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Die germanische Lanzenspitze von Harzhorn könnte einem Fürsten gehört haben.

© Thorsten Schwarz, NLD

Schlüsselfunde der Berliner Archäologie: Wie die Römer in einen germanischen Hinterhalt gerieten

Michael Meyer fand 2008 eine germanische Lanzenspitze, die von einem vergessenen Kampf der Germanen gegen ein römisches Heer tief in germanischem Gebiet zeugt.

Es ist ein ungewöhnlicher Fund an einem ungewöhnlichen Ort: Die eiserne Lanzenspitze mit achtkantigem Schaft, die mit schimmernden Buntmetalleinlagen verziert ist. Die Germanen ließen sie im Jahr 235 im Wald am niedersächsischen Harzhorn zurück, einer Erhebung am Westrand des Harzgebirges. 

Es sei der erste sichere Fund bewaffneter Germanen, die sich hier einen Kampf mit römischen Soldaten geliefert hätten, sagt Michael Meyer vom Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin (FU).

Chronologie eines besonderen Fundortes

2000 hatten Sondengänger im Wald am Harzhorn Metallobjekte gefunden, die sie für mittelalterliche Armbrustbolzen hielten. Acht Jahre später fanden sie eine Hipposandale – das ist der Hufschuh eines Maultiers – und meldeten dies der Kreisarchäologin Petra Lönne in Northeim, die daraufhin eine erste Untersuchung der niedersächsischen Landesdenkmalpflege mit Metalldetektoren veranlasste.

Man zog Meyer als Spezialisten für Germanen hinzu, um den Fund zu beurteilen. Aufgrund der Pfeil-, Speer- und Lanzenspitzen sei man schnell zu der Einsicht gelangt, dass hier – tief in germanischem Gebiet – ein Kampf mit römischen Soldaten stattgefunden haben müsse, erzählt Meyer. 

Ein unberührter Kampfplatz

Mit Metalldetektoren wurde das Gelände systematisch abgesucht und jeder Fund eingemessen, um die Dimensionen des Schlachtfeldes zu erfassen. „Alles, was geschossen und geworfen wurde, haben wir unter Laub gefunden“, sagt Meyer, „Waffen und Ausrüstung, die am Mann getragen wurden, sind nach dem Kampf abgeräumt worden oder verrottet. Daher haben wir überproportional viele Projektile gefunden.“ Im Hang seien sogar verschossene Katapultbolzen gefunden worden. 

Michael Meyer vom Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin.

© privat

Physische Geographen der FU Berlin hätten die Grabung mit einer Karte aus Bodenanalysen unterstützt. Kalkhaltige Böden konservieren Metalle besonders gut, dort habe man dann erfolgreich gegraben. Schlachtfeldarchäologie gebe es erst seit etwa 15 Jahren und finde kaum statt, da man kaum einen ungestörten Ort wie hier im Wald an einem Engpass finde. Dieser Kampfplatz jedoch sei seit rund 1700 Jahren unberührt gewesen. 

Eine Strafexpedition geht schief

Doch was hat sich hier abgespielt? Angesichts ständiger Überfälle durch Germanen auf römisch besetzte Gebiete wollte der römische Kaiser Maximus Trax etwas erreichen, was noch keiner geschafft hatte: Germanien erobern. Doch die Römer waren geschwächt. Sie mussten immer mehr Truppen aus Germanien nach Syrien verlegen, um dort Aufstände niederzuschlagen.

Deshalb wollte der Kaiser den Germanen mit einer Strafexpedition mit etwa 6000 Soldaten zumindest eine Lektion erteilen. Doch der römische Feldzug stieß ins Leere, da die Germanen schwer zu fassen waren. Diese siedelten nicht in befestigten Siedlungen und Städten, sondern nur in Ansammlungen von Gehöften und kleinen Dörfern.

Auf ihrem Rückweg Richtung Mainz musste der mehrere Kilometer lange Tross mit Soldaten, Katapulten und Proviantwagen die Enge von Harzhorn passieren. Und genau hier schlugen die Germanen zu.

Hier hatte die römische Armee keinen Platz, um ihre Überlegenheit auszuspielen. Die Germanen hätten den Ort für ihren Überfall strategisch klug gewählt, sagt Meyer. Denn der Weg durch den Wald erlaube es nur drei Legionären nebeneinander zu marschieren. Er vermutet, dass die Germanen wiederholt Nadelstiche gesetzt hätten: am Harzhorn und zwei Kilometer weiter am Kahlberg. Sie machten Beute, befreiten Gefangene und zogen sich wieder zurück.

Maximus Trax kehrte mit einem blauen Auge nach Mainz zurück und ließ sich auf Münzen als Sieger über Germanien feiern. Römische Quellen gebe es kaum zu diesem Feldzug, sagt Meyer. Am Ende hätten sich beide Parteien als Sieger gesehen.

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