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Der Wasserschaden am Chemiegebäude an der TU Berlin soll durch Materialermüdung entstanden sein.

© TU Berlin

„Manche Studierende haben Angst, sich im Gebäude aufzuhalten“: Frust und Verunsicherung an der TU

Nach zwei Wasserschäden ist der Frust an der TU Berlin groß. Die Wissenschaftssenatorin macht sich ein Bild der Lage – dämpft aber die Hoffnung auf große Investitionen.

Die Schäden an den Universitätsgebäuden seien allen Beteiligten seit Jahren bekannt. Investitionen in die Sanierung der Gebäude seien vom Senat in der Vergangenheit ohne Begründung abgelehnt worden, moniert Lars Oeverdieck, Kanzler der Technischen Universität Berlin (TU)

Gemeinsam mit Geraldine Rauch, Präsidentin der TU, steht Oeverdieck vor Pressevertreter:innen im leeren Foyer des Mathematik-Gebäudes an der Straße des 17. Juni. In dem Haus sowie dem Institut für Chemie haben sich binnen weniger Wochen schwere Wasserschäden ereignet.

Mitte April wurde im achten Stock des Hauses ein Wasserschaden durch verstopfte Toiletten verursacht. Die Uni geht von Vandalismus aus und hat Anzeige erstattet. Bei einem Kontrollgang am vergangenen Donnerstag wurde Brandgeruch festgestellt. Wasser sei in die Schächte gelaufen, in denen die Haustechnik verlegt ist. Weil die Sicherheit in dem Gebäude nicht mehr gewährleistet werden konnte, wurde das Haus weitestgehend gesperrt.

Bei dem einen Schaden blieb es aber nicht. Am Montag stürzte im Institut für Chemie in einem Seminarraum eine abgehängte Decke ein, ebenfalls wegen eines Wasserschadens. TU-Sprecherin Stefanie Terp geht in diesem Fall von „Materialermüdung“ aus.

Sanierungsbedarf in Milliardenhöhe

Beide Fälle sorgen bei den TU-Verantwortlichen für Frust. Oeverdieck gibt an, dass die Berliner Hochschulen insgesamt einen Sanierungsbedarf in Höhe von 8,3 Milliarden Euro hätten. Alleine auf die TU würden 2,4 Milliarden Euro entfallen. Das entspricht 100 Millionen Euro pro Jahr bis 2046, rechnet Oeverdieck vor - vorausgesetzt, die Baukosten steigen nicht weiter. „Nichtstun ist die teuerste aller Möglichkeiten. Dann passiert so etwas. Unsere eigenen Gebäude stürzen ein und wir müssen andere Gebäude anmieten.“

Nichtstun ist die teuerste aller Möglichkeiten. Dann passiert so etwas.

Lars Oeverdieck, Kanzler der TU Berlin

Laut Oeverdieck hätte es zumindest im Mathematik-Gebäude nicht so weit kommen müssen: „Wäre das Gebäude schon saniert worden, wären die Schächte, in denen sich das Wasser gesammelt hat, geschottet worden. Der Schaden wäre dann in jedem Fall kleiner ausgefallen.“ Wie bereits in den letzten Jahren ist das Gebäude auch aktuell für den Investitionsplan des Senats angemeldet. Den Vorzug vor der TU haben in der Vergangenheit etwa das Naturkundemuseum und das Herzzentrum bekommen, sagt Ina Czyborra (SPD).

Die Wissenschaftssenatorin lässt sich von den TU-Verantwortlichen vor Ort das Ausmaß des Schadens zeigen. Die Chancen, dass die TU jetzt Gelder erhält, scheinen durch die Schäden zu steigen. Nach der Besichtigung der Räume im Chemie-Gebäude sagt Cyzborra in Bezug auf den Investitionsplan des Senats: „Wir müssen unsere Prioritäten überdenken. Wir können die Unis, unseren Nachwuchs in Zeiten des Fachkräftemangels, nicht vernachlässigen und wir wollen auch weiterhin als Teil des Exzellenzverbunds attraktiv für Spitzenwissenschaftler sein.“

Wir müssen unsere Prioritäten für Investitionen überdenken. Wir können die Unis, unseren Nachwuchs in Zeiten des Fachkräftemangels, nicht vernachlässigen.

Ina Czyborra, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege

Dennoch dämpft Czyborra die Hoffnungen auf umfangreiche Investitionen: „100 Millionen Euro pro Jahr sind angesichts der Schuldenbremse nicht realistisch.“ Die Schuld dafür sieht Cyzborra auf Bundesebene. „Wir müssen die Finanzierung der Zukunftsinvestitionen zwischen Bund und Ländern gerecht verteilen.“ 

Chaos und Angst unter Studierenden

Für die Lehrenden und Studierenden an der TU ändert das kurzfristig wenig an ihrer Situation. Martin Lerch, Professor für Festkörperchemie, war im Nebenraum, als die Decke im Chemie-Gebäude einstürzte. Normalerweise sei der Raum die Hälfte der Woche belegt. „Wir können nur von Glück sprechen, dass während des Einsturzes niemand im Raum war. Es hätte Verletzte, wenn nicht sogar Tote geben können.“ Neben dem Umstand, dass die Labore nicht mehr genutzt werden können, hat Lerch vor allem eines bemerkt: „Manche meiner Studierenden haben Angst, sich in dem Gebäude aufzuhalten.“ 

Doch nicht jede:r Studierende:r an der TU weiß überhaupt von den neuesten Schäden. Nicht nur in das Mathematik-Gebäude wollen während des Pressetermins diverse Studierende, die nicht über die Schließung informiert scheinen. Gegen 14 Uhr verlässt eine große Gruppe Studierender das Chemie-Gebäude. Christopher Groos ist einer von ihnen. Der 21-Jährige studiert Biotechnologie und hat im Chemie-Gebäude einen Mathe-Kurs besucht - weil das Mathematik-Gebäude gesperrt ist. Ob er wusste, dass in dem Gebäude eine Decke eingestürzt ist? Groos verneint ungläubig.

Wie viele seiner Kommiliton:innen sieht sich Groos mit der Situation konfrontiert, diverse Kurse in anderen Räumlichkeiten oder sogar online besuchen zu müssen. Auch eine 25-jährige Informatikstudentin gibt an, nicht immer zu wissen, wo genau ihre Seminare hinverlegt worden seien. Durch den Sanierungsbedarf herrschen an der TU Chaos und Verunsicherung. Ein Ende des Zustandes ist so schnell nicht in Sicht.

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