zum Hauptinhalt
Zum Start der neuen Saison lädt die Urania am 2. September zum „Open House“.

© Urania

Neuer Kurs an der Urania: „Ein Ort des Dialogs für die Stadt“

An der Urania soll künftig über die Zukunft Berlins debattiert werden, so der Plan des neuen Direktors.

Herr Weigand, Sie wollen die Urania für neue Zielgruppen und Themen öffnen. Ist Ihnen die Institution nach 130 Jahren zu eng, zu behäbig geworden?

Die Urania hat ein großes Stammpublikum. Wir haben über 1000 Mitglieder aus Ost wie West, die Vereinsidee lebt. Das ist mir wichtig. Doch die Menschen, die neu nach Berlin gekommen sind, und die jüngere Generation haben sich eher andere Orte in Berlin erschlossen.

Die Ursprungsidee der Urania war es, der Öffentlichkeit Wissenschaft verständlicher zu machen. Jetzt planen Sie eine „Bürgerplattform für gesellschaftliche Debatten“. Wird Wissenschaft weniger wichtig?

Wissenschaft bleibt ein zentraler Bestandteil der Urania. Aber Wissen muss nicht ausschließlich von klassischen Wissenschaftlern sondern kann auch von Stadtaktivisten, Künstlern oder Menschen vermittelt werden, die ihr Wissen durch ihre praktische Arbeit erworben haben. Auch in Zukunft werden renommierte Wissenschaftler, Nobelpreisträger und vielversprechende Nachwuchsforscher ihre Erkenntnisse in der Urania vorstellen. Reagieren möchte ich auf diejenigen Besucher, die nicht nur lernen wollen, sondern zusätzlich den Austausch mit Gleichgesinnten suchen. Das wollen wir stärken und mehr und mehr zum Bürgerforum werden. Die Menschen brauchen authentische Orte, authentische Gespräche, sachliche Argumente – die Urania ist dafür die richtige Plattform.

Ulrich Weigand (43) ist seit April 2018 neuer Direktor der Urania. Der Kulturmanager war zuvor Sprecher am Bauhaus-Archiv und war bereits zwischen 2007 und 2011 für die Urania tätig.

© Kai-Uwe Heinrich

Wie entscheiden Sie, wer Experte genug ist, um Wissen zu vermitteln – der Astrophysiker ebenso wie der Geistheiler?

Grundsätzlich möchte ich keine Referenten einladen, die irgendeine wilde These vertreten. Unser Anspruch ist es, die besten Experten aus den jeweiligen Fachbereichen an die Urania zu bitten. Es gibt aber den Wunsch, mehr über gesellschaftliche Entwicklungen zu reden. Wenn die Themen für den persönlichen Lebensalltag relevant sind, beispielsweise bei den Stadtgesprächen oder in politischen Veranstaltungen, dann sind viele verschiedene soziale Gruppen und unterschiedliche Generationen vertreten. Dann haben wir eine gute Mischung, in der unterschiedliche Menschen voneinander lernen. Dazu müssen wir uns thematisch öffnen. Wissenschaft als Begriff ist für viele schwierig. Spricht man aber über Wissen, dann erreicht man die Menschen.

Birgt das nicht die Gefahr, dass die Urania zum Jahrmarkt der Beliebigkeit wird?
Im Gegenteil, wir bieten Orientierung, indem wir die Themen in zentrale Bereiche aufteilen: Politik und Gesellschaft, Mensch und Natur, Bildung und Technik, Kultur und Berlin. Die Vorträge bleiben ein klassisches Mittel, Wissenschaft zu vermitteln. Wenn ich aber ein Podiumsgespräch habe, dann entstehen dort neue Impulse und Ideen.

Das Motto für das kommende Jahr heißt: „Vision findet Stadt“. Was heißt das?

In einer Metropole wie Berlin wirken ganz unterschiedliche Protagonisten und Einflüsse. Mit dem Jahresthema wollen wir sichtbar machen, was es braucht, damit Städte auch morgen lebenswert bleiben. Wir wollen zeigen, wo es erfolgversprechende Entwicklungen gibt, die uns helfen, Probleme des gesellschaftlichen Wandel besser zu lösen. Es ist spannend, dazu unterschiedliche Gruppen ins Gespräch zu bringen. Ein Beispiel ist die Wohnungsnot. Es drohen soziale Spaltungen. Diese Schieflage zu besprechen, da sind Wissenschaftler gefragt, die die demografischen und sozialen Entwicklungen kennen, aber auch Experten, die ganz praktisches Wissen haben, wie man baut, die Erfahrungen damit haben, was nötig ist, um neuen Wohnraum zu schaffen.

Sie wollen also die politische Auseinandersetzung in der Stadt anführen? Die Urania auf der Barrikade der Stadtgesellschaft?

