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Jan-Martin Wiarda

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„Wiarda will’s wissen“: Die Republik der Zögerer

Intelligent geht mit Künstlicher Intelligenz nur um, wer sich auf sie einlässt und auch ihre Chancen sieht. Bedenkenträgerei allein ist zu wenig.

Eine Kolumne von Jan-Martin Wiarda

Mangelnde Gründlichkeit kann man dem Deutschen Ethikrat nicht vorwerfen. Auf 287 Seiten setzt er sich mit dem Verhältnis von „Mensch und Maschine“ und den „Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz“ auseinander. Die „Chancen“ kommen im Titel der vergangene Woche veröffentlichten Stellungnahme dagegen nicht vor.

In den zehn Kapiteln dafür schon, ausführlich sogar, und doch zieht sich ein warnender Unterton durch das Papier. „Künstliche Intelligenz darf den Menschen nicht ersetzen“, das war denn auch der Satz der Ethikratvorsitzendne Alena Buyx, der nach der Präsentation des Papiers am häufigsten zitiert wurde.

Damit zeigt die Stellungnahme das Innovationsproblem unserer Gesellschaft insgesamt. Bei der radikalen digitalen Transformation hält Deutschland bestenfalls noch in der Grundlagenforschung mit. Im Wettbewerb um die wirtschaftliche Verwertung nimmt die Bundesrepublik dagegen fast immer die Rolle des zögernd-kritischen Beobachters ein. Mit potenziell weitreichenden Wohlstandsverlusten für künftige Generationen.

Diese intellektuelle Hilflosigkeit ist auch dem Ethikrat anzumerken. Etwa wenn das Gremium ernsthaft eine europäische öffentlich-rechtliche Alternative zu Facebook & Co erörtert. Oder wenn KI in der Schule mit der Empfehlung versehen wird, die Tools sollten „kontrolliert und als ein Element innerhalb der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden eingesetzt werden“. Ein Satz, der angesichts der Dynamik, mit der die – natürlich aus den USA stammende – Technik ChatGPT gerade das Bildungssystem überrollt, schon wieder wie ein Anachronismus klingt.

Wenn wir als Gesellschaft den Einsatz von KI ethisch mitprägen wollen, müssten wir schon bei deren Schaffung und wirtschaftlichen Vermarktung vorn mit dabei sein. Was wiederum nur ginge, wenn wir eine grundsätzlich positive Haltung zu ihr entwickelten. Die Stellungnahme des Ethikrats hat hier nicht wirklich geholfen.

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