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Manche sind scharfsinnig, andere weniger: Klares Denken beruht auf Strukturen und Prozessen im Gehirn, die sich simulieren lassen

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Wohlüberlegt: Langsam denken lohnt sich, zeigt Gehirnsimulation

Intelligente Menschen ticken anders: Ihre Hirnareale sind zeitlich synchronisiert. Ihr Gehirn kann Gedanken länger festhalten und liefert daher verlässlichere Ergebnisse.

In unserem Gehirn konkurrieren schnelle und instinktive Gedanken mit langsamen, aber viel anstrengenderen logischen Denkprozessen. Kein Wunder, dass wir zu bequemen, aber voreiligen Schlüssen tendieren, bei Statistiken versagen und unser Wissen überschätzen. So zumindest die These des Psychologen Daniel Kahneman, der mit diesen Ideen vom „langsamen“ und „schnellem“ Denken vor etwa zehn Jahren einen Bestseller landete.

Eine Studie aus dem Labor der Neurowissenschaftlerin Petra Ritter vom Berlin Institute of Health (BIH) liefert neue Belege für diese Theorien und wie diese im Organ verdrahtet sein könnten. Gehirnsimulationen ihrer Gruppe zeigen, dass intelligente Personen zwar einfache Aufgaben schnell und ohne Fehler lösen – aber beim Auskniffeln komplexerer Probleme mehr Zeit benötigen als Menschen, die in kognitiven Tests eher schlecht abschneiden.

Menschen, die schwierige Fragen zwar schnell, aber fehlerträchtiger beantworteten, besitzen zeitlich weniger gut aufeinander abgestimmte Hirnareale. Denn noch bevor alle Gehirnregionen alle nötigen Verarbeitungsschritte beenden können, springt das Gehirn zu einer passend scheinenden Lösung. Je komplizierter das Problem, desto eher kommt es dabei zum Fehlschluss.

Bei komplexen Aufgaben müssten die Gedanken im Arbeitsgedächtnis festgehalten werden, während man weitere Lösungen sucht und alles letztlich miteinander in Einklang bringt, erklären die Forschenden. Dieses Sammeln von Beweisen dauere manchmal länger, führe dann aber auch zu besseren Ergebnissen.

Virtuelle Zwillinge

Grundlage für die Arbeit im Fachblatt Nature Communications sind Computermodelle der Gehirne von 650 Probandinnen und Probanden. In diese digitalen Simulationen flossen nicht nur allgemeine Daten aus bildgebenden Verfahren ein, sondern auch mathematische Formeln, die biologische Zusammenhänge beschreiben, und Messwerte der Testpersonen. In diesen virtuellen Gehirnen sind die Verbindungen zwischen Gruppen von Nervenzellen hinterlegt, wenn auch vereinfacht.

650
simulierteGehirne wurden untersucht.

Sowohl im lebenden Menschen als auch im Computer seien die Gehirne bei Intelligenten besser synchronisiert, erklären die Forschenden, und zwar auf der Ebene des gesamten Gehirnnetzwerks bis auf die Ebene einzelner Nervengruppen hinein. Diese stärkere Synchronisierung ermögliche es Nervenschaltkreisen im Frontallappen des Großhirns, Entscheidungen länger hinauszuzögern.

Es findet eine Art Wettlauf zwischen den beteiligten Nervengruppen statt. Bei einer schwierigen Entscheidung unterscheiden sich ihre Signale nur geringfügig und sind wenig eindeutig, hält die Gruppe fest. Kommt dann zufälliges Hintergrundrauschen dazu, werden die Nervengruppen dazu gezwungen, voreilige Schlüsse zu ziehen. Bei einer Synchronisation befindet sich das System in einem „robusten Zustand“, sagt Ritter. Rauschereignisse führten dann nicht so leicht zu falschen Entscheidungen.

Trainingseffekt unklar

Doch wie kann man dem eigenen Gehirn helfen, weniger Denkfehler zu machen? „Die Synchronisation im Gehirn kann systematisch verändert werden“, sagt BIH-Professorin Ritter. „Beispielsweise kann das mit Neurofeedback trainiert werden.“ Hierbei handelt es sich ein computergestütztes Gehirntraining. Ob das jedoch wirklich einen Einfluss auf das „langsame Denken“ hat, müsse noch untersucht werden.

Die Thesen Kahnemans wurden zuletzt kritisiert, weil sie teilweise auf wenig verlässlichen Studien gründeten. Einige ältere Arbeiten aus der Psychologie sind nicht unabhängig nachvollziehbar oder leiden unter methodischen Mängeln. Die neue Studie gründet nun aber aus Messdaten direkt aus dem Organ und liefert Indizien, dass an Kahnemans Idee etwas dran sein könnte.

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