Über den Wolken in Ostafrika: Mr. Bowie und die alten Lieder
Nektarvögel sind beim Singen sehr traditionsbewusst. Herausgefunden hat das - zusammen mit anderen - ein Forscher mit einem sehr musikalischen Namen.
Himmelsinseln werden in Ostafrika die bewaldeten Spitzen der höchsten Berge genannt. Wer einen besteigt, sieht anderen Gipfel oft wie Eilande, Sky Islands, aus dem Wolkenmeer ragen. Tiere, die an diese Lebensräume hoch über dem richtigen und dem Wolkenmeeresspiegel gut angepasst sind, sind entsprechend von Artgenossen auf anderen Himmelsinseln gut isoliert.
Nach der von Charles Darwin postulierten und durch den deutschen Evolutionsbiologen Ernst Mayr weiterentwickelten Theorie sollten hier ideale Bedingungen für die Ausbildung neuer Merkmale und die Entstehung neuer Arten herrschen.
Wie die Kolibris
Doch das stimmt nur zum Teil. Das hat vor kurzem ein Team um den Vogellieder-Experten Raurie Bowie von der University of California in Berkeley herausgefunden. Die Forschenden untersuchten Nektarvögel, die in diesen isolierten Habitaten leben.
Die Tiere ähneln stark den in Amerika beheimateten Kolibris. Sie haben lange, oft stark gebogene Schnäbel, um an die zuckerreiche Flüssigkeit verschiedener Blüten zu gelangen. Und sie flattern mit hoher Flügelschlagfrequenz.
Kolibris und Nektarvögel sind ein Beispiel „konvergenter“ Evolution: vergleichbare Anpassung an vergleichbare Umweltbedingungen und damit oft auch ähnliches Aussehen und Verhalten. Ein Beispiel für divergierende Evolution aber, so wie man es bei den isolierten Populationen erwarten sollte, sind die Nektarvögel untereinander eher nicht.
Immer das alte Lied
Zwar haben sie sich in Jahrmillionen teilweise genetisch so unterschiedlich entwickelt, dass sie zu verschiedenen Arten gezählt werden. Doch die Gesänge der Männchen sind in vielen Fällen fast identisch. So berichteten es kürzlich Jay McEntee von der Missouri State University, Bowie und zehn weitere Forscherinnen und Forscher in den „Proceedings of the Royal Society B“.
Das gelte für entfernte Populationen einer Art ebenso wie für unterschiedliche Arten. Es bedeutet wahrscheinlich, dass manche der Gesänge schon vor 500 000 oder einer Million Jahren genau so vorgetragen wurden. Die Forschenden schreiben diese Stabilität der Stabilität der Lebensräume zu. Bisher war man aber davon ausgegangen, dass diese sich auf Merkmale, die nichts mit der direkten Interaktion mit dem Lebensraum zu tun haben – Nahrungskonkurrenten oder Blüten etwa – kaum auswirken sollte.
Merkmale wie Gesang oder Gefiedermuster sollten sich über die Zeit eigentlich deutlich verändern. Doch selbst beim Gefieder ähneln sich dort manche Arten so, dass sie lange zu einer einzigen Spezies zusammengefasst wurden. Evolution, so schließen die Studienautoren, geschah bei diesen Arten und in den fällen, wo die Gesänge sich heute deutlich unterscheiden, nicht kontinuierlich, sondern in Sprüngen ("punctuated evolution") - und wahrscheinlich mit Umweltveränderungen als Auslöser.
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