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Bald wohl nur noch Galeria: Eine Galeria-Kaufhof-Filiale in Rostock.

© imago images/BildFunkMV

Namen Karstadt und Kaufhof sollen verschwinden: Wie Deutschlands Kaufhäuser aus der Krise kommen wollen

Perso-Verlängerung im Warenhaus: Mit Konzept und Investitionen will der zu Signa gehörende Konzern Verluste stoppen. Und bewirbt sich um weitere Staatshilfen.

Die Corona-Lockdowns haben die Innenstädte zeitweise leergefegt und den Einzelhandel zu monatelangen Schließungen gezwungen – auch die 131 Kaufhausfilialen von Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) blieben lange geschlossen. Nun hat der wirtschaftlich schwächelnde Kaufhauskonzern einen Neustart angekündigt: „Wir werden uns Ende Oktober mit unserem Konzept Galeria 2.0 strategisch neu aufstellen“, sagte Vorstandschef Miguel Müllenbach dem „Handelsblatt“.

Die Marken „Karstadt“ und „Kaufhof“ werden wohl verschwinden

Er kündigte Umstrukturierungen aller Filialen an und einen einheitlichen Namen für alle Warenhäuser – höchstwahrscheinlich „Galeria“. Die Traditionsnamen „Karstadt“ und „Kaufhof“ könnten also aus den Innenstädten verschwinden.

Überraschend kommt die strategische Neuausrichtung nicht. Warenhäusern – und mit ihnen GKK, der letzten verbleibenden großen Warenhauskette in Deutschland – geht es nicht erst seit Corona, sondern seit Jahren wirtschaftlich schlecht.

Ein Grund für das sogenannte Kaufhaussterben ist der große Erfolg von Billiganbietern und Online-Händlern wie Amazon, deren erfolgreiches Geschäftsmodell den traditionellen Kaufhäusern zu schaffen macht.

Zahlen untermauern das: Seit Ende 2015 etwa kämpfte Kaufhof mit Umsatzrückgängen und roten Zahlen. Der Umsatz von Karstadt ging von 7,6 Milliarden Euro im Jahr 2000 innerhalb der darauffolgenden 19 Jahre auf 2,13 Milliarden in 2018/19 zurück. Insofern ist die Coronakrise nicht der alleinige Auslöser der Krise – auch wenn der Konzern die Lage vor allem auf die Pandemie zurückführt.

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Corona traf GKK mitten im Restrukturierungsprozess. Der Konzern war 2019 aus der Fusion unter anderem der Kaufhausketten Galeria, Kaufhof und Karstadt hervorgegangen. Zu Beginn der Coronakrise, im April 2020, hatte der Warenhaus-Riese ein sogenanntes Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung beantragt. Dieses gilt als Vorstufe der Insolvenz, über zwei Milliarden Euro Schulden wurden GKK erlassen.

Nicht erst seit Corona hat der Konzern massive Probleme

Eine zweite Insolvenz wurde im Januar 2021 mithilfe eines 460-Millionen-Euro-Darlehens des Staates verhindert. Derzeit verhandelt das Unternehmen mit dem Staat um weitere finanzielle Hilfen.

Mit dem nun von Müllenbach angekündigten Konzept will GKK seine Warenhäuser umstrukturieren und erfolgreicher machen. Aber was genau soll passieren? Erstens sollen nach Darstellung des Vorstandschefs die Filialen komplett oder teilweise umgebaut werden, um wieder mehr Menschen anzuziehen. Die Häuser sollen nicht mehr allein durch Waren-, sondern auch durch Service- und Verweilangebote locken.

Zweitens dürfte der Konzern die Namen „Karstadt“ und „Kaufhof“ ablegen. „Wir wollen nach vorne ein Unternehmen mit einer Marke sein“, sagte Müllenbach. Da das Internetangebot schon jetzt den Namen „Galeria.de“ trägt und das vorgestellte Konzept „Galeria 2.0“ heißt, ist plausibel, dass alle Häuser künftig „Galeria“ heißen dürften.

Wie genau man sich, wie Müllenbach ankündigte, „strategisch komplett neu“ aufstellen will, solle im Herbst bekanntgegeben werden. Bis dahin sollen drei Filialen in Frankfurt, Kassel und Kleve zu Pilotfilialen umgebaut werden. Insgesamt plant der Konzern, „in den nächsten drei bis vier Jahren“ zwischen 50 und 60 der 131 GKK-Filialen komplett umzubauen, den Rest teilweise, sagte Müllenbach.

In den Umbau will die Warenhauskette 600 Millionen Euro investieren

600 Millionen Euro sollen dafür mittelfristig investiert werden, sagte der Vorstandschef. 100 Millionen davon sollen in den E-Commerce-Bereich, also ins Onlineshopping-Angebot, fließen.

