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Susanne Klabe ist seit 2015 Geschäftsführerin des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) Landesverband Berlin/Brandenburg e.V.

© Claudius Pflug

„An den Stellschrauben arbeiten“: Was die Berliner Politik für den Neubau tun kann

Die Immobilienexpertin Susanne Klabe erwartet keinen raschen Bauboom. Sie hofft aber auf eine Beschleunigung bei Anträgen und Genehmigungen. Ein Interview.

Frau Klabe, Sie vertreten die mittelständischen Bauträger und Entwickler in Ihrem Berlin-Brandenburger Landesverband des BFW (Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen). Ihre Mitgliedsunternehmen haben im Schnitt zwischen fünf und 7000 Wohneinheiten jährlich fertiggestellt. Was hören Sie aus Ihren Reihen zur Regierungskoalition in Berlin?
Die Bauträger signalisieren mir Hoffnung auf Besserung bei den hausgemachten Themen. Das ist auch deshalb dringend notwendig, weil alle anderen Faktoren – wie Fehlentwicklungen von Preisen, Inflation, Fachkräftemangel – kaum beeinflussbar sind. Hier regional geht es aber um die Fragen: Wie gestalten wir unsere Landesgesetze? Wie setzen wir sie in der Verwaltung um? Wie schnell sind wir denn? Das sind die einzigen Stellschrauben, an denen man arbeiten kann.

Hoffnung brauchen wir gewiss. Denn die Absichtserklärungen, nun endlich mehr Wohnungen zu bauen, hörten wir schon zu Zeiten Klaus Wowereits. Worauf gründen sich Ihre Hoffnungen?
Es ist richtig, dass die bloße Benennung von Zahlen noch kein Anlass zur Hoffnung ist. Denn in die Richtung dieser Zahlen wird man nicht kommen, wenn man bis zum Ende des Planungs- und Genehmigungsverfahrens in Berlin vonseiten des Landes nicht schneller und besser wird. Die Frage, wie lange ein Bauvorhaben tatsächlich vom Beginn der Erdarbeiten dauert, hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht dramatisch verlängert. Zum Thema Beschleunigung und Vereinfachung von Verfahren stehen im Koalitionsvertrag immerhin einige Ausführungen, die sich mit der Frage beschäftigen. Wir behalten den „Reparaturbetrieb“ bei, den die letzte Koalition aufgesetzt hat. Stichwort ist die berühmte Projektliste aus dem Bündnis für Neubau und bezahlbares Wohnen mit den Sitzungen der Senatskommission zu planerisch festgefahrenen Bauvorhaben. Allerdings: Zur Ursachenbekämpfung ist noch nicht sehr viel Fleisch am Knochen.

Wir müssen die Berliner Bauordnung noch einmal gemeinsam ansehen.

Susanne Klabe, Geschäftsführerin des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) Landesverband Berlin/Brandenburg e.V.

Sie haben in einer Mitteilung zum Amtsantritt des neuen Bausenators Christian Gaebler geschrieben, dass man sich im Landes- und Bundesrecht bis dato ein umfangreiches Regelwerk gegönnt hat, das den Planungs- und Genehmigungsprozess und den Wohnungsbau teuer macht. Was sollte denn dringlichst geändert werden? Was hätte denn mit Blick auf die Baugenehmigung den größten Effekt?
Die Entscheidung, ob ich in Berlin ein Bauvorhaben starte oder in einem anderen schönen Bundesland, hängt auch mit den Erfahrungen zusammen. Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt es? Wie sind Verfahren und Abläufe strukturiert? Wenn unter schwierigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gebaut werden soll, geht man an Standorte, in denen wenigstens Verlässlichkeit und zeitliche Abläufe stimmen. Wir arbeiten im Moment an einer „Blacklist“: Welche Vorschriften bereiten auf Landesebene besondere Schwierigkeiten? Wir müssen die Berliner Bauordnung noch einmal gemeinsam ansehen und die entsprechenden begleitenden Regelwerke. Wo kann man bei standardisierten Projekten mit Genehmigungsfiktionen arbeiten? Da würden wir gerne mit Bezirken ähnlich vorgehen, wie das auf der Bundesebene bereits in der Diskussion ist. Wir sollten auf Landesebene ein Regelwerk haben, bei dem ein Projekt, das bei halbwegs vergleichbaren Rahmenbedingungen in Treptow-Köpenick schon erfolgreich gebaut wurde, auch in Reinickendorf unkompliziert eine Genehmigung bekommt.

Kommen wir noch einmal zum Thema Hoffnungen. Christian Gaebler steht ja seit vielen Jahren mit im Zentrum der Berliner Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik. Das Bauressort wurde, von dem Interregnum Lompscher/Scheel mal abgesehen, vor allem von der SPD geführt. Das Ergebnis ist nicht sehr überzeugend. Was macht Herrn Gaebler zum Hoffnungsträger?
Es hilft, wenn ein erfahrener Verwaltungsmann Bausenator ist. Er hat schnelleren Zugriff auf bestimmte Themen, um dann Lösungen zu entwickeln.

Berlins Bezirke sind manchmal sperrig, wenn es um Bebauungspläne geht. Glauben Sie, dass Herr Gaebler bestimmte Bauprojekte eher auf die Senatsebene und damit an sich ziehen wird, als Frau Lompscher und Herr Scheel das getan haben?
Da fällt mir im Moment eine Einschätzung noch schwer. Am Ende des Tages wird der Senat, wird die Politik vom Wähler gefragt werden: Was hast du für den Wohnungsneubau getan? Das ist ein sehr, sehr wichtiger Gradmesser. Man wird in dreieinhalb Jahren keine Fertigstellungszahlen signifikant nach oben schieben. Aber man wird sehen, was bei den Anträgen, bei den Genehmigungen passiert.

Sie meinen die Tendenz...
Ja! Sie brauchen die politischen Verantwortlichen, die jedem Verfahren Unterstützung statt Ablehnung bieten, egal ob im Baugenehmigungsverfahren oder Planungsrecht. Und Sie brauchen Menschen, die verstehen, dass man mit jedem Verfahrensschritt Verantwortung dafür trägt, ob und wie schnell in der Stadt Wohnungen gebaut werden und Menschen ein Dach über den Kopf bekommen. Vom Sachbearbeiter über die Stadträtin bis zum Senator. Wenn Sie ein Gutachten drei, vier, fünf Mal im Laufe eines Verfahrens beauftragen, kostet es nicht nur den Unternehmer einen Haufen Geld, sondern es wird sich am Ende in den Baukosten widerspiegeln. Und es sorgt auch dafür, dass es langsamer geht.

Sie appellieren an den Gemeinsinn. Ist denn im Koalitionsvertrag alles drin, was man für die nächsten dreieinhalb, vier Jahre braucht?
Was ein Koalitionsvertrag nicht wirklich leisten kann, ