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Die leuchtend roten Sumpfkrebse sind bei Aquarianern beliebt, aber auch in der Cajun-Küche in den USA.

© Bo Mertz, CC BY-SA

Eintönige Artenvielfalt: Der Sumpfkrebs kann nichts dafür

Artensterben und das Einschleppen von Arten in Gebiete, in die sie ohne den Menschen nie gelangt wären, könnten die Erde immer eintöniger machen. Doch die Biodiversitätskrise kann auch anders.

Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Rote Amerikanische Sumpfkrebse gehören eigentlich gar nicht in den Berliner Tiergarten. Ohne Angelschein und Genehmigung des Gewässerinhabers ist es aber verboten, sie einzusammeln. Dabei sind da, wo sie hingehören, etwa im Mississippi-Einzugsgebiet in den USA, und auch hierzulande schmackhafte Zubereitungen bekannt. Und die Tiere sind in Berlin und überall, wo sie vom Menschen eingeschleppt wurden, eine Bedrohung für die heimischen Krebse, die sie verdrängen und anstecken können, und die heimischen Pflanzen und Tiere, die sie fressen.

Der Rote Amerikanische Sumpfkrebs (Procambarus clarkii) ist ein Beispiel für einen Gleichmacher. Er kann nichts dafür. Der große Gleichmacher ist der Mensch, der ihn, als Zier- oder Speisekrebs, in verschiedene Weltregionen inner- und außerhalb Nordamerikas eingeführt hat, wo er, wie gesagt, gar nicht hingehört. Da sich die Tiere dort aber teilweise sehr gut behaupten, treibt ihre Ausbreitung die Homogenisierung voran, teilt das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig mit.

Es gilt als Merkmal der globalen Biodiversitätskrise, dass sich Artengemeinschaften immer ähnlicher werden – etwa weil sich die Krebse nicht mehr nur im Mississippi tummeln, sondern auch im Berliner Tiergarten. Ein Forschungsteam um Shane Blowes vom iDiv hat diese Annahme aber auf den Prüfstand gestellt und dazu 527 Datensätze von Ökosystemen wie Savannen, Wiesen oder Korallenriffen analysiert. Die Ergebnisse sind jetzt in „Science Advances“ erschienen.

Das Einzugsgebiet des Mississippi ist Teil des ursprünglichen Verbreitungsgebietes des Roten Amerikanischen Sumpfkrebses.
Das Einzugsgebiet des Mississippi ist Teil des ursprünglichen Verbreitungsgebietes des Roten Amerikanischen Sumpfkrebses.

© IMAGO/Pond5 Images/IMAGO/xsteveheapx

„Wir fanden heraus, dass Lebensgemeinschaften im Laufe der Zeit als Antwort auf das menschliche Einwirken auf die Umwelt genauso häufig ähnlicher wie unterschiedlicher werden“, berichtet Blowes. Über Zeiträume von mehreren Hundert Jahren gibt es zwar einen schwachen Trend zur Homogenisierung in größeren Regionen – vor allem wegen der zunehmenden Zahl weit verbreiteter Arten. Allerdings wird dieser Trend durch die Differenzierung der Gemeinschaften auf lokaler Ebene ausgeglichen, bei Fischen, Vögeln, Säugetieren und auch Pflanzen. Treiber dieser Differenzierung ist das Verschwinden häufiger Arten an manchen – aber nicht allen – Orten.

„Wir müssen uns von der Annahme verabschieden, dass sich Biodiversität vor allem in Form von Homogenisierung verändert”, sagt Seniorautor Jonathan Chase vom iDiv.

Die Berliner Roten Amerikanischen Sumpfkrebse werden dieser aber schon bald wieder Vorschub leisten. In wärmerer Witterung wandern die Tiere auch größere Strecken über Land, um neue Lebensräume zu besiedeln. Das Angelverbot gilt auch auf Straßen und Wegen, aber in diesem Jahr sollen die Tiere wieder abgefischt und als „Berlin Lobster“ (Berliner Hummer) an kulinarisch Interessierte verkauft werden.

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