Das Unternehmen plant außerdem einen neuen Onlineauftritt, sagte Müllenbach und sprach damit eines der größten Probleme der Warenhauskette an: Der Onlinehandel boomt seit Jahren. Laut dem im vergangenen Coronasommer 2020 vorgelegten Insolvenzplan machte der Onlinehandel von GKK kurz vor Corona 4,3 Prozent des Umsatzes aus – sehr wenig, denn in der Modebranche sind es zum Beispiel durchschnittlich 25 Prozent.

Sanierungsfall: Seit Jahren haben die Warenhausketten finanzielle Probleme.
Sanierungsfall: Seit Jahren haben die Warenhausketten finanzielle Probleme.

© Martin Gerten/picture alliance/dpa

Müllenbach räumt diesbezüglich Fehler ein: „Sie können Versäumnisse von Jahrzehnten bei einem Unternehmen dieser Größenordnung nicht über Nacht nachholen.“ Das wolle man ändern, ab Herbst wolle man „online in einer ganz anderen Liga spielen“. Unter anderem sei geplant, Kunden online zu beraten und Kundeninformationen systematisch auszuwerten, um das Angebot im Browser zu personalisieren.

„Wir verfügen aufgrund der Sortimentsbreite nicht nur über viele Kundeninformationen, sondern können die mit unserem Partner Signa CRM Solutions künftig auch entsprechend einsetzen“, sagte er.

Galeria Karstadt Kaufhof ist Teil der Signa Holding des österreichischen Milliardärs René Benko

Die Signa CRM Solutions mit Sitz in München ist laut Informationen der Firma auf dem Portal „Linkedin“ eine Tochter der Signa-Retailgruppe. Die wiederum gehört zu René Benkos Signa Holding, der auch die GKK selbst gehört. Der österreichische Milliardär Benko hatte mit seiner Signa Holding ab 2012 Karstadt übernommen. 2018 kaufte er der kanadischen Handelsgruppe Hudson’s Bay Company auch Kaufhof ab und verschmolz die beiden Warenhausbetreiber 2019 zu einem Unternehmen.

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Damals übernahm er auch etwa 50 Immobilien der Kaufhof-Warenhäuser, gliederte sie aber in eigene Gesellschaften aus und verkaufte einige sogar. Auch die Karstadt-Häuser gehören alle nicht mehr dem GKK-Konzern. Das Unternehmen muss für sämtliche Warenhäuser Miete zahlen.

Insgesamt hat der Konzern laut Müllenbach durch den Lockdown mindestens 1,8 Milliarden Euro an Umsatz verloren. Im Rahmen des Ende September 2020 abgeschlossenen Insolvenzverfahrens wurden dem Konzern mehr als zwei Milliarden Euro Schulden erlassen, 4000 Mitarbeiter:innen verloren ihre Jobs, 40 Filialen wurden geschlossen.

Streitpunkt: Welche Sicherheiten bietet Benkos Holding dem deutschen Staat?

Derzeit wirbt das Unternehmen für erneute finanzielle Unterstützung vom Staat in Form eines Staatskredits – die Verhandlungen mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes laufen noch. Eigentlich hatte man bereits im Mai mit einer Entscheidung gerechnet, doch die Gespräche sind zäh, ein wichtiges Thema ist, welche Sicherheiten der Eigentümer, die Signa Holding des Investors Benko, bieten soll.

Ursprünglich war von einem Kredit in Höhe von 200 Millionen Euro die Rede, doch mittlerweile geht es wohl um eine deutlich geringere Summe, in Unternehmenskreisen ist laut „Handelsblatt“ zu hören, dass der Betrag nur noch unwesentlich höher als 50 Millionen Euro sein dürfte. Eine Einigung wird in Kürze erwartet.

Aktuell bewirbt sich der Konzern um weitere Staatshilfen - 460 Millionen hat er 2020 schon bekommen

Vor diesem Hintergrund ist die jetzige Ankündigung des „Galeria 2.0“-Konzepts womöglich auch als Werben um Staatshilfen zu werten, als Signal, dass man sich bemüht und der Öffentlichkeit etwas zurückgeben wolle.

Dafür spricht insbesondere, dass Vorstandschef Müllenbach auf Themen anspielt, die die Stadtpolitik aktuell umtreibt. Er sagte etwa, man wolle regionale Warenangebote integrieren sowie Fahrradwerkstätten, E-Bike-Ladestationen, Ausstellungen und „Bürgerdienste“, die von der Stadt in Karstadtfilalen bereitgestellt würden. Man wolle „mit den Innenstädten verschmelzen“, das „vernetzte Herz der Innenstadt werden“, sagte Müllenhauer.

Ermöglicht werden soll das unter anderem durch eine App des Konzerns, über die man Services der GKK und ihrer Partner buchen könne. Man könne damit „sogar die Abholung eines neuen Personalausweises vereinbaren“. Wie genau das funktionieren soll und was davon praktisch umsetzbar ist, könnte sich im Oktober klären: Dann will der Konzern sein neues Konzept detailliert vorstellen.

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