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Deutschland hatte 2022 die drittmeisten Toten mit 8.173 Hitzeopfer zu beklagen.

© IMAGO/NurPhoto/IMAGO/Artur Widak

Deutschland unter den ersten drei Ländern: Mehr als 60.000 Hitzetote im europäischen Sommer 2022

Gerade vorbelasteten oder älteren Menschen kann Hitze schwer zu schaffen machen, bis hin zu einem vorzeitigen Tod. Im bisher wärmsten erfassten Sommer Europas gab es zigtausende solcher Sterbefälle, hat ein Forschungsteam errechnet.

Von Stefan Parsch, dpa

Mehr als 60.000 hat es einer neuen Berechnung zufolge im Sommer vergangenes Jahr in Europa gegeben, dem bisher heißesten Sommer auf dem Kontinent seit Beginn der Aufzeichnungen. Deutschland hatte die drittmeisten Toten mit 8.173 Hitzeopfer zu beklagen. In Italien verstarben 18.010 und in Spanien 11.324 Menschen an der Hitze, wie ein Forschungsteam im Fachmagazin „Nature Medicine“ berichtet.

Auf die Einwohnerzahl heruntergerechnet waren es in Deutschland 98 Hitzetote pro eine Million Einwohner, damit steht Deutschland unter 35 europäischen Staaten auf Rang 13.

Über 45 Millionen Fälle in über sieben Jahren ausgewertet

Hitzebezogene Todesfälle sind schwer zu erfassen. Mithilfe von Datenanalysen und Computermodellen hatte die Forschungsgruppe um Joan Ballester vom Barcelona Institute for Global Health die Werte ermittelt. Hitze als direkte Todesursache, etwa bei einem Hitzschlag oder einem Sonnenstich, wird eher selten angegeben. In Deutschland ist Hitze als direkte Ursache in durchschnittlich 19 Fällen pro Jahr angegeben, laut Statistischem Bundesamts.

Angesichts des Ausmaßes der hitzebedingten Sterblichkeit mahnen unsere Ergebnisse eine Neubewertung und Stärkung von Hitzeüberwachungs-Plattformen, Präventionsplänen und langfristigen Anpassungsstrategien an.

Forschungsgruppe vom Barcelona Institute for Global Health

Deshalb sind Mediziner und Statistiker auf die Auswertung von Todesfällen und den Vergleich zwischen heißen und weniger heißen Sommern angewiesen.

Sterben in Wochen mit hohen Temperaturen mehr Menschen als in vergleichbaren Wochen in anderen Jahren, dann wird diese Übersterblichkeit als hitzebezogen angenommen. Zwar sind die meisten Hitzetoten an einer Vorerkrankung gestorben, doch die Hitze hat den Körper zusätzlich belastet.

Ballester und Kollegen stützen sich bei ihrer Analyse auf eine große Datenbank: auf mehr als 45 Millionen Todesfälle zwischen Januar 2015 und November 2022 aus 823 zusammenhängenden Regionen, die über 543 Millionen Europäer in 35 Ländern repräsentieren. Die Daten stammen vom Statistischen Amt der Europäischen Union und von nationalem Statistikbehörden. Die Anzahl der Todesfälle setzten die Forscher in Beziehung zu Temperaturanomalien, die als Unterschied zwischen gemessenen Temperaturen und Basistemperaturen definiert wurden. Basistemperaturen sind die Mittelwerte aus dem Referenzzeitraum 1991 bis 2020.

Hitze bleibt weiterhin ein tödliches Risiko für ältere Menschen

In Europa lagen die Temperaturen im Juni 2022 zwischen 0,78 und 2,33 Grad, im Juli zwischen 0,18 und 3,56 Grad und im August zwischen 0,91 und 2,67 Grad höher als die Basistemperaturen. Die höchsten Temperaturabweichungen gab es in Spanien und Südfrankreich. Spanien gehört mit 237 Hitzetoten pro eine Million Einwohner zu den am stärksten betroffenen Ländern nach Italien mit 295 Toten und Griechenland mit 280 Toten.

Madrid bei 37 Grad. Spanien gehört mit 237 Hitzetoten pro eine Million Einwohner zu den am stärksten betroffenen Ländern.

© Jose GlezBuenaposada - stock.adobe.com/Jose González Buenaposada

Frankreich verzeichnete mit 1007 die höchste Zahl von hitzebezogener Todesfällen bei Menschen im Alter bis zu 64 Jahren. Wo diese Daten verfügbar waren, ordneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die hitzebezogenen Todesfälle Altersklassen zu. Im Sommer 2022 starben demnach 4.822 Menschen im Alter von bis zu 64 Jahren durch Hitze, 9.226 im Alter von 65 bis 79 Jahren und 36.848 im Alter von 80 oder mehr Jahren. Hitze bleibt besonders für ältere Menschen ein tödliches Risiko .

Forscher warnen die Politik: Hitzetote steigen nur weiter

Die Studienautoren fordern Politiker zum Handeln auf: „Angesichts des Ausmaßes der hitzebedingten Sterblichkeit auf dem Kontinent mahnen unsere Ergebnisse eine Neubewertung und Stärkung von Hitzeüberwachungs-Plattformen, Präventionsplänen und langfristigen Anpassungsstrategien an.“

Sollten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel ausbleiben, erwarten die Wissenschaftler eine mittlere hitzebezogene Sterblichkeitsbelastung von etwa 68.000 Todesfällen pro Sommer bis zum Jahr 2030, mehr als 94.000 Todesfällen bis 2040 und deutlich über 120.000 Todesfällen bis 2050.

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