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Kegelschnecke

© Jeff Rotman, Alamy Stock Photo

Sofort wirksames Insulin: Von wegen Schneckentempo!

Kegelschnecken lähmen ihre Beute mit Insulin, das blitzschnell wirkt. Die besondere molekulare Struktur des Stoffes ist auch für die Therapie von Diabetikern interessant.

Wenn ein kleiner Fisch an einer hungrigen Landkarten-Kegelschnecke (Conus geographus) vorbeischwimmt, hat er kaum eine Chance. Denn das etwa zehn Zentimeter große Meerestier hat eine perfide Jagdtaktik entwickelt: Die Schnecke gibt ein spezielles Insulin ins Wasser ab, das extrem schnell wirkt. Sobald das Hormon über die Kiemen in den Körper eines Fisches gelangt, fällt dessen Blutzuckerspiegel schlagartig ab. Das Tier ist durch den Insulinschock gelähmt – und kann dann von der Schnecke verschlungen werden.

Ein derart rasch wirkendes Insulin könnte als Medikament Diabetikern helfen, ihren Blutzuckerspiegel zu senken. Deshalb haben amerikanische Forscher jetzt die exakte chemische Struktur des Kegelschnecken-Insulins aufgeklärt und das Hormon chemisch hergestellt. Es unterscheidet sich zwar im Molekülaufbau vom menschlichen Insulin, wirkt aber durchaus auf menschliche Zellen, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Structural & Molecular Biology“. Die Ergebnisse könnten die Grundlage neuer Insulinpräparate für Diabetiker sein. „Wir können jetzt versuchen, das menschliche Insulin etwas schneckenartiger zu machen“, sagt Helena Safavi von der Universität von Utah.

Herkömmliche Insulin-Präparate wirken viel langsamer

Die bei zahlreichen Tierarten vorkommenden Insuline bestehen aus zwei miteinander verbundenen Ketten von Aminosäuren. Rinderinsulin unterscheidet sich in drei Aminosäuren, Schweineinsulin in nur einer Aminosäure vom menschlichen Hormon. Zunächst sind die Insulinmoleküle – sowohl am natürlichen Produktionsort in der Bauchspeicheldrüse als auch in medizinischen Insulinpräparaten – im Sechserpack zusammengelagert. Bevor das Hormon seine Wirkung im Körper entfalten kann, müssen daraus wieder Einzelmoleküle entstehen. Denn nur diese können an den Insulin-Rezeptoren von Muskel- und Fettzellen andocken und die Aufnahme von Glukose verstärken. Wegen dieses Zwischenschritts kann es etwa eine Stunde dauern, bis nach einer Insulininjektion der Blutzuckerspiegel sinkt – mit einigen Präparaten zumindest noch 15 bis 30 Minuten.

Zusammen mit australischen Forschern um Michael Lawrence vom Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research in Melbourne untersuchten Safavi und ihre Kollegen nun die Struktur und Wirkung des natürlichen und synthetisch hergestellten Insulins aus dem Gift der Landkarten-Kegelschnecke. Es stellte sich heraus, dass in der B-Kette des Moleküls ein Abschnitt fehlte, der beim menschlichen Hormon für die Zusammenlagerung der Einzelmoleküle verantwortlich ist. Das Schneckeninsulin liegt also bereits in Form einzelner Moleküle vor, sodass die sonst notwendige Trennungsphase entfällt.

Die Forscher entwickeln auch eine künstliche Bauchspeicheldrüse

In Laborversuchen aktivierte das Hormon die Insulin-Rezeptoren menschlicher Zellen schon nach fünf Minuten. Allerdings war die Wirkung im Vergleich zum menschlichen Insulin zehnmal schwächer. Wie schnell das Schneckenhormon nach Injektion in den Körper des Menschen wirken würde, ist noch nicht bekannt.

Die Forscher wollen nun entweder die Wirksamkeit des Schneckeninsulins auf menschliche Zellen verbessern oder menschliches Insulin so verändern, dass es genauso schnell wirken kann wie das Hormon der Kegelschnecke. Die weiteren Arbeiten könnten zur Entwicklung einer künstlichen Bauchspeicheldrüse beitragen, meinen die Forscher. Ein Prototyp dieses künstlichen Organs, das automatisch Insulin freisetzt, wenn der Blutzuckerspiegel steigt, werde in einem Jahr zur Verfügung stehen. wsa

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