinander zu synchronisieren. 

Peter-André Alt über Mittelgeber in der Wissenschaft

Warum haben sie sich das Coachen von Hochschulleitungen als Thema ausgewählt?
Ich weiß aus eigener Erfahrung gut, wie schwierig ein Rollenwechsel von der Professur auf eine Leitungsposition ist. Die neu gewählten Präsidentinnen und Präsidenten sollen auf Themen wie Krisenmanagement, Kommunikation, Drittmitteleinwerbung und Berufungsverhandlungen vorbereitet werden.

Kommen wir zum Programm der Tenure Track-Professuren, mit denen Sie vor allem Juniorprofessuren fördern werden. Deren Verstetigung sollen dann die Unis übernehmen. Wäre es in der aktuellen Debatte um faire Arbeitsbedingungen nicht ein Zeichen, wenn eine Stiftung Forschende langfristig fördern würde?
Das ist in diesem Fall anders. Universitäten haben sich umgestellt: Sie haben gelernt, langfristig im Voraus zu planen, wenn eine Stelle frei wird. Das bedeutet im Klartext: Mit einer Vorlaufzeit von sechs Jahren wird eine Juniorprofessur etabliert, die für diese frei werdende Stelle später vorgesehen ist. Nach sechs Jahren wird sie dann entfristet, sofern die Evaluation positiv ist. Und genau diesen Vorlauf zu finanzieren, sechs Jahre lang zusätzliche Mittel bereitzustellen, fällt Hochschulen schwer. Hier springen wir ein und helfen an einem entscheidenden Punkt.

Die Stiftung soll eine bundesweite Bedeutung haben. Mit bis zu 20 Millionen Euro im Jahr haben Sie aber vergleichsweise wenig Geld zu verteilen. Wie können Sie Ihrem Anspruch gerecht werden?
Wir wollen flexibel bleiben und in die entscheidenden Baustellen hinein finanzieren können. Tenure-Track-Berufungen sind so eine Baustelle. Wir kommen mit unserem Programm also zur rechten Zeit.

Mit 20 Millionen Euro kommt man aber nicht so weit.
Wir wollen gar nicht in die Breite fördern, sondern die Internationalisierung unterstützen. Das scheint uns im Argen zu liegen, wir haben bei den Professuren keine wirklichen Fortschritte bei der Internationalisierungsquote erreicht – auch wenn es Ausnahmen gibt, die TU München zum Beispiel, die Berliner Unis stehen auch nicht schlecht da.

Die Wübben-Stiftung ähnelt in ihren Zielen der Berliner Einstein-Stiftung, sie sitzen sogar direkt um die Ecke. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die Kräfte zu bündeln?
Es ist immer schwierig, Landesregularien und Stiftungsansprüche miteinander zu synchronisieren. Das ist auch eine Erfahrung, die unser Stifter in seinem fast zehnjährigen Engagement für die Einstein-Stiftung gemacht hat. Sein Wunsch war es eine Stiftung ins Leben zu rufen, die mehr Freiräume hat. Das schließt nicht aus, dass wir freundschaftlich miteinander verbunden sind. Ich freue mich, wenn die Einstein-Stiftung weiterhin erfolgreich in Berlin fördert.

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