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Tintenfische können ihr Aussehen verändern, indem sie die Ausdehnung gefärbter Zellen in ihrer Haut steuern.

© Stephan Junek, Max Planck Institute for Brain Research

Spieler der Farben: Die raffinierte Tarnung der Tintenfische

Sich unsichtbar zu machen, ist eine beachtliche Hirnleistung. Wie es Tintenfischen fast immer gelingt, haben Forschende jetzt untersucht.

Tintenfische gelten als Meister der Tarnung, weil sie auf ihrer Haut Farben und Muster erzeugen können, die sie mit ihrer Umgebung verschmelzen lassen. Die Tiere werden nahezu unsichtbar, ohne sich zu verstecken. Diese Tarnung ist erheblich aufwendiger als bisher vermutet, berichtet eine Gruppe um Gilles Laurent vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt am Main in der Zeitschrift „Nature“.

Das Team hat Gewöhnliche Tintenfische der Art Sepia officinalis untersucht. „Die Entwicklung solcher Weichtiere geht seit rund 550 Millionen Jahren einen eigenen Weg“, erklärt Laurent. Die Evolution hat völlig unabhängig voneinander Tintenfische und Menschen mit komplexen Gehirnen ausgestattet, die zwar unterschiedlich aufgebaut sind, aber nach ähnlichen Prinzipien funktionieren.

Schon ihr Name verrät ein großes Problem für Weichtiere: Schützten ihre Vorfahren sich noch mit starken Schalen vor Angreifern, verzichteten einige von ihnen nach dem Verschwinden solcher Feinde auf diesen Panzer. „Dann tauchten Fische und weitere Wirbeltiere wie die Wale auf, die Kopffüßer als Nahrung schätzten“, sagt Laurent. Vor solchen Angreifern schützen sich Tintenfische mit ihrer Tarnung, bei der ihr Gehirn eine wichtige Rolle spielt.

Die Tiere registrieren Farben und Muster in ihrer Umgebung und ahmen diese Bilder mit Hunderttausenden Pigmentzellen in ihrer Haut nach. Hinter der scheinbar mühelosen Tarnung stecken komplexe Vorgänge, zeigen Laurent und seine Gruppe jetzt mit der Analyse von mehr als 200.000 Aufnahmen. Der grundlegende Mechanismus ist jedoch recht einfach: Die „Chromatophore“ genannten Zellen voller Farbstoff sind ursprünglich rund einen Hundertstel Millimeter groß. Erst wenn etwa 20 Muskeln eine solche Zelle auf ihre dreißigfache Größe von dann 0,3 Millimetern auseinander ziehen, werden diese Farben nach außen gut sichtbar. Diese Aktivitäten werden über Nervenverbindungen direkt aus dem Gehirn gesteuert. Tintenfische müssen große Netzwerke von Nervenzellen koordinieren, um ihr Tarnkleid anzulegen.

Tintenfische setzen ihre Färbung auch ein, um mit Artgenossen zu kommunizieren.

© Stephan Junek, Max Planck Institute for Brain Research

Wie das den Tieren gelingt, konnte die Gruppe ohne Eingriffe analysieren, weil die Haut mit den Pigmentzellen die Aktivitäten des Gehirns ähnlich wie das Display eines Smartphones widerspiegelt. „Nur sind die Pixel durch Farbzellen ersetzt“, sagt der Max-Planck-Forscher. Wenn den Tieren in ihren Aquarien alle fünf bis zehn Minuten ein anderes Hintergrundbild eingespielt wird, das zum Beispiel statt eines Sand- einen Kies-Meeresgrund zeigt, muss seine Gruppe also nur noch die Haut der Tiere fotografieren und kann anhand der Bilder analysieren, wie die Tiere auf den Wechsel reagieren.

Die Reaktion erfolgt prompt, nach allerhöchstens 20 Sekunden haben die Tintenfische ihr Tarnkleid an die neue Situation angepasst. „Allerdings funktioniert das keineswegs nach einem ähnlich starren Schema, mit dem sich ein Mensch mit einer geübten Bewegung ein Trinkglas vom Tisch holt“, erklärt Laurent. Vielmehr wählt das Tier zunächst eine Tarnung, die dem Untergrund weitgehend entspricht, und verringert dann in weiteren Schritten die Abweichung von der Realität. Dabei handeln Tintenfische offensichtlich sehr flexibel. Wird einem Tier derselbe Hintergrund gezeigt, den es bereits vorher gesehen hatte, wählt es bei einem weiteren Anlauf oft genug einen anderen Weg, um zu einer guten Tarnung zu kommen. Deshalb kann derselbe Hintergrund durchaus zu unterschiedlichen Tarnungen führen.

Es gibt jedoch eine Ausnahme, wenn sich ein Fressfeind so rasch nähert, dass die Tarnung nicht mehr angepasst werden kann. Dann entspannen sich schlagartig die Muskeln, die ausgedehnten Pigmentzellen schnurren auf ihr ursprüngliches Mini-Maß zusammen und der Tintenfisch wird plötzlich weiß. Das schreckt viele Feinde ab und die Tintenfische können wieder ein Tarnkleid anlegen.

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