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Der überfüllte Hamburger Hauptbahnhof am Freitagmittag (08.09.2023)

© Miriam Rathje

Update

Linksextremistisches Bekennerschreiben aufgetaucht: Bahnstrecke zwischen Berlin und Hamburg noch bis Samstag gestört

Es gibt massive Störungen auf den ICE-Strecken Hamburg-Berlin und Hamburg-Rostock. Kabelschächte hatten gebrannt. Der Verkehrsminister spricht von einer „Form von Terrorismus“.

| Update:

Am Donnerstag standen in München viele Züge still, nachdem ein Bagger eine Oberleitung beschädigt hatte. Nun informiert die Deutsche Bahn über einen erneuten großen Ausfall. Er betrifft den Norden. An drei Orten an Bahnstrecken hatten in der Nacht zu Freitag in der Hansestadt Kabelschächte gebrannt. 

Der Bahnverkehr zwischen Hamburg und Berlin dürfte laut einer Unternehmenssprecherin noch bis zum Samstag gestört sein. „Eine Wiederaufnahme des Verkehrs zwischen Hamburg und Berlin ist voraussichtlich erst im Laufe des Samstagmorgens wieder möglich“, teilte eine Bahnsprecherin am Freitag mit.

Seitens der Bahn hieß es zuvor: „Aufgrund von Vandalismusschäden“ kommt es zwischen Hamburg / Berlin und Hamburg / Rostock im Fernverkehr zu Verspätungen und Zugausfällen. Wie die Polizei am Freitag in Hamburg mitteilte, gehen die Ermittler dabei von einem politischen Motiv als Hintergrund aus

Betroffen sind folgende Verbindungen:

  • ICE-/IC-/EC-Züge Hamburg – Berlin – Erfurt – Süddeutschland fallen zwischen Hamburg und Berlin aus.
  • ICE-/IC-Züge zwischen Hamburg – Rostock – Stralsund (– Ostseebad Binz) fallen zwischen Hamburg und Rostock / Stralsund / Ostseebad Binz aus.

Die stündlichen ICE-Verbindungen zwischen Hamburg und Berlin wurden demnach umgeleitet. Auf diesen Strecken seien Verspätungen zwischen 30 und 60 Minuten sowie eine hohe Auslastung zu erwarten. 

Aus der Online-Fahrplanauskunft der DB ging hervor, dass etwa zwei Drittel der ICE-Verbindungen zwischen Hamburg und Berlin aktuell ausfallen. Auch auf der Strecke zwischen Hamburg, Rostock, Stralsund und Ostseebad Binz fielen zig Züge aus.

Feuerwehr verweist auf Brände in Kabelschächten

Ein Sprecher der Hamburger Feuerwehr berichtete, dass es in der Nacht zu Freitag in mehreren Stadtteilen zu Bränden in Kabelschächten der Deutschen Bahn gekommen sei.

Dabei seien Versorgungsleitungen für Signal- und Kommunikationstechnik betroffen gewesen. Auch ein DB-Sprecher sagte, dass ein Brand „an der Infrastruktur der Deutschen Bahn in Hamburg“ die Ausfälle verursacht habe.


Linksextremistisches Bekennerschreiben veröffentlicht

Auf der Plattform „indymedia.org“ bekannte sich eine Gruppe zu Sabotage an „Verkehrsadern der kapitalistischen Infrastruktur“. Laut Polizei ist das Schreiben nun Bestandteil der Ermittlungen.

Das Ziel der Gruppe war den eigenen Angaben zufolge, den Hamburger Hafen mit der Aktion zu treffen. Weiter heißt es im Schreiben: „Wir wählten dafür mehrere neuralgische Punkte des Güterverkehrs und haben uns in diesem Fall dazu entschieden uns auf Streckenabschnitte zu beschränken, die nicht für den Personenverkehr genutzt werden.“ Dieser Plan ist, wie die Auswirkungen auf den Personenfernverkehr zeigen, allerdings misslungen.

