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Künftige Zimmerleute werden bei Dachstuhlarbeiten im Haus Medwar 749 fortgebildet.

© Nathalie Chahine

Nach Explosion im Hafen von Beirut: Archäologen unterstützen historischen Wiederaufbau

Als im Hafen von Beirut 2020 hunderte Tonnen Ammoniumnitrat explodierten, nahmen auch viele historische Wohnhäuser Schaden. Berliner Archäologen helfen mit, dem Viertel wieder sein altes Gesicht zu verleihen.

Mit seinem hellen Sandton strahlt das frisch verputzte Haus (Medawar 749) aus dem 19. Jahrhundert im angesagten Ausgehviertel Gemayzeh Hoffnung und Zuversicht im krisengeplagten Beirut aus. Es ist eines von 91 besonders wertvollen historischen Häusern, das von libanesischen Architekten nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut im August 2020 ausgewählt wurde, um dringend benötigte Handwerker und Baustatiker für eine fachgerechte Restaurierung historischer Häuser fortzubilden. Insgesamt umfasst die Liste der NGO Beirut Built Heritage Rescue (BBHR) über 1000 historische Gebäude, die so erstmals erfasst wurden.

Schon am Tag nach der Explosion hatte Margarete van Ess, Direktorin der Orientabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin (DAI), bei der libanesischen Antikenverwaltung Direction Générale des Antiquités (DGA) angerufen und ihre Hilfe angeboten. Seit 1997 arbeitet sie in Baalbek und fühlt sich dem Libanon verbunden.

Gleich nach dem Unglück reiste Christoph Rogalla von Biberstein vom DAI-Projekt KulturGutRetter mit dem Technischen Hilfswerk (THW) nach Beirut, um zu prüfen, wo das DAI mit seiner Expertise helfen kann. Eine Woche später kam der Baustatiker Axel Seemann im Auftrag des DAI für zehn Tage nach Beirut, um libanesische Architekten zu beraten.

Das Haus Medawar 749 in der Rue Pasteur im Viertel Gemayzeh nach der Explosion im Hafen. In dem Viertel gibt es noch viele historische Wohnhäuser aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es ist für seine Restaurants und kleine Geschäfte bekannt.
Das Haus Medawar 749 in der Rue Pasteur im Viertel Gemayzeh nach der Explosion im Hafen. In dem Viertel gibt es noch viele historische Wohnhäuser aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es ist für seine Restaurants und kleine Geschäfte bekannt.

© Paula Abou Harb / Marc Yared

Viele der Architekten hatten an der Tripoli School of Architecture ein Aufbaustudium absolviert und im Rahmen dessen ein Praktikum beim DAI-Projekt in Baalbek gemacht. Margarete van Ess schlug vor, das Haus Medawar 749 als Fortbildungsprojekt für Handwerker und Baustatiker von Grund auf denkmalgerecht zu restaurieren. Alle modernen Baumaßnahmen waren dann Sache der Eigentümer.

„2021 haben wir nach Handwerkern gesucht, Maurern, Schreinern, Stuckateuren und Schmieden, die die alten Techniken noch beherrschten, das war gar nicht so einfach“, erzählt van Ess. Schließlich fanden sie pro Gewerk ein bis zwei ältere Handwerker, die die Fortbildung der dringend benötigten jüngeren Fachkräfte übernehmen konnten. Finanziert wurde dies vom Deutschen Archäologischen Institut, dem Auswärtigen Amt und der Gerda Henkel Stiftung. Insgesamt erhielten 34 Handwerker eine solche Zusatzqualifikation, davon neun Syrer, sowie 33 Statiker und Architekten.

Schreinerarbeiten für die drei typischen Spitzbogenfenster in der großen Halle des Hauses Medawar 749 aus dem 19. Jahrhundert in Beirut.
Schreinerarbeiten für die drei typischen Spitzbogenfenster in der großen Halle des Hauses Medawar 749 aus dem 19. Jahrhundert in Beirut.

© Nathalie Chahine

Im ersten Jahr wurden Maurer und Statiker für den Erhalt des Gebäudes fortgebildet, im zweiten Jahr kamen die Zimmerleute und Statiker für die hölzerne Dachkonstruktion hinzu. Dabei halfen alte Verbindungstechniken, wie man sie auch aus Deutschland kennt, bei denen man nur verzahnt und ohne Nägel auskommt. Wichtig sei es gewesen, dass alle Handwerker ohne großes Gerät gearbeitet hätten, berichtet van Ess Da viele der Auszubildenden aus Tripoli im Norden kamen, übernahmen andere NGO’s Reisekosten und Unterbringung.

2023 kam die libanesische Armee, die bei der Bevölkerung hoch angesehen ist, zu dem Fortbildungsprojekt hinzu. Die nach dem Unglück von 2020 gegründete Army Mission for Cultural Protection schickte einige Soldaten zu dem Haus, um das sachgerechte Verputzen zu lernen. Der Kommandeur habe sich regelmäßig über den Baufortschritt informieren lassen. Ziel der Fortbildung für die Soldaten war es, sie zu befähigen, Im Katastrophenfall die Lage richtig zu bewerten und sinnvoll zu handeln.

Die Ausbildung der jungen Spezialisten ist nun abgeschlossen. Zwei der jungen Schreiner hätten sich gerade selbstständig gemacht und arbeiteten weiter im Denkmalschutz, erzählt die DAI-Direktorin. Zu tun gebe es genug. Auch Ahmad aus Damaskus will nach dem Projekt weiter als Zimmermann für Restaurierung arbeiten, „wir brauchen das in Syrien“, sagte er vergangenes Jahr der Zeitung „L’Orient today“. Die libanesische Antikenverwaltung und das DAI haben allen Absolventen ein Zertifikat ausgestellt, das ihnen bei der Vergabe von Aufträgen für denkmalgerechte Restaurierung von Häusern eine Qualifikation in alten Handwerkstechniken bescheinigt.

Das Projekt Medawar 749 hat einigen Menschen Arbeit und dazu eine berufliche Perspektive gebracht. Die Bewohner des Viertels, beobachtete van Ess, schöpften wieder Mut, die Geschäfte und Restaurants kehrten zurück. Das Viertel werde wieder lebenswert, die Geschichte kehre zurück.

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