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Haussperlinge legen im künstlichen Licht von Siedlungen mehr Eier, leiden aber unter dem Lärm.

© David Keeling

Neue Untersuchungen an 142 Arten: Licht und Lärm stören Fortpflanzung von Vögeln

Nächtliche Beleuchtung führt zu weniger Vogelnachwuchs. Doch einige Vogelarten profitieren auch vom Kunstlicht. Das hat auch mit dem Klimawandel zu tun.

Straßen, Gehwege, Parks, Fassaden, Werbeflächen – all das ist weltweit auch des Nachts beleuchtet. Biologen wissen längst, dass die künstlichen Lichter ähnlich wie der Lärm von Autos oder anderen Maschinen das Verhalten von Vögeln ändern können.

Und zwar so sehr, dass sogar die Fortpflanzung der Tiere erheblich verändert wird, schreiben jetzt Clint Francis von der California Polytechnic State University in San Luis Obispo und seine Kollegen in der Zeitschrift „Nature“.

Die Auswirkungen von Licht auf das Fortpflanzungsverhalten von Vögeln sind schon länger bekannt. „Rotkehlchen, Amseln, Buchfinken, Blau- und Kohlmeisen stimmen zum Beispiel früher ihre Balzgesänge an, wenn die Umgebung nachts künstlich beleuchtet wird“, sagt Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen. Und Blaumeisen legen ihre Eier eineinhalb Tage früher, wenn Straßenlampen die Umgebung erhellten.

142 Vogel-Arten mit Hilfe von Bürgerforschern untersucht

Dennoch sei die Arbeit von Kempenaers US-Kollegen „sehr interessant“, da Clint Francis und sein Team nicht nur fünf, sondern gleich 142 Vogel-Arten untersucht haben. Allerdings hatten die Forscher Hilfe: In einem Citizen Science Projekt hatten Freiwillige zwischen 2000 und 2014 in den USA 58 506 Vogelnester beobachtet: Wann legen die Tiere das erste Ei, wie viele Eier liegen insgesamt im Nest oder wird mindestens eines der Küken flügge?

Profiteur der Lichtverschmutzung. Blaukehl-Hüttensänger haben im künstlichen Licht von Siedlungen einen höheren Bruterfolg als in der Natur.
Profiteur der Lichtverschmutzung. Blaukehl-Hüttensänger haben im künstlichen Licht von Siedlungen einen höheren Bruterfolg als in der Natur.

© David Keeling

Die Antworten aus dem Citizen Science Projekt verknüpften sie dann mit Daten zu Zivilisationslärm und künstlichem Licht in den jeweiligen Regionen in den USA.

Vögel legen ihre Eier normalerweise so, dass möglichst gleichzeitig mit dem Schlüpfen der Küken aus den Eiern ein großes Angebot an Nahrung – Raupen, Käfer und andere Insekten – herrscht, also im Frühling und Spät-Frühling. Daher nutzen viele Vögel den Stand der Sonne und die Tageslänge im Jahreslauf als Taktgeber für ihre Brut. Diesen Takt verschiebt die künstliche Beleuchtung.

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Bis zu einem Monat früher brüten Vogelpaare, die normalerweise in offenen Gras-, Feld- und Sumpflandschaften leben, wenn sie in Gebieten mit künstlicher Beleuchtung wie Parks und Gärten siedeln. Und auch typische Waldvögel verleitet die nächtliche Beleuchtung zu einer bis zu 18 Tagen früheren Brut.

Einige Arten profitieren vom Kunstlicht

Ein solcher Massen-Frühstart könnte fatale Folgen haben. Die Küken schlüpfen zu früh, bevor es ausreichend Nahrung gibt. Soweit die Theorie. Die Untersuchung von Clint Francis’ Team zeigt eher eine Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung.

Veilchenschwalben legen im künstlichen Licht von Siedlungen weniger Eier und leiden auch unter Zivilisationslärm.
Veilchenschwalben legen im künstlichen Licht von Siedlungen weniger Eier und leiden auch unter Zivilisationslärm.

