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Ein Flugzeug der Lufthansa am Flughafen Frankfurt.

© REUTERS/Kai Pfaffenbach//File Photo

Luftfahrt: Lufthansa erlebt IT-Meltdown in Frankfurt

In Frankfurt erlebt Lufthansa den Zusammenbruch der Check-in-Systeme – der Betrieb kommt stundenlang zum Erliegen. Am Freitag finden an sieben Flughäfen Streiks statt.

Los ging es mit einem schweren Wintersturm über Nord-Amerika kurz vor Weihnachten 2022, der bei allen US-Airlines zu Flugausfällen und Verspätungen führte. Die gingen wieder zurück, als sich das Wetter besserte, nur bei Southwest Airlines wurde alles schlimmer. An den Tagen nach Weihnachten fielen bis zu 70 Prozent der Flüge aus. Der Hauptgrund: veraltete Dispatching-Software, die sich vom Chaos durch das schlechte Wetter nicht erholte. Rund zwei Millionen Passagiere konnten nicht wie geplant abheben.

Gerade als sich Southwest dann wieder erholte, traf es zum Jahresende die Flugaufsichtsbehörde FAA. Die musste plötzlich ein System rebooten, das automatische Wetter- und Sicherheitsinfos (NOTAM) an Piloten übermittelt. Für mehr als anderthalb Stunden konnte im ganzen Land kein Flugzeug abheben – zum ersten Mal seit dem erzwungenen Stopp am 11. September 2001.

Seitdem gibt es im Land eine Debatte über den Zustand der IT bei Airlines und im Luftverkehrssystem insgesamt. Mit Southwest hat es allerdings auch eine Airline getroffen, die dafür bekannt ist, technisch hinterherzuhinken. Die größte US-Billigfluggesellschaft sparte in der Vergangenheit gerade im Software-Bereich an Investitionen oder wuchs schlicht zu schnell, um mit der Entwicklung mitzuhalten. Dennoch: „Die Fluggesellschaften haben keine Kapazitätsreserven, und die Passagierzahlen sind auf einem Rekordhoch, was bedeutet, dass ein einziger Ausfall zum Systemkollaps führt“, moniert die „New York Times“. Zudem hätten Investitionsanreize zur Modernisierung gefehlt.

Durchtrennter Kabelstrang legt System lahm

Fehlende Redundanz bei IT-Systemen am Boden bekam gestern auch Lufthansa zu spüren. Nach Angaben der Deutschen Bahn wurde schon am Dienstagabend an der Baustelle für die Frankfurter Linie S6 „durch ein beauftragtes Bauunternehmen gegen 19 Uhr ein Kabel in einem Kabelbündel der Telekom AG durchtrennt“. Seit Mittwochmorgen waren in Frankfurt die Computersysteme der Lufthansa unter anderem für das Einsteigen nicht mehr betriebsbereit. Warum die Störung erst zeitversetzt eintrat, war zunächst offen. Laut Deutsche Telekom wurden zwei betroffene Kabel über Nacht instand gesetzt.

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Tausende Passagiere mit Verbindungen über das Drehkreuz Frankfurt waren in der Folge von Verspätungen und Ausfällen betroffen. Passagiere innerdeutscher Flüge wurden gebeten, auf die Bahn umzusteigen. Der Frankfurter Flughafen wurde für rund drei Stunden gesperrt und am frühen Nachmittag für Landungen wieder freigegeben.

Der Grund für den massenhaften Ausfall ist ein durchtrenntes Kabel – wie schon im Oktober, als im Norden Deutschlands über Stunden kaum ein Zug fahren konnte, bemängeln Experten. Die Panne zeige, dass die Airline „sich womöglich besser gegen Störungen der kritischen Infrastruktur wappnen muss, beispielsweise durch die Installierung eines effizienten Back-ups“, so der Börsen-Analyst Carsten Kaletta. Wann genau der Betrieb wieder stabil ist, war gestern Nachmittag unklar. Bei Lufthansa stand den Planern eine Nachtschicht bevor, um den Einsatz von Maschinen und Crews neu zu organisieren und die Passagiere umzubuchen.

Auf den Ausfall folgt der Streik

Wenig hilfreich ist dabei der für Freitag angekündigte Verdi-Streik an sieben deutschen Flughäfen, der auch die Drehkreuze Frankfurt und München lahmzulegen droht. Um einen schnellen Wiederanlauf am Samstag zu gewährleisten, müssen die Jets daher bereits am Donnerstagabend an die richtige Position gebracht werden. Mit einigen Verspätungen ist daher auch am Donnerstag zu rechnen.

Die Gewerkschaft weitet den Tarifstreit im Öffentlichen Dienst auf Flughäfen aus. Die Beschäftigten der Betreibergesellschaften werden häufig nach den Tarifverträgen der Kommunen bezahlt. Der Warnstreik soll am frühen Freitagmorgen beginnen und in der Nacht auf Samstag enden. Hilfslieferungen zu den Erdbebenopfern in der Türkei und Syrien sollen vom Streik ausgenommen sein.

Die neuerlichen Streiks sorgen für Wut in der Branche. „Die für Freitag angekündigten flächendeckenden Streiks an mehreren Flughäfen haben mit dem Instrument des Warnstreiks nichts mehr zu tun. Hiermit überspannt Verdi den Bogen völlig und trägt den Tarifkonflikt auf dem Rücken der Passagiere aus“, erregte sich Jost Lammers, Chef des Luftfahrtverbands BDL. Es sei mit massiven Behinderungen zu rechnen, die Arbeitsniederlegungen seien völlig unangemessen, pflichtete der Flughafenverband ADV bei.

Bezüglich der IT will Lufthansa nun erstmal die Sachlage klären, Schuldzuweisungen werden vermieden. Eine Bahnsprecherin sagte, die Frage nach der Haftung komme zu früh. „Derzeit klären wir zusammen mit der Telekom und dem bauausführenden Unternehmen, wie es zu dem Schaden kommen konnte.“

In den USA wird mittlerweile eine Digitalisierungsoffensive bei Airlines, Dienstleistern und Flughäfen angemahnt. Dabei geht es ihnen nicht so sehr um die Einführung neuer Systeme, sondern das bestehende soll für das komplexe Alltagsgeschäft im Luftverkehr auf den neuesten Stand gebracht werden und Flaschenhälse beseitigt werden.

Die würden aber bleiben, solange es den Fluggesellschaften erlaubt sei, „diese hauchdünnen Reserven vorzuhalten, bei denen Massenverspätungen und Annullierungen nur einen Sturm, einen Mechanikerstreik oder ein IT-Softwareproblem entfernt sind", so der Luftfahrtexperte Kyle Potter.

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