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Ein Berufsschullehrer bei der Arbeit.

© IMAGO/Kerstin Kokoska

Berufsschullehrer gesucht: Berlin geht einen neuen Weg

Auch Berufsschulen leiden unter dem Lehrkräftemangel. Die Berliner Hochschule für Technik legt jetzt einen bisher einmaligen Studiengang auf, der eine neue Zielgruppe erreichen soll.

„Die Zeit drängt“, sagt Ronald Rahmig. Seit 2010 ist der Schulleiter am Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik in Charlottenburg, außerdem engagiert er sich als Vorsitzender der Vereinigung der Leitungen berufsbildender Schulen Berlin (BBB). Immer wieder hat Rahmig erlebt, dass die Politik zwar gern von der Gleichwertigkeit zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung redet, Letztere im Alltag aber dann doch wieder schnell aus dem Blick gerät.

Beispiel Lehrkräftemangel: Der ist nicht nur an Grund- und Sekundarschulen heftig, sondern auch an den Oberstufenzentren. In den vergangenen Jahren wurden durchschnittlich 170 Lehrkräfte pro Jahr eingestellt. Doch plant der Senat laut der gerade abgeschlossenen Hochschulverträge jährlich gerade einmal – auf Kante genähte – 160 Absolventen des Lehramts für berufliche Schulen ein, 60 von der Humboldt-Universität und 100 von der Technischen Universität.

Tatsächlich bemüht sich die TU bereits nach Kräften und hat einen eigenen „Q-Master“ eingerichtet, der Quereinsteiger nach dem Bachelor ins berufliche Lehramt ziehen soll. Doch die 100 bekommt die TU nicht voll bislang. Für „sinnvoll und lange überfällig“ hält Rahmig insofern auch den Studiengang „Berufs- und Technikpädagogik“, den die Berliner Hochschule für Technik (BHT) jetzt erst mal aufgelegt hat.

Anne König ist Professorin an der BHT, sie leitet den neuen Studiengang, der offiziell auf Tätigkeiten in der Personalentwicklung und in der Bildungswirtschaft abzielt. „Er ist aber so angelegt, dass er auch als Brückenstudium für das Berufsschullehramt geeignet ist“, sagt König. Der Studiengang wird im Sommersemester zum ersten Mal angeboten und hat noch Plätze frei – vielleicht auch, weil gar nicht „Lehramt“ draufstehen darf, da das Lehrkräftebildungsgesetz den Master of Education nur für Universitäten erlaubt und nur für deren Absolventen einen Referendariatsplatz garantiert?

Starten mit einem technischen Bachelor

Laut König sei der Studiengang jedenfalls „einmalig in Deutschland, denn er verzichtet komplett auf eine Kooperation mit einer Universität.“ Die Hoffnung: dass sich so besonders Bachelorabsolventen der BHT und anderer Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAWs) angezogen fühlen, die den Übergang an die TU offenbar oft scheuen.

Denn dort sind BHT-Absolventen nur in „homöopathischen Dosen“ angekommen, sagt König – im Q-Master der TU insgesamt neun in den Studienjahren 2020/21 bis einschließlich 2022/23. Dafür, erklärt König, gebe es mehrere Gründe, die wichtigsten seien die unterschiedlichen Curricula im Bachelor, die dazu führten, dass BHT-Studierende teilweise umfangreich Leistungspunkte nachholen müssten, bevor sie in den Q-Master wechseln könnten.

160
 Absolventen des Lehramts für berufliche Schulen plant der Senat jährlich ein

Wie der neue Studiengang konkret funktioniert: Mit einem beliebigen technischen Bachelor starten die Studierenden in einen dreisemestrigen Master mit Lehrveranstaltungen zu Bildungswissenschaften und Technikdidaktik, dazu studieren sie das fürs Lehramt notwendige Zweitfach: entweder Informationstechnik oder Wirtschaft/Soziales/Politik. Anschließend gehen sie an eine OSZ und absolvieren berufsbegleitend ihr Referendariat, was laut Senatsverwaltung für Fächer „mit dringendem Bedarf“ möglich ist.

Anne König sagt, besonders in den technischen Berufen, „auf die wir in der Transformation angewiesen sind“, würden die wachsenden Lücken an den OSZ Jahr für Jahr mit nicht ausgebildeten Lehrkräften gefüllt, „ohne pädagogische Vorkenntnisse, kombiniert mit studentischen Beschäftigten und anderen Honorarkräften. Das überfordert die sie einarbeitenden Kollegen.“ Gleichzeitig müsse die Zielgruppe, die sich für eine Tätigkeit im Berufsschullehramt interessiert, „massiv erweitert“ werden. Das BHT-Modell ergänze hier die „guten Ansätze“ an der TU.

Ronald Rahmig sagt, das BHT-Modell eröffne Potenziale für Lehramts-Interessenten, die bislang außen vor geblieben seien. „Berufsgruppen, die einen dem Bachelor vergleichbaren Abschluss haben, zum Beispiel Meister in technischen Berufen“. Hier brauche es die Anerkennung ihrer Abschlüsse als Eingangsvoraussetzung für den Master – „oder wenigstens einen attraktiven Anpassungslehrgang.“ Die TU fordert das Gleiche für ihren Q-Master. Und Rahmig hat noch einen zweiten Wunsch an die Bildungspolitik: eine angemessen Unterstützung dieser Seiteneinsteiger bei der Studienfinanzierung. 

Bis Ende Februar können sich Bewerber noch direkt bei der BHT bewerben, der Studiengang ist NC-frei und startet am 1. April. Da die BHT wegen eines Cyber-Angriffs offline ist, geht die Bewerbung nur persönlich vor Ort. 

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