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Der Kinderbuchklassiker von Otfried Preußler erschien erstmals 1966. Seinem Werk widmet das Stabi Kulturwerk jetzt eine eigene Ausstellung. 

© dpa/Daniel Naupold

Berliner Ausstellung zu Otfried Preußler: Ein Werk von hintergründiger Heiterkeit

Vom „kleinen Gespenst“ bis „Krabat“: Die Erzählungen von Otfried Preußler wurden in über 50 Sprachen übersetzt. Die Berliner Staatsbibliothek führt in einer Ausstellung durch die Gedankenwelt des Schriftstellers.

„Kinder brauchen Geschichten“ ist auf dem Grabstein von Otfried Preußler (1923 bis 2013) und seiner Frau Annelies auf dem Friedhof im oberbayerischen Rosenheim zu lesen.  Der Titel der gerade eröffneten Ausstellung zum 100. Geburtstag des Schriftstellers in der Staatsbibliothek zu Berlin erweitert diesen Blick: „Der Mensch braucht Geschichten“, heißt es hier. Ein plausibles Motto: Auch Erwachsene erfassen die Welt schließlich gern in Form von Erzählungen. Die derzeit gängige Rede vom „Narrativ“, dessen sich etwa politische Parteien bedienen, macht das deutlich.

Trotzdem denkt wohl jeder und jede beim Namen Otfried Preußler spontan an den Kinderbuch-Autor, an eigene frühe (Vor-)Leseerfahrungen mit der erst 127 Jahre alten, guten  „kleinen Hexe“, mit dem „kleinen Wassermann“, dem seine Mutter zur Freude der Leser befiehlt, die Stiefel auszuziehen, weil man sich erkälte, wenn man sich unvorsichtigerweise trockene Füße hole, mit dem rührenden kleinen Gespenst oder dem recht verschrobenen und ziemlich verfressenen Räuber Hotzenplotz. Lauter Bücher, die viele Erwachsene selbst als Kind gelesen und später den eigenen Kindern voll Vergnügen vorgelesen haben. Geschichten zudem, die auch kinderlosen Tanten und Onkels ein Begriff sind.

Lehrer in Rosenheim und Best-Seller-Autor

Mit einer Gesamtauflage von 50 Millionen Exemplaren, übersetzt in mehr als 50 Sprachen, sind die Bücher des in der damaligen Tschechoslowakei geborenen und nach dem Zweiten Weltkrieg lange als Lehrer in Rosenheim tätigen Autors nicht nur Best-, sondern Longseller geworden. Ausgaben der Bücher in zahlreichen Sprachen zeugen in der Ausstellung davon. „Die Erzählungen von Otfried Preußler gehören auch 60 Jahre nach ihrem Erscheinen noch zu den Lieblingsbüchern vieler Kinder“, sagt Carola Pohlmann, Kuratorin der Ausstellung und Leiterin der Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin.

50
Millionen Exemplare verkauften sich von Preußlers Romanen.

Ihre Abteilung konnte sich ebenso wie die Abteilung für Handschriften schon vor zehn Jahren darüber freuen, dass Berlin als Aufbewahrungsort für den Preußler-Nachlass bestimmt wurde. Einer der Beweggründe des Kinder- und Jugendbuchautors, sich in dieser Frage für die „Stabi“ zu entscheiden: Auch der Nachlass des von ihm sehr bewunderten romantischen Dichters Joseph von Eichendorff befindet sich hier. Ein Autograph des Verehrten findet sich nun auch in einer Vitrine der der Preußler-Ausstellung.

In den 134 Kisten, die von Rosenheim nach Berlin gingen, lagen unter anderem unzählige Briefe in (meist feinsäuberlicher) Kinderschrift: Fanpost, die der Schriftsteller gewissenhaft beantwortete. Einige der Kinderbriefe sind nun – mit dem Einverständnis der Verfasser:innen oder ihrer Erben – in der Ausstellung zu bewundern. 

