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Frank Werneke, Vorsitzender von Verdi, und Bundesinnenministerin Nancy Faeser sitzen sich am Verhandlungstisch in Potsdam gegenüber.

© Imago/Martin Mueller

Zähe Verhandlungen am Templiner See: Kommunale Arbeitgeber zögern mit Angebot

Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst in der entscheidenden Phase. Innenministerin Nancy Faeser wird als Vermittlerin gebraucht.

Donnerstagfrüh ist Schluss. Die Veranstaltungsräume im Kongresshotel am Templiner See sind dann anderweitig vermietet, und der einige hundert Teilnehmer umfassende Tross der Tarifverhandler des öffentlichen Dienstes, der seit Sonntagnachmittag das Potsdamer Hotel belegt, muss raus. Die dritte Runde sollte eigentlich ein Ergebnis bringen für die Einkommen von rund 2,6 Millionen Beschäftigten der Kommunen und beim Bund. Doch nach einem überaus zähem Montag und ebenfalls trägen Beginn am Dienstag zeichnete sich kein Kompromiss ab.

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), der 16 Regionalverbände aus den jeweiligen Bundesländern angehören, war mehr mit sich selbst beschäftigt als mit dem Tarifpartner. Verdi-Chef Frank Werneke als Verhandlungsführer der Gewerkschaften musste stundenlang auf Karin Welge warten. Die SPD-Oberbürgermeisterin aus Gelsenkirchen ist im Ehrenamt Präsidentin der VKA und führt die Verhandlungen auf Seiten der Arbeitgeber gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Welge hat einen undankbaren Job: Zum einen agiert die VKA ebenso heterogen wie die Bundesländer und ist nur schwer auf Linie zu bringen.

Karin Welge, Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), für die Verhandlungen.

© dpa/Carsten Koall

Zum anderen ist Faesers Zahlungsbereitschaft erheblich größer als die der Kommunen; die Personalausgaben machen beim Bund nur 6,6 Prozent aus, die Gemeinden dagegen geben ein Viertel des Budgets für ihre Angestellten aus. Ein Prozent kostet die Kommunen gut eine Milliarde Euro. Verdi fordert 10,5 Prozent, aber mindestens 500 Euro mehr im Monat. Die VKA hat am 23. Februar ein Angebot vorgelegt, inklusive einer steuer- und abgabenfreien Inflationsprämie von 1500 Euro im Mai und weiteren 1000 Euro im nächsten Januar; ferner eine dauerhafte Erhöhung der Entgelte um drei Prozent ab Oktober sowie weitere zwei Prozent im Juni 2024. Die Gewerkschaften – neben Verdi sind der Beamtenbund und die Gewerkschaften der Lehrer und Polizisten beteiligt – haben den Vorschlag als Provokation bewertet und die Warnstreiks intensiviert.

Kommunen gegen Bund

Sie habe es mit zwei Wahlkämpfern zu tun, hat VKA-Chefin Welge dieser Tage geseufzt: Wernekes Wiederwahl steht im September auf dem Verdi-Bundeskongress an, und Anfang Oktober möchte Faeser als Spitzenkandidatin der SPD die Landtagswahl in Hessen gewinnen. Mit einem ordentlichen Tarifabschluss (auf Kosten der Kommunen) könnten beide punkten. Welge darf jedenfalls auf die Unterstützung ihrer Genossin Faeser zählen, wenn es darum geht, die eigenen Reihen zu schließen und mit einem neuen, kompromissfähigen Angebot die Verhandlungen auf die Zielgerade zu bringen. Vielleicht liegen die Position aber auch zu weit auseinander, sodass eine Schlichtung unvermeidlich ist.

So funktioniert Schlichtung

Wenn eine Seite die Schlichtung anruft, dann muss sich die andere Seite darauf einlassen. Die Arbeitgeber haben den früheren sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Georg Milbradt (78) als Schlichter benannt, für die Gewerkschaften ist der ehemalige Bremer Finanz-Staatsrat und SPD-Politiker Hans-Henning Lühr (72) nominiert. Die beiden Herren leiten die Schlichtungskommission mit dem Ziel einer einvernehmlichen Schlichtungsempfehlung. Wenn das nicht gelingt und eine Kampfabstimmung ansteht, ist im Wechsel nur einer der beiden Schlichter stimmberechtigt, in diesem Jahr Verdi-Mann Lühr. Während der Schlichtung sind Streiks verboten. Nach der Schlichtungsempfehlung müssen die Tarifparteien die Verhandlungen binnen drei Tagen wieder aufnehmen.

Kommen Arbeitgeber und Gewerkschaften dann immer noch nicht überein, wird die Urabstimmung für einen unbefristeten Streik eingeleitet. Mindestens 75 Prozent der abstimmenden Verdi-Mitglieder, die unter den umkämpften Tarifvertrag fallen, müssen für den Arbeitskampf votieren. Allein die Urabstimmung nimmt mehrere Wochen in Anspruch, sodass die Zuspitzung des aktuellen Konflikts bis weit in den Mai hineinreichen würde. Das wollen weder Verdi noch die kommunalen Arbeitgeber, denn jeder Streiktag erhöht die Erwartungen der Beschäftigten und das Kostenrisiko für die Arbeitgeber. Mit einer Verständigung bis zum Mittwoch hätten 2,6 Millionen Betroffenen endlich Klarheit, mit welchen Einkommen sie rechnen können.

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