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Robert Ranisch, Juniorprofessor für Medizinische Ethik mit Schwerpunkt auf Digitalisierung an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Potsdam, mit einem Pflegeroboter.

© Marcel Wogram für VolkswagenStiftung

Roboter in der Altenpflege: Wann ist der Einsatz ethisch heikel?

Pflegeroboter können Patienten aufheitern und sie an Medikation erinnern. Welche Grenzen es aber auch bei der Interaktion mit Erkrankten geben sollte, wollen Potsdamer Ethik-Forscher jetzt mit Bürgern diskutieren.

Das Schlafzimmer der gebrechlichen Mutter erscheint per Knopfdruck auf dem Bildschirm. Dort ist zu sehen: Sie ist nicht gestürzt. Es geht ihr gut. So könnte es in Zukunft möglich sein, pflegebedürftige Angehörige aus der Ferne über technische Systeme zu überwachen. Das klingt praktisch, aber ist es auch ethisch vertretbar, jederzeit Einblick in die Privatsphäre eines Menschen zu haben? Rund um die Uhr?

Mit Fragen rund um die Zukunft der Pflege beschäftigen sich derzeit Forschende der Universität Potsdam im Rahmen eines Projekts, das vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird. „Es geht darum, Leitlinien zu erarbeiten, unter welchen Bedingungen Roboter zukünftig in der Altenpflege eingesetzt werden sollen. Wo kann Technik menschliche Zuwendung ersetzen und wo auf keinen Fall?“, sagt Robert Ranisch, Juniorprofessor für Medizinische Ethik in Potsdam. Er ist auf Digitalisierung spezialisiert und bereitet mit seinem Team derzeit eine Bürgerkonferenz vor, die im nächsten Frühjahr stattfinden soll.

„Wir neigen dazu, Maschinen sehr schnell zu vermenschlichen, sie sogar wie Freunde zu behandeln.“

 Robert Ranisch, Juniorprofessor für Medizinische Ethik in Potsdam

Gerade wurden 3500 Einladungen an Potsdamer Bürger:innen verschickt. Aus den Rückmeldungen werden um die 30 Personen ausgewählt, die ab April 2024 an drei Wochenenden Fragen der Robotik in der Altenpflege diskutieren. Das Ziel ist Eine Stellungnahme für das Gesundheitsministerium zu erarbeiten.

„Viele von uns werden im Alter pflegebedürftig sein. Daher sollten nicht nur Expert:innen über die Zukunft der Pflege entscheiden“, sagt Ranisch. Es sollte ein breiteres Meinungsspektrum in die öffentlichen und politischen Debatten einfließen. Der Fokus seines Forschungsprojekts liegt auf sozialen Robotern, das heißt technischen Systemen, die vor allem interagieren und kommunizieren.

Sie unterhalten oder beaufsichtigen Patienten

Ein bekanntes Modell ist der Roboter „Pepper“. Man kann sich mit ihm im begrenzten Rahmen austauschen, sich Bewegungsübungen zeigen oder Witze erzählen lassen. „In den kommenden Jahren werden viel komplexere Systeme dieser Art auf den Markt kommen, die mit künstlicher Intelligenz verknüpft sind“, sagt Ranisch. Sie bieten Gadgets zur Unterhaltung, können aber auch die Überwachung von Personen übernehmen. So überprüfen die Roboter etwa, ob jemand genug isst und trinkt oder seine Medikamente eingenommen hat.

Bei der Bürgerkonferenz können die Teilnehmenden Wissenschaftler und Politikerinnen befragen und die Roboter kennenlernen, die in der Altenpflege in Zukunft zum Einsatz kommen könnten. Dass man sie brauchen wird, ist angesichts des Pflegenotstands und einer Gesellschaft immer wahrscheinlicher. Technische Systeme könnten zum Beispiel automatisiert Pflegeberichte schreiben, sodass mehr Zeit für menschliche Interaktion frei wird. „Je komplexer die Systeme werden, desto mehr sammeln sie aber auch Daten“, sagt Ranisch. Geklärt werden muss dann, was mit diesen Informationen geschieht, wer Zugang dazu hat. Ein Roboter als verlängerter Arm des Gesundheitssystems, der überwacht, ob sich jemand gesundheitskonform verhält – das wäre für viele eine eher beängstigende Vorstellung.

Ein anderer Aspekt betrifft die Beziehungen, die Menschen zu Robotern entwickeln. „Wir neigen dazu, Maschinen sehr schnell zu vermenschlichen, sie sogar wie Freunde zu behandeln“, sagt Ranisch. So besteht die Befürchtung, dass manche demenzkranke Patient:innen gar nicht merken, dass sie gerade mit einem Roboter statt mit einer „echten“ Person interagieren. Auch hier gilt es abzuwägen, wann es vertretbar ist, sie in dieser Illusion zu lassen.

Je mehr man sich mit der Ethik der Pflegeroboter beschäftigt, desto deutlicher wird: Es gibt noch viel zu diskutieren. Was Ranisch den Bürger:innen im Austausch in erster Linie vermitteln will? „Dass es hier keine einfachen Lösungen gibt“.

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