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Die Humboldt-Universität.

© imago images/Christian Spicker

"Überrascht" von Müllers Plänen: Berliner Hochschulen wollen Öffnungen nur teilweise umsetzen

Michael Müller wünscht sich mehr Präsenzlehre schon in wenigen Wochen. Doch die Berliner Unis scheinen bei den Öffnungen nicht voll mitzugehen.

Die Berliner Hochschulen sollen noch in diesem Sommersemester wieder deutlich mehr Lehre in Präsenz anbieten – das hat der Regierende Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) unmissverständlich klar gemacht. Doch der am Mittwoch vorgelegte Öffnungsplan, der unter anderem Lerngruppen bis 40 Personen vorsieht, trifft unter Studierenden und Forschenden auf viel Kritik. Die Hochschulen scheinen die Vorgaben nicht vollständig umsetzen zu wollen.

Die Landesastenkonferenz, also die Studierendenvertretungen der Berliner Hochschulen, rief am Donnerstag Müller dazu auf, das geplante Vorgehen „zu überdenken“. Studierende dürften nicht in Präsenz „gezwungen“ werden: Einige würden mit durch Corona gefährdeten Menschen zusammen wohnen oder gehörten selbst zu Risikogruppen.

Andere würden dieses Semester gar nicht in Berlin verbringen, da sie von durchgehender Digitallehre ausgingen. Insbesondere die Tatsache, dass Prüfungen von Online- zu Präsenzformaten umgeplant werden könnten, löse Verunsicherung aus.

Viel Unverständnis in den Hochschulen

Wenn man sich an den Hochschulen umhört, ist insgesamt viel Unverständnis zu hören, obwohl der Öffnungsplan der Senatskanzlei mit der Landesrektorenkonferenz abgestimmt ist. Was soll die Rückkehr so wenige Wochen vor Semesterschluss, fragen viele.

Konkret sieht der Öffnungsplan vor, dass ab dem 4. Juni Praxislehrveranstaltungen in Gruppen mit bis zu 25 Personen durchgeführt werden können.

Ab dem 18. Juni sollen sogar Lehrveranstaltungen mit bis zu 40 Personen möglich sein. Das Semester endet vier Wochen später. Da die meisten Lehrveranstaltungen einmal wöchentlich stattfinden, geht es also um vier Termine für die Präsenzlehre.

Dass auch die Leitungen skeptisch sind, zeigt eine Umfrage des Tagesspiegels.

  • Christian Thomsen, Präsident der Technischen Universität, bekräftigte seine Meinung, die er bereits vergangene Woche geäußert hatte: „Wir sollten uns darauf konzentrieren, das Wintersemester mit mehr Präsenz und dann hoffentlich sehr viel mehr geimpften Studierenden vorzubereiten“. Er sei „sehr überrascht“ von Müllers Äußerungen – insbesondere vor dem Hintergrund, dass eben erst sehr wenige Studierende vollen Impfschutz haben. Für diese Gruppe Impfstoff bereitzustellen, müsse jetzt politische Priorität haben. Die TU werde „im Rahmen des Möglichen“ einige Präsenzveranstaltungen anbieten. „Wir werden aber nicht größere Veranstaltungen öffnen, die schon zwei Drittel des Semesters digital stattgefunden haben.“
  • Auch die Freie Universität will nicht gänzlich in den Präsenzbetrieb übergehen. Von 18. Juni an werde es an der Freien Universität vorbehaltlich der einschlägigen Änderungen in der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung zwar weitere Öffnungen geben, kündigte ein Sprecher an. Eine Erhöhung von Präsenzanteilen in der Lehre sei aber nur „in einzelnen begründeten Fällen möglich“. Dazu würden Praxisformate, Lehrveranstaltungen in kleinen Gruppen und Lehrveranstaltungen im Freien zählen. In den Präsenzmodus wechselten dann nur solche Lehrveranstaltungen, für die es alternativ digitale oder zugleich hybride Angebote gibt. Die Fachbereiche würden gegenwärtig die möglichen Angebote prüfen, der genaue Umfang stehe noch nicht fest.
  • Die Humboldt-Universität sieht sich zwar „sehr gut" auf die Umstellung ab Mitte Juni vorbereitet, erklärte ein Sprecher. Es seien bereits im März diejenigen Lehrveranstaltungen deutlich gekennzeichnet worden, die gegebenenfalls im Sommersemester in Präsenz wechseln würden. Diese frühzeitige Veröffentlichung im Vorlesungsverzeichnis sei vor allem deswegen wichtig gewesen, damit Studierende Planungssicherheit haben und bereits bei der Zusammenstellung ihres Stundenplans entscheiden konnten, ob sie eine Lehrveranstaltung belegen möchten, die womöglich am Ende des Semesters in Präsenz stattfinden würde. Ob es darüber hinaus Angebote geben wird, entscheiden die Dekanate, die Präsenzangebote würden je nach Fakultät unterschiedlich ausfallen. Insgesamt handele es sich um ein "erstes Angebot" an mehr Präsenz.
  • Die Beuth-Hochschule will an den bestehenden Regeln festhalten, sagte deren Präsident Werner Ullmann. Die aktuell für Berliner Hochschulen vorgesehenen Lockerungen würden die Hochschule erneut vor große Herausforderungen stellen. Denn bei Öffnungen müssten Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden. „Die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen für regelkonforme Präsenzveranstaltungen können kurzfristig nicht vollständig wiederhergestellt werden“. Ergänzend seien allenfalls Modellversuche für hybride Lehre denkbar – was aber erhebliche Herausforderungen an die IT stelle. Weitere Aufzählungspunkte bekommt man durch drücken der Eingabe-Taste, so wie bei Word auch
  • Auch die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) will im Sommersemester nicht ganz auf Präsenzbetrieb umschwenken. Mit Verweis auf den am 5. Juli beginnenden Prüfungszeitraum sagte HTW-Präsidenten Carsten Busch: „Für die verbleibenden zwei Wochen ab dem 18. Juni werden wir natürlich nicht auf einen regulären Präsenz-Vorlesungsbetrieb umstellen, sondern uns auf die Formate konzentrieren, die für das Bestehen der Prüfungen relevant sind sowie Veranstaltungen für Studienanfänger:innen und Praxisformate auf dem Campus unterstützen.“

Dass der Öffnungsplan Müllers auf wenig Gegenlieben stößt, zeigte sich auch auf Twitter. Von „wohlfeilem politischen Aktivismus“ schrieb etwa Sabine Hark von der TU: „Hat irgendjemand mit gesprochen, wie die Ad-Hoc-Rückkehr in die Seminarräume gelingen kann?“ Hark leitet an der TU das Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung.

HTW-Wirtschaftsinformatikerin Debora Weber-Wulff twitterte, sie habe laut gelacht, als sie von den Plänen erfuhr. „Meine Kolleg:innen sind noch gar nicht alle geimpft, geschweige die Studierenden. Technik für Hybridlehre gibt es nur rudimentär.“ Die Umsetzung könne so nicht klappen.

Weniger umstritten sind dagegen die ersten Öffnungen für Bibliotheken, Mensen und PC-Pools. Diese begrüßten am Donnerstag auch die Studierendenvertretungen.

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