Weiter heißt es: „In Hamburg werden jährlich Millionen von Tonnen Waren und Rohstoffe umgeschlagen, die den Reichtum der Ausbeuter_innen des globalen Nordens zuungunsten des sogenannten globalen Südens mehren. Wir wollten hiermit eine reale Delle in diese Maschinerie setzen.“

Gleichzeitig wollte die Gruppe nach eigener Aussage Solidarität zeigen: Wir schließen uns außerdem dem sich ausweitenden Kampf gegen das Infrastrukturprojekt ,Tren Maya’ in Mexiko mit Beteiligung deutscher Unternehmen wie der Deutschen Bahn an, deren Infrastruktur wir als geeignetes Angriffsziel sehen um auch hier unserer Solidarität zu zeigen.“

Warenumschlag im Hafen lief weiter

Nach den mutmaßlichen Brandanschlägen in der Nacht kam der Schienengüterverkehr rund um den Hamburger Hafen zeitweilig weitgehend zum Erliegen, heißt es aus Branchenkreisen. Doch gegen Mittag sei der Verkehr langsam wieder hochgefahren.

Einer der Brände betraf eine Strecke der Hamburger Hafenbahn. Das rund 305 Kilometer lange Gleisnetz verbindet die Terminals des Hafens mit dem Streckennetz der Deutschen Bahn. Es wird von der Hamburg Port Authority betrieben. Wie die Hafenbehörde dem Tagesspiegel mitteilte, war der Osthafen allerdings nicht von Störungen betroffen. Im westlichen Hafen mit den Terminals Eurogate und Burchardkai erfolge der Betrieb der Hafenbahn seit den Mittagsstunden mit Einschränkungen.

Bahn-Sicherheitschef verurteilt Anschlag „auf das Schärfste“

Der Sicherheitschef der Deutschen Bahn hat den mutmaßlichen Anschlag auf die Infrastruktur in Hamburg „auf das Schärfste“ verurteilt.

„Menschen, die mit uns reisen möchten – mit einem der klimafreundlichsten Verkehrsmittel – sind massiv von Zugausfällen und Verspätungen betroffen und erreichen ihre Ziele nicht“, sagte Hans-Hilmar Rischke am Freitag. „Wir sind im engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden und hoffen auf schnelle Fahndungserfolge.“ 

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) forderte ein konsequentes Durchgreifen des Rechtsstaats. „Solche Anschläge sind eine Form von Terrorismus“, sagte Wissing auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. „Wir können nur von Glück sprechen, dass kein Mensch körperlichen Schaden erlitten hat.“

Solche Anschläge erschwerten neben dem Personenverkehr auch die sichere Versorgung mit zum Teil lebensnotwendigen Gütern. „Ich erwarte, dass der Rechtsstaat hier konsequent durchgreift. Der gesellschaftliche Konsens muss sein, dass wir jegliche Gewalt und Extremismus ächten“, sagte Wissing.

Die Klimaaktivisten der Letzten Generation hätten mit ihren Aktionen die Hemmschwelle für Eingriffe in den Verkehr weiter abgesenkt. „Wir dürfen aber nicht abstumpfen gegenüber folgenschweren, gefährlichen Aktionen, bei denen Menschen sich und andere gefährden“, meinte der FDP-Politiker.

„Komplettes Chaos“

Tagesspiegel-Redakteurin Miriam Rathje fuhr am Freitagvormittag von Berlin aus auf einer alternativen Strecke über Hannover in Richtung Hamburg. Ihr Zug musste immer wieder anhalten.

Der Grund bestand wohl darin, dass viele Züge über ein Nadelöhr über Hannover umgeleitet wurden. Die Situation auf der Strecke, auf den Bahnhöfen und in den komplett überfüllten Zügen sei ein „komplettes Chaos“.

„Alle hinsetzen bitte, egal wo!“

Eine Schulklasse stieg bei Lüneburg in den völlig überfüllten Zug ein und berichtete, dass sie zuvor eine Stunde in der prallen Sonne gewartet hätten. Draußen stand eine weitere Klasse, die noch in diesen Zug hereinmuss, so die Lehrerin.

„Alle hinsetzen bitte, egal wo!“, rief die Lehrerin durchs Abteil. Eine Schülerin blaffte zurück: „Na toll. Dann sitzen wir halt auf dem Boden.“

Auch Nahverkehrsverbindungen betroffen

Nahverkehrsverbindungen seien laut Bahn ebenfalls von den Behinderungen betroffen. „Die Fernverkehrszüge werden teilweise über Uelzen umgeleitet oder fallen aus“, hieß es weiter von der Bahn.

Umleitungen über Uelzen verursachen auf der Strecke zwischen Hamburg und Berlin in der Regel rund 30 Minuten Verspätung.

„Als Alternative sind auch Fahrten mit Umstieg in Hannover möglich. Dadurch verlängert sich jeweils die Fahrtzeit“, sagte ein DB-Sprecher. (Tsp/csg/mira/TMA/dpa/AFP)

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