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Zelltherapie: Statt Pillen werden Zellen in der Medizin genutzt, um Krankheiten zu erkennen und zu heilen.

© catalin - stock.adobe

Biosensoren als Zelltherapie?: Genveränderte Bakterien können Tumore aufspüren

Wo auch immer der Krebs lauert, eine veränderte Mikrobe spürt ihn auf: Das hoffen Forscher, die Bakterien so veränderten, dass sie Darmkrebs fanden – ohne einen Stuhltest.

Von Walter Willems, dpa

Genetisch veränderte Bakterien können als Biosensoren dienen und im Körper Krebserkrankungen aufspüren. Das berichtet ein US-australisches Forschungsteam in Bezug auf Darmkrebs nach Versuchen an Zellkulturen und Mäusen. Zwar sei das Verfahren noch weit von einem klinischen Einsatz entfernt, betont die Gruppe um Susan Woods von der University of Adelaide und Jeff Hasty von der University of California in San Diego. Doch in Zukunft könnten solche Organismen neben Krebs auch andere Krankheiten nicht nur finden, sondern gleichzeitig auch behandeln, prognostizieren die Forscher im Fachjournal „Science“.

Eine spezielle Fähigkeit kompetenter Bakterien

Bei dem Verfahren setzt das Team auf den sogenannten horizontalen Gentransfer, der bei Bakterien verbreitet ist. Dabei erhalten Bakterien Erbgut nicht nur im Rahmen ihrer Vermehrung, sondern nehmen DNA-Sequenzen auch aus ihrer unmittelbaren Umgebung auf. Das ist insofern wichtig, als Tumore Erbgutschnipsel an ihre Umgebung abgeben.

In der Zukunft werden wir viele Krankheiten ermitteln und behandeln, und zwar mit Zellen, nicht mit Arzneien.

Dan Worthley, Gastroenterologe und Krebsforscher

In der Studie nutzte das Team das Bakterium Acinetobacter baylyi, das für seine Fähigkeit bekannt ist, Erbgut von außen aufzunehmen. Mit der Genschere Crispr/Cas veränderte das Team den Mikroorganismus so, dass er auf zirkulierende DNA reagiert, die eine Mutation des Krebsgens KRAS enthält. KRAS-Varianten sind oft an der Entstehung von Darmkrebs, aber auch von vielen anderen Tumoren beteiligt.

Zelltherapie: Statt Pillen werden Zellen in der Medizin genutzt, um Krankheiten zu erkennen und zu heilen.

© mauritius images / Science Photo Library / Roger Harris

„Als wir vor vier Jahren mit dem Projekt anfingen, war nicht einmal sicher, ob es überhaupt möglich war, Bakterien als Sensor für Säugetier-DNA zu nutzen“, wird Hasty in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Das Verfahren mit der Bezeichnung CATCH (Cellular Assay for Targeted Crispr-discriminated Horizontal gene transfer) soll dafür sorgen, dass Bakterien solche DNA direkt vor Ort aufnehmen und mit Sequenzen bestimmter Krebsgene abgleichen.

Wenn die Bakterien nicht auf das Krebsgen KRASG12D stoßen, sterben sie durch ein Antibiotikum ab, das sie bilden. Ist das Gen jedoch vorhanden, wird ein Resistenzmechanismus aktiviert und die Mikroorganismen können sich vermehren. Zunächst testete das Team die Fähigkeit zum Erkennen der zirkulierenden Gensequenzen in Zellkulturen, dann an Organoiden und schließlich an Mäusen, die Tumore mit der KRAS-Mutation enthielten. Dabei erkannten die Sensor-Bakterien, die die Tiere per Einlauf bekamen, die Mäuse mit den Darmtumoren zuverlässig.

Potenzial ist da, um sogar andere Krankheiten zu behandeln

„Unsere Technologie ist derzeit beschränkt auf bestimmte Sequenzen, daher ist die Krebserkennung auf Hotspot-Mutationen wie KRASG12D begrenzt“, heißt es in „Science“. „Unser Verfahren ist noch nicht bereit zur klinischen Anwendung.“ Zunächst müsse man ermöglichen, dass die Bakterien auch oral zugeführt werden können und sich dann ausreichend im Verdauungstrakt vermehren. Zudem müsse das Verfahren mit gegenwärtigen Untersuchungsmethoden wie etwa der Darmspiegelung mithalten können und nicht zuletzt für Menschen wie auch für die Umwelt unbedenklich sein.

„CATCH hat das Potenzial, Darmkrebs früh zu erkennen, mit dem Ziel, zu verhindern, dass mehr Menschen an diesem und an anderen Tumoren sterben“, erklärte Woods. Letztlich könne man aber auch andere Probleme behandeln, etwa Infektionskrankheiten. „In der Zukunft werden wir viele Krankheiten ermitteln und behandeln, und zwar mit Zellen, nicht mit Arzneien“, stellte Co-Autor Dan Worthley in Aussicht.

Letztlich sei sogar vorstellbar, die bakteriellen Biosensoren mit Stoffen wie Peptiden, kleinen Molekülen oder Nanokörpern auszurüsten, schreibt die Gruppe. Dann könnten sie beim Erkennen einer Krankheit sofort entsprechende Wirkstoffe abgeben.

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