© David Keeling

Dabei könnte der von der Menschheit ausgelöste Klimawandel eine wichtige Rolle spielen, weil er die Temperaturen erhöht und damit auch früher im Jahr viele Insekten im Angebot sind. Tatsächlich finden die Forscher, dass sich der Bruterfolg einiger Vogelarten bei künstlicher Beleuchtung in der Nacht sogar verbessert. Sie kompensieren die Verschiebungen durch den Klimawandel mithilfe des künstlichen Lichts.

Das gelingt solchen Arten am besten, die in der Dämmerung und bei schlechten Lichtverhältnissen besonders gut sehen. Sie profitieren davon, dass sie die früher schlüpfenden Insekten auch dann schon finden, wenn die Tage früh im Jahr noch kürzer und dunkler sind. Die künstliche Beleuchtung unterstützt sie dabei.

Je lauter der Lärm, desto geringer der Fortpflanzungserfolg

Aber auch Lärm hat Einfluss auf den Bruterfolg, wie Francis’ Team untersucht hat. Waldvögel reagieren darauf empfindlicher als Arten, die auf Wiesen und anderen offenen Landschaften leben. In den lautesten Gebieten mit Bäumen legen sie in hundert Nester im Durchschnitt 64 Eier weniger als in den leisesten Arealen.

In offenen Landschaften scheint der Lärm dagegen kaum einen Einfluss auf das Brutverhalten zu haben. Das könnte daran liegen, dass der Balzgesang, mit dem die Männchen um Brutpartnerinnen werben, von Waldvogelarten meist tiefere Töne benutzt, die vom künstlichen Lärm menschlicher Technik leichter übertönt werden also die höheren Töne in den Melodien anderer Vogelarten.

Je lauter der Lärm, desto geringer der Fortpflanzungserfolg. Die Männchen dringen nicht mehr durch, die Paarungsbereitschaft der Weibchen sinkt.

Straßenbeleuchtung ist nicht immer das Problem

„Die Untersuchung zeigt, dass künstliches Licht und Lärm die Fortpflanzung von Vögeln nicht nur negativ, sondern auch positiv beeinflussen können“, sagt Bart Kempenaers. Ohnehin muss man genau hinsehen, welche Art von Beleuchtung welchen Effekt hat. „So verunglücken an den hell erleuchteten Fensterscheiben von Hochhäusern oft sehr viele Vögel“, berichtet Bart Kempenaers weiter. Die Straßenbeleuchtung hingegen scheint auf die Vogelwelt bisher kaum einen schlechten Einfluss zu haben.

[Die aktuellen Zahlen: Für Deutschland trägt der Tagesspiegel die Zahlen live aus allen Landkreisen zusammen. Demnach gab es Stand Mittwochabend (11.11.2020) 247.009 aktive Fälle. Weltweit gibt es der Johns-Hopkins-Universität nach rund 51,6 Millionen Infektionsnachweise und mehr als 1,27 Millionen Menschen starben an oder in Verbindung mit einer Covid-19-Erkrankung.]

Dazu passt eine Studie von Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam: Als die Stadtverwaltung von Tucson, Arizona, vorübergehend die Straßenbeleuchtung deutlich verringerte, wurde die Stadt auf Satellitenbildern nur wenig dunkler. Offenbar haben beleuchtete Werbeflächen einen größeren Einfluss auf die nächtliche Lichtverschmutzung. Zumindest in Tucson.

In Punakaiki auf der Südinsel Neuseelands hingegen sterben viele junge Westland-Sturmvögel, weil sie beim Verlassen ihrer Brutkolonie durch die hellen Straßenlichter die Orientierung verlieren. Die Gemeinde hat reagiert. In den kurzen Sommernächten, wenn die Jungvögel in die Welt starten, werden die Straßenlichter einfach ausgeschaltet.

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