zum Hauptinhalt
Mit steigenden Temperaturen kommen neue Viren, die zum Beispiel durch die Asiatische Tigermücke übertragen werden.

© imago/blickwinkel

Klimawandel, Mücken, Viren: Eine ungesunde Mischung – die bald auch Deutschland betreffen könnte

Durch die weltweit steigenden Temperaturen breiten sich Viren, die durch Mücken übertragen werden, nach Norden aus. Es ist eine Entwicklung, die wir genau beobachten müssen.

In den letzten Jahren galt unsere Aufmerksamkeit in erster Linie einem einzigen Virus, und so haben wir eine andere Gefahr ein wenig aus den Augen verloren: Nicht alle Krankheitserreger verbreiten sich von Menschen zu Mensch, viele werden auch durch Tiere übertragen. Zu den Überträgern gehören Mücken, deren Stiche nicht nur lästig bis schmerzhaft sind, sondern auch eine Reihe von Viren weitergeben können.

Die Hälfte der Weltbevölkerung ist inzwischen von einer Infektion mit dem Dengue-Virus bedroht. Die Zahl der Fälle hat sich seit 2000 verachtfacht, die WHO geht inzwischen von 100 bis 400 Millionen Infektionen jährlich aus; rund 20.000 Todesfälle werden gemeldet. In Deutschland sind solche Viren noch wenig bekannt, mit dem Klimawandel und damit höheren Temperaturen wandern sie aber langsam nordwärts.

Das West-Nil-Virus verbreitet sich in heimischen Mücken

Schon jetzt können sich einige der früher hier unbekannten Viren durch heimischen Tierarten und Mücken verbreiten. Dazu gehört das West-Nil-Virus, mit dem sich Menschen und viele verschiedene Tierarten anstecken können.

Die Folgen sind sehr unterschiedlich. Für Vögel, vor allem Krähen und Raben, ist eine Ansteckung häufig tödlich. Bei Pferden (nur für sie gibt es auch eine Impfung) geht das Virus auch ins Hirn und löst dort gefährliche Entzündungen aus. Menschen verspüren meist keine Symptome, bei etwa einem Fünftel ähneln die Symptome denen der Grippe, bei einem Prozent kommt es zu einer Hirnhautentzündung.

400
Millionen Infektionen mit dem Dengue-Fieber könnte es weltweit jährlich geben - die Zahl hat sich seit dem Jahr 2000 verachtfacht.

Übertragen wird das West-Nil-Virus von den hier heimischen Hausmücken. Entdeckt wurde es in den 1930ern in Uganda, seit Jahrzehnten ist es in Südeuropa bekannt. In den letzten fünf Jahren kam es auch in Berlin zu Ansteckungen; die Ausbreitung des Virus insbesondere im Osten Deutschlands wird etwa durch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg und das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems untersucht.

Angetrieben wird die Verbreitung von den langsam steigenden Durchschnittstemperaturen. Je wärmer es ist, und je früher im Jahr es warm wird, desto schneller vermehren sich die Mücken und desto aktiver sind sie – das fördert die Virusübertragung.

Monatelange Gelenkschmerzen durch Chikungunya

Während das West-Nil-Virus von heimischen Mücken verbreitet wird, braucht beispielsweise das Chikungunya-Virus, eine hier bis vor Kurzem nicht vorkommende Mückenart, die Tigermücke. Entdeckt wurde das Virus Anfang der 1950er-Jahre in Tansania. In den dortigen Sprachen bedeutet „Chikungunya“ so viel wie „was gebückt macht“ – in der Mehrzahl der Fälle führt eine Ansteckung zu bisweilen monatelang anhaltenden Gelenkschmerzen. Wie das West-Nil-Virus ist auch das Chikungunya-Virus in Südeuropa schon länger bekannt, so gab es etwa 2017 in Italien einen Ausbruch mit einigen hundert Fällen.

Da das Chikungunya-Virus auf die Tigermücke angewiesen ist, kann man also erst mal diese Mückenart verfolgen, um zu verstehen, wie sich das Virus ausbreiten könnte. Genau das macht das Europäische Zentrum für Kontrolle und Prävention von Krankheiten der EU mit den „Mückenkarten“. Die zeigen etwa, dass die Tigermücke (Aedes albopictus) 2019 erst im Oberrhein heimisch war, und 2022 schon Thüringen erreicht hat. Seit 2021 beobachtet daher auch das Landesamt für Gesundheit und Sicherheit (LAGeSo) des Berliner Senats die Tigermücken in Berlin.

Überwachung von Abwasser und Umweltproben

Um die Ausbreitung der Viren selbst zu verfolgen, gibt es mehrere Methoden. Zum einen kann man auf das für SARS-CoV-2 bewährte Abwasser-Monitoring zurückgreifen.

Zum anderen kann man Umweltproben wie eingesammelte Mücken, Vogelkot oder Proben von Gewässern auf Viren-Erbgut analysieren. Das wiederum kann die Virus-Diagnose stützen: Kommt etwa ein Mensch mit hohem Fieber in ein Krankenhaus und ist aus dem Umwelt-Monitoring bekannt, welche Viren zurzeit in der betreffenden Region zirkulieren, kann man den Patienten gezielt auf diese testen.

Die Fallzahlen aus Südeuropa deuten bislang auf keine pandemische Situation hin, egal, ob es sich um West-Nil, Chikungunya andere Erreger mit klingenden Namen wie „Toscana-Virus“ oder „Neapel-Phlebovirus“ handelt.

Allerdings können diese Viren ernstzunehmende Krankheiten verursachen, besonders gefährlich sind sie für Neugeborene, Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen oder geschwächtem Immunsystem. Den richtigen Umgang mit den von Mücken übertragenen Viren müssen wir noch finden – am wichtigsten ist derzeit eine sorgfältige Überwachung des Geschehens.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false