Verschiedene kleine Illustrationen und eine anrührende Postkarte an die spätere Ehefrau zeigen, dass Preußler auch ein begabter Zeichner war. In der Kriegsgefangenschaft entstandene Gedichte, die in Abschriften von Mithäftlingen erhalten sind, machen auf den Lyriker aufmerksam. Besonders stolz ist man bei der Stabi aber auch, aus den eigenen Beständen eine Ausgabe des Lesebuchs präsentieren zu können, mit dem Preußler einst im böhmischen Reichenberg/Liberec das Lesen lernte. Es enthält Bebilderungen des Illustrators Ernst Kutzer, dessen Nachlass ebenfalls Bestandteil der Stabi-Sammlung ist.  

Die Nazi-Zeit prägte die Kindheit des Autors

Welche Bedeutung der Nachlass des Kinderbuch-Klassikers für die Forschung hat, darauf verweist das ausgestellte Exemplar der Fachzeitschrift kjl&m, die sich mit Büchern und Medien für Kinder und Jugendliche beschäftigt. Im Sonderheft  „Otfried Preußler revisited“ sind 19 Beiträge zu unterschiedlichen Forschungsperspektiven versammelt.

Unter anderem geht es dort um Preußlers erstes Buch, den Jugendroman „Erntelager Geyer“, das er als Jugendlicher auf der Grundlage eigener Erfahrungen schrieb, das 1944, wahrscheinlich kriegsbedingt, in kleiner Auflage erschien und von dem nur noch wenige Exemplare existieren. Geschildert wird darin der Ernteeinsatz von Jungen des Deutschen Jungvolkes.

Viele der Geschichten von Preußler entstanden morgens auf dem Weg zur Schule. In ein Diktiergerät sprach er seine Geschichten.

© Staatsbibliothek zu Berlin-PK

Die Frage, wie stark Preußler damals von NS-Ideologie geprägt war, wird inzwischen auch in zwei Monographien aufgeworfen, in Carsten Gansels 2022 erschienenem Buch „Kind einer schwierigen Zeit. Otfried Preußlers frühe Jahre“ und in der Biographie, die Tilman Spreckelsen unter dem Titel „Otfried Preußler. Ein Leben in Geschichten“ veröffentlichte.

Warum ich für Kinder schreibe? Weil es mir Spaß macht.

Otfried Preußler

War es auch in der Familie ein Thema? Zwar sei man eine „sehr sprechende Familie“ gewesen, doch über die Traumata habe die Generation ihrer Eltern nicht gesprochen, antwortete auf diese Frage die Historikerin Susanne Preußler-Bitsch, jüngste Tochter von Otfried Preußler, am Donnerstag beim Rundgang durch die Ausstellung.

In schriftlicher Form hat der Autor sich dazu aber geäußert. Manuskripte mit unvollendet gebliebenen Versuchen, frühe Verführung durch die NS-Ideologie, Krieg und Gefangenschaft autobiografisch und literarisch zu verarbeiten, befinden sich weiter im Familienbesitz und sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich.

In „Krabat“ sind seine Erfahrungen eingeflochten

Doch man kann den „Krabat“ lesen, in dem einerseits alter sorbischer Sagenstoff, andererseits aber auch die Lebenserfahrung des Schriftstellers verarbeitet ist. Das Jugendbuch, mit dem sich Preußler über ein Jahrzehnt lang beschäftigte und nach Aussagen seiner Tochter auch quälte, ist 1971 erschienen.

Ein Raum der Ausstellung, gestaltet von der Künstlerin Sophie Meyerhoff im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Universität der Künste Berlin, widmet sich diesem teilweise düsteren Werk Preußlers um einen 14-Jährigen, der in der Nähe von Hoyerswerda bei einem Müller in die Lehre geht, der sich der schwarzen Magie verschrieben hat.

Preußler selbst hat 1998 – nachzulesen auf der ihm gewidmeten Homepage – dazu gesagt: „Mein Krabat [...] ist die Geschichte eines jungen Menschen, der sich mit finsteren Mächten einlässt, von denen er fasziniert ist, bis er erkennt, worauf er sich da eingelassen hat. Es ist zugleich meine Geschichte, die Geschichte meiner Generation, und es ist die Geschichte aller jungen Leute, die mit der Macht und ihren Verlockungen in Berührung kommen und sich darin verstricken.“ 

Neben dieser Geschichte braucht der Mensch auch die heiteren, unbeschwerten. Vor allem Kinder brauchen sie. Auf die Frage, warum er denn für Kinder schreibe, gab Otfried Preußler eine einfache Antwort: „Weil es mir Spaß macht.“

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