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25.000 Lehrkräfte fehlen laut einer Prognose der KMK bis 2025.

© IMAGO/Funke Foto Services/IMAGO/Ingo Otto

Nachhaltig gegen Lehrkräftemangel: Gutachten fordert attraktivere Ausbildung und Abschied vom Quereinstieg

Das Expertengremium der Kultusministerkonferenz wurde für frühere Vorschläge scharf kritisiert. Der neue Bericht rückt jetzt die Ausbildung in den Fokus, lehnt das duale Lehrkraft-Studium aber ab.

Das Renteneintrittsalter erhöhen, das Recht auf Teilzeitarbeit einschränken und Achtsamkeitstrainings einführen: Die Vorschläge, die die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kulturministerkonferenz (KMK) in einem Gutachten im Januar zur kurzfristigen Bekämpfung des Lehrkräftemangels machte, stießen teils auf scharfe Kritik.

In einem zweiten Gutachten, das am Freitag im Rahmen des KMK-Treffens in Berlin vorgestellt wurde, nahm die SWK die Ausbildung der Lehrkräfte und damit strukturelle Maßnahmen in den Fokus. Anstelle von grundlegenden Änderungen schlägt die SWK eine Vielzahl von Anpassungen vor, die das bestehende Ausbildungssystem optimieren und attraktiver machen sollen.

Quereinsteiger und Abiturienten gewinnen

Das zentrale Anliegen der SWK ist es, das Wirrwarr von Wegen ins Lehramt einheitlicher zu gestalten. Wegen des Lehrkräftemangels können Quereinsteiger, die über einen für ein Schulfach geeigneten Hochschulabschluss verfügen, einen Masterstudiengang belegen, der sie im Schnelldurchlauf zu Lehrkräften ausbildet. Seiteneinsteiger beginnen den Schuldienst sogar ohne Zusatzausbildung. Diese Alternativen würden „das Leitbild einer professionellen Lehrkraft aufweichen“, bilanziert die SWK.

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Aktuell sei „Schule ohne Quer- und Seiteneinsteiger nicht möglich“, sagt Katharina Günther Wünsch, Berliner Bildungssenatorin und KMK-Präsidentin, unumwunden. Aufgrunddessen setzt die SWK weiterhin auf Quereinsteiger und rät dazu, einen Masterstudiengang für Quereinsteiger nach Vorbild der Berliner Universitäten zu etablieren. Perspektivisch müsse die „Sondermaßnahme“ Quereinstieg aber abgeschafft werden, so die SWK.

1,6
Millionen. Laut Arbeitsagentur Zahl der 2023 in Deutschland tätigen Lehrkräfte

Neben dem Anwerben von Quereinsteigern und qualifizierten Lehrkräften aus dem Ausland empfiehlt die SWK, Abiturienten direkter anzusprechen. Die Forschenden folgen der durchaus streitbaren Annahme, dass der Lehrerberuf unter Jugendlichen aktuell sehr beliebt ist. Mit einer Werbekampagne und klar aufgezeigten Karrierewegen bis zur Schulleitung hofft die SWK auf einen Zuwachs an Studierenden.

Auch eine digitale Tafel funktioniert nur dann gut, wenn davor eine analoge Lehrerin oder ein Lehrer steht. Aufnahme aus einer Schule in Hannover, 2023.
Auch eine digitale Tafel funktioniert nur dann gut, wenn davor eine analoge Lehrerin oder ein Lehrer steht. Aufnahme aus einer Schule in Hannover, 2023.

© dpa/Julian Stratenschulte

Für Mangelfächer sollten außerdem mehr Studienplätze geschaffen und die Zulassungsbeschränkung ausgesetzt werden. Unklar ist derweil, wie hoch der tatsächliche Lehrkräftebedarf überhaupt ist. Laut der aktuellen Prognose der KMK fehlen bis 2025 rund 25.000 Lehrkräfte, andere Schätzungen liegen deutlich darüber. Daten zu Studienanfängern, -abbrechern und ihren Ausbildungsverläufen wurden bisher nicht erhoben. Das müsse sich ändern, so die SWK. Ungeachtet der fehlenden Zahlen hält Ties Rabe, Hamburger Bildungssenator und KMK-Präsidiumsmitglied fest: „Wir müssen die Abbrecherquote reduzieren.“

„Praxis-Schock“ abfedern

Ein grundsätzliches Defizit der aktuellen Lehrkräfteausbildung erkennt die SWK in der mangelnden Verzahnung von Theorie und Praxis. Um den „Praxis-Schock“, den viele angehende Lehrkräfte erleben, zu lindern, solle das Studium künftig stärker am späteren Arbeitsalltag ausgerichtet werden.

Im Studium sollten sich angehende Lehrkräfte außerdem in einem der drängenden Schulentwicklungsthemen, etwa der Sprachbildung, Inklusion oder Digitalisierung, Fachwissen aneignen. Auf Schulseite sollten ausbildende Lehrkräfte die Studierenden während der Praxisphasen kompetenter darin unterstützen, Klassen zu moderieren und auf die Belange von Schülern einzugehen.

Um Referendare zu entlasten, empfiehlt die SWK, die Dauer des Vorbereitungsdiensts auf zwölf Monate zu vereinheitlichen. Während dieser Zeit sollten Referendare nicht mehr als sechs Stunden pro Woche unterrichten. In Berlin, wo das Referendariat bisher eineinhalb Jahre dauert, sind es aktuell zehn verpflichtende Wochenstunden. Auch im ersten halben Jahr nach dem Berufseinstieg, in dem Lehrkräfte bisher Vollzeit eingesetzt werden können, sollten Junglehrkräfte auf Anraten der SWK nicht mehr als acht Unterrichtsstunden leiten.

Absage an duales Studium

Einer möglichen grundlegenden Reform des Lehramtsstudiums steht die SWK „skeptisch“ gegenüber. Das diskutierte duale Studium nach Schweizer Vorbild verleite dazu, dass Studierende Unterricht erteilen, bevor sie die dazu notwendigen Fähigkeiten erworben haben - in deutschen Großstädten wie Berlin hat sich diese Praxis wegen des Lehrkräftemangels ohnehin etabliert.

Außerdem befürchtet sie einen Verlust des Ansehens des Berufs unter leistungsstarken Abiturienten, die eher ein reines als ein duales Studium, das Ausbildungsanteile hat, anstreben. Auch organisatorisch sei der Aufbau eines dualen Studiensystems schwer umzusetzen, so das Gutachten. 

Günther-Wünsch, die sich zuletzt für ein duales Studium offen zeigte, spricht jetzt von einem „ungünstigen Begriff“, setzt aber wie die SWK auf einen stärkeren Praxisbezug. Neue Wege in der Lehrkräftebildung beschreiten mittlerweile zwei Bundesländer, die mit eigenen Ansätzen vorgeprescht sind: In Brandenburg wurde zum Wintersemester ein quasi-duales Studium für das Grundschullehramt eingeführt, in Baden-Württemberg folgt ein Modellversuch in einem Jahr.

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