zum Hauptinhalt
Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin, wie er 1989 eine mindestens 1200 Jahre alte Kanne am Damenstift in Herford gefunden hat. Foto: LWL-Archäologie für Westfalen

© LWL-Archäologie für Westfalen

Schlüsselfunde der Berliner Archäologie: Ein Fund, der die Geschichte der Stadt Herford neu schrieb

Der Berliner Landesarchäologe Matthias Wemhoff fand als Student eine rund 1200 Jahre alte Tonkanne bei einer Grabung in Herford. Sie legte die Spur zu einem ganzen Kloster – und gibt bis heute Rätsel auf.

Zunächst schien es ein Routineeinsatz zu sein. Vor dem Münster in Herford, der großen mächtigen Kirche im Zentrum der Stadt, sollte 1989 eine Straße neu gepflastert werden. Bei den Bauarbeiten stießen die Arbeiter schnell auf Funde.

Matthias Wemhoff, damals Student der Mittelalter-Archäologie in Freiburg, war gerade als Volontär am Museum für Kunst und Kultur in Münster tätig und wurde von der Bodendenkmalpflege nach Herford geschickt, um sich das einmal anzusehen.

„Ich habe schnell verstanden, dass das Pflaster der Straße am Anfang des 20. Jahrhunderts ohne Unterbau auf Schichten gelegt wurde, die 1000 Jahre älter sind“, erzählt Wemhoff heute. Seit 2008 ist er Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin und damit auch Berliner Landesarchäologe. „Im Straßenraum sind wir dann auf Gräber gestoßen, die zu den frühesten Befunden an diesem Ort gehörten.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der Fund stieß ein großes Archäologie-Projekt an

In einer sauberen Grube unter zwei Steinen fand Wemhoff eine Kanne mit Henkel und Tülle. „Bisher wurde kein vergleichbares Gefäß gefunden, es gibt uns immer noch Rätsel auf“, sagt er heute. Sicher sei, dass das Gefäß vor 800 vorsichtig in die Grube gelegt und mit zwei Steinen abgedeckt worden ist.

Zu dieser Zeit waren eher randlose Töpfe bekannt, die von Hand geformt waren. Ob das außergewöhnliche Gefäß eine Opfergabe war, ist nicht geklärt. In jedem Fall führt der Fund in die Anfänge der mittelalterlichen Besiedlung im Zentrum des heutigen Herfords. 

Für den damals angehenden Archäologen wurde aus dem spontanen Einsatz zur Klärung der Umstände am Münster eine dreijährige Ausgrabung, die er dann auch mit einem Team von bis zu 20 Personen leitete.

Der Hügel, auf dem dieser Gebäudekomplex errichtet worden war, ist, so die schriftliche Überlieferung, um 789 der Ort gewesen, an dem der adelige Waltger das älteste Kloster Westfalens gegründet hat. „Wir haben drei Jahre rund um die Kirche gegraben und dabei die Bauentwicklung dieses bedeutenden monastischen Komplexes weitgehend klären können“, erzählt Wemhoff.

823 wurde das Stift Herford zur Reichsabtei erhoben und erhielt im 12. Jahrhundert die Reichsunmittelbarkeit, das heißt, die Äbtissin unterstand unmittelbar dem Kaiser und wurde damit zu einer Fürstin des Heiligen Römischen Reiches.

In dem Damenstift hätten vor allem hochadelige Damen gelebt. Die Ehefrau von König Heinrich I., Mathilde, stammte aus diesem seit karolingischer Zeit so bedeutenden Kloster. Das erkläre auch die Größe des ab 1220-1250 erbauten Münsters von Herford, der bis dahin größten Hallenkirche Deutschlands.

Heute wird daran die Stadtgeschichte erklärt

Erst aus der Kombination von Kirche und Kloster verstehe man die Dimensionen der Kirche, die durch das seit über 500 Jahren verschwundene Kloster nicht mehr nachvollziehbar gewesen sei.

Nun wird demnächst der Grundstein für ein Archäologisches Fenster gelegt, ein doppelgeschossiges Gebäude, aus dem man in die Ausgrabungen hinabsteigen könne. Im Obergeschoss sollen zehn Szenen aus der Geschichte Herfords als Dauerfilm gezeigt werden.

Rendering vom Damenstift am Münster von Herford. Der Bau wird für das Archäologische Fenster errichtet, das die Reste des Damenstifts sichtbar macht. Foto: Büro Pfeiffer, Ellermann, Preckel

© Büro Pfeiffer, Ellermann, Preckel

Allein die bisher an dieser Stelle vorhanden gewesene Nachformung der Klostermauern habe die historischen Zusammenhänge noch nicht erfahrbar gemacht, sagt Wemhoff.

Durch das jetzt nach 34 Jahren geplante Gebäude werde der Stadtraum um die große Kirche neu gefasst, dreidimensional markiert und für die Stadtgesellschaft erfahrbar gemacht. Das Kloster zeigt für Wemhoff, was Archäologie für die Stadtgeschichte bedeutet.

Da drängt sich die Parallele zum Neuen Markt in Berlin auf: Ihn sichtbar zu machen, würde auch die Funktion der Berliner Marienkirche, die jetzt als Solitär am Rathausforum steht, unterstreichen.

In Herford hat Wemhoff als Berater beim Archäologischen Fenster gezeigt, wie wichtig Sichtbarkeit von Stadtstrukturen sein kann. Die Grabung rund um das Herforder Münster hat Wemhoff dann 1992 in seiner Dissertation zum Thema gemacht und damit den Grundstein für seine wissenschaftliche Karriere gelegt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false