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Mehr Konkurrenz? Promotionsstipendien werden schrittweise um 300 Euro erhöht, doch das BMBF-Budget der Förderungswerke bleibt vorerst gleich.

© stock.adobe/Jacob Lund

Update

Promovieren mit Stipendium: Bald gibt es mehr Geld, doch für weniger Kandidaten

Die Förderwerke heben die Stipendiensätze für Doktoranden an: zum ersten Mal seit 2016. Aber weil das BMBF nicht genug Geld gibt, dürfte gleichzeitig die Anzahl der Geförderten sinken.

Wer auch nach der Masterarbeit Lust hat, seine Forschungsfragen zu vertiefen, spielt meist mit dem Gedanken einer Promotion. An der Frage der Finanzierung entscheidet sich dann, ob man als Absolvent:in wirklich diesen Weg einschlägt. Da die Stellen für Mitarbeitende, die eine Promotion verfolgen, bei Professor:innen rar sind, müssen oft andere Geldquellen gesucht werden: Manche werden in Drittmittelprojekten untergebracht, andere erhalten ein Promotionsstipendium eines Begabtenförderungswerks.

Für alle, die individuell, also mittels Stipendium promovieren oder dies planen, gibt es Neuigkeiten vom Bundesforschungsministerium (BMBF), wie die Hochschulzeitschrift „Forschung und Lehre“ jetzt berichtete. Auf Druck der 13 Begabtenförderungswerke – darunter etwa die Studienstiftung des deutschen Volkes oder die parteigebundenen Stiftungen –werden ab kommendem Oktober bis zum Herbst 2025 die Fördersätze angesichts der Inflation erhöht.

Seit 2016 waren diese gleich geblieben, derzeit liegt der Satz noch bei 1350 Euro. Das Geld wird nicht versteuert, hinzu kommt bei manchen Fördergebern eine Forschungskostenpauschale von 100 Euro, die frei verwendet werden kann, sodass etwa hier das Einkommen monatlich bei 1450 Euro beträgt.

Aufgestockt werden die Stipendien nun in drei Stufen um 300 Euro, bis den Doktorand:innen im Herbst 2025 1650 oder mit der Pauschale 1750 Euro pro Monat zur Verfügung stehen. Ein weiterer Vorteil: Die Förderzusagen gelten sofort für drei Jahre, bislang muss man sich nach dem zweiten Jahr – wenn auch in der Regel unaufwändig – um eine Verlängerung bewerben. Nach dem dritten Jahr kann sich künftig noch eine Verlängerung um sechs Monate anschließen.

Auch an den Berliner Universitäten gibt es viele der sogenannten Individualpromotionen: oft gerade bei Forschungsprogrammen und -verbünden, bei denen die Drittmittelförderung ausgelaufen ist, deren Konzept und Struktur aber erhalten werden soll. Ein Beispiel ist die Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien an der FU, die zwar einige finanzierte Plätze vergibt, aber auch solche, auf denen die Doktoranden selbst die Finanzierung einwerben müssen.

15-20
Prozent weniger geförderte Stipendiaten dürften die Folge sein.

Allerdings: Der Bundeszuschuss zu den Förderungswerken wird nicht erhöht. Er soll dem Blog des Tagesspiegel-Autors Jan-Martin Wiardas zufolge 2023 wie 2024 bei 342,9 Millionen Euro liegen. Es dürften daher insgesamt weniger Promotionsinteressierte jährlich ein Stipendium bekommen. Sollte es bei den aktuellen Ansätzen bleiben, werden die Begabtenförderungswerke die Zahl ihrer Geförderten in den kommenden drei Jahren um 15 bis 20 Prozent absenken müssen, teilt Annette Julius, Generalsekretärin der Studienstiftung des Deutschen Volkes, mit.

Christoph Schneider, Vizepräsident für Forschung der Humboldt-Universität, würde einen höheren Etat für die Förderwerke natürlich befürworten. Dennoch betont er: „Das stagnierende Budget darf nicht zulasten derer gehen, die promovieren.“ Bei gleichbleibendem Budget seien „schlecht finanzierte Promotionen noch abträglicher als eine etwas geringere Zahl an Promotionen“.

Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin, hält es grundsätzlich für falsch, faire Löhne gegen die Anzahl verfügbarere Stellen aufzuwiegen. Das Problem, höhere Löhne bei gleichem Budget auszugleichen, hätten viele Organisationen. „Und dennoch behaupte ich, dass es überall Möglichkeiten der Umverteilung gibt. Prozesse der Umverteilung hin zu einem sozialeren und gerechterem System sind immer schwierig, aber dennoch sind sie notwendig“, sagt Rauch.

In Metropolregionen wie Berlin müssen Stipendien „konkurrenzfähig“ sein

Wie auch immer: Gerade in einer Metropolregion wie Berlin müssten Stipendien konkurrenzfähig sein, sagt HU-Vize Schneider. Auch von Förderwerken hört man das Argument der „Konkurrenzfähigkeit“: Seien die Bedingungen, individuell und per Stiftungsförderung zu promovieren, einfach zu schlecht, würde sich bald niemand mehr bewerben.

Und so begrüßt auch die Heinrich-Böll-Stiftung die Erhöhung, „auch wenn eine noch weitreichendere Reform wünschenswert gewesen wäre, zum Beispiel mit Blick auf die Laufzeitverlängerung“, wie es auf Anfrage heißt. Stipendiat:innen seien finanziell wieder so abgesichert, dass sie ihre Promotion ohne andere Verpflichtungen gestalten können.

Die Vizepräsidentin der Freien Universität, Verena Blechinger-Talcott, sieht es ähnlich positiv: Endlich werde der Benachteiligung der Stipendiat:innen im Vergleich zu anderen Promotionsstellen etwas entgegengestellt. Es sei bedauerlich, wenn das Budgetproblem „zu einer Reduzierung der Förderzahlen“ führe, sie befürchte aber aufgrund des insgesamt kleinen Anteils von Stipendiaten keine „gravierenden Auswirkungen auf die Promotionsprogramme“ der FU. 

Wenn es höhere Stipendiensätze durch den Bund gibt, dann erhöht das den Druck auf alle Stipendiengeber:innen sich entsprechend anzupassen

Geraldine Rauch, Präsidentin der TU Berlin

Dass weniger Promovierende eine Doktorarbeit aufnehmen, denkt auch TU-Präsidentin Rauch nicht: „Wenn es höhere Stipendiensätze durch den Bund gibt, dann erhöht das den Druck auf alle Stipendiengeber:innen sich entsprechend anzupassen.“ Nicht nur würden die Wissenschaftler:innen die Stellen suchen: „Auch die Gesellschaft sucht Promovierende und Fachkräfte.“ Die erhöhten Stipendiensätze würden in vielen Städten aber vermutlich ohnhein nur knapp die Lebenshaltungskosten decken.

Dennoch: Der Weg über Stipendien zum Doktortitel geht weiterhin mit Nachteilen einher: Diese bieten zwar viel Freiheit, sind aber ein Sonderfall, weil man nicht in die Sozialversicherung einzahlt. Wer nach der Promotion nicht direkt eine Anstellung findet, kann nur Arbeitslosengeld II beziehen. Auch zählen Arbeitgeber, insbesondere im öffentlichen Dienst, die Zeit einer Individualpromotion oft nicht als Arbeitserfahrung, sondern als weitere Studienjahre. So steigen viele ehemalige Stipendiat:innen auf einer niederen Gehaltsstufe ein als Kolleg:innen, die als Doktorand:in bei der Uni angestellt waren.

Schneider wie auch Blechinger-Talcott weisen darauf hin, dass Stipendien immer häufiger kritisch gesehen werden, weil sie keine Sozialversicherung beinhalten. Die DFG sehe daher im Rahmen ihrer Projekte keine Stipendien für Promotionen mehr vor, sondern Promotionen im Angestelltenverhältnis.

Für die FU-Vizepräsidentin bleibt bei alledem aber ein Vorteil: dass Begabtenförderwerke auch „Zugang zu karriererelevanten Netzwerken“ bieten können.

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