Nein, die Urania soll ein Ort des Dialogs sein. Sich von der Politik abzuwenden, das wäre nicht zielführend. Im Gegenteil. Schon jetzt bringen unsere diskursiven Formate die Debatte voran. Das kann hier und da noch kontroverser werden, indem wir Menschen an der Diskussion beteiligen, die im demokratischen Austausch neue Perspektiven einbringen.

Wollen Sie sich daher auch den Bürgerwissenschaften, der Citizen Science öffnen?

Ich fände das spannend. Das ist zwar noch ein Experiment. Aber die Idee ist, den Bürgern ein Angebot zu machen, eigene Erfahrungen einzubringen. Wir wollen das ausprobieren, in einer Bürgerwerkstatt, in der Bürger zum Erkenntnisgewinn beitragen und sich einbringen können.

Erfüllt solch eine „Urania für alle“ noch die Ansprüche an wissenschaftliche Seriosität?

Bei Vorträgen, Diskussionen oder Buchvorstellungen achten wir sehr darauf, dass wir Persönlichkeiten einladen, die für das jeweilige Thema nachvollziehbar qualifiziert sind. Und wir würden auch keine Themen setzen, die sich nicht wissenschaftlich untersuchen lassen. Das Halbwissen, die Verschwörungstheorien, davon ist das Internet eh voll, das brauchen wir hier nicht. Interessant wäre allenfalls, mit einem Psychologen zu sprechen, woher solche Phänomene kommen.

Wie steht es mit Klimawandelskeptikern?

Kontroversen sind zulässig, aber diese Skeptiker würde ich genau prüfen. Wenn es jemand ist, der wissenschaftlich arbeitet, würde ich das ernst nehmen. Die Urania muss aushalten, dass es Meinungen gibt, die nicht jedem gefallen. Mir geht es dabei um Vielstimmigkeit. Es wird nur dann problematisch, wenn Akteure demokratiefeindliche Thesen vertreten.

Wenn die Urania für Neu-Berliner bislang nur eine Adresse ist, wie soll der Ort dann künftig mehr in die Stadt gebracht werden?

Wir schaffen neue Anlässe, sich mit der Urania zu beschäftigen, indem wir vor dem Haus etwas anbieten, das Interesse weckt: eine Art spannende Insel mit Sitzmöglichkeiten und Pflanzen, von der aus man sich ungezwungen im Erdgeschoss umsehen kann. Zusätzlich gibt es Ausstellungen, Kinoveranstaltungen und Kunst als Einstieg in Diskussionen um Prozesse in der Gesellschaft. Und ein Bürgerforum, das die Möglichkeit bietet, sich nach einer Veranstaltung mit anderen Besuchern auszutauschen. Dazu planen wir auch ein Gartenprojekt auf dem Parkplatz, „Urania Urban Gardening“, das Besucher und Nachbarschaft zusammenbringen soll.

Sind Futurium und Humboldtforum Konkurrenten der Urania?

Nein. Die Urania ist eine Urberliner Institution. Die beiden anderen Orte sind neu und haben nationalen Charakter. Die Urania wendet sich eher an die Stadtgesellschaft. Deshalb begreifen wir Futurium und Humboldtforum eher als Partner und denken über Kooperationen nach. So werden etwa die Pläne des Humboldtforums bald in der Urania vorgestellt.

Veranstaltungsinformation: Zum Start der neuen Saison lädt die Urania am 2. September zum „Open House“. Ab 12 und bis 20 Uhr werden den Berlinern die Neuerungen der 130 Jahre alten Institution für Wissensvermittlung vorgestellt.

Neben Impulsvorträgen gibt es auch Bühnenshows und Live-Experimente für Kinder und Erwachsene zu sehen, etwa die „Zauberhafte Physik“ der Bürgerstiftung Berlin. Auf der Podiumsdiskussion zum Saisonthema der Urania „Vision findet Stadt“ werden Staatssekretärin Sawsan Chebli, Johannes Vogel vom Naturkundemuseum, Francesca Ferguson vom Make City Festival und Christine Edmaier, Präsidentin der Architektenkammer, debattieren.

Darüberhinaus gibt es „Live-Multivisionen“ zu sehen über „Die Tiere Afrikas“ oder aus Tibet, sowie das „Kinder Ballett Kompanie Berlin“ mit Tanzszenen aus dem „Nussknacker“ von Pjotr Iljitsch Tschaikowski. Auf dem Vorplatz der Urania wird „Tiny Town Urania“ präsentiert, eine „offene Werkstatt für eine offene Gesellschaft“.

Kostenlos unsere Tagesspiegel-Bezirksnewsletter bestellen: www.tagesspiegel.de/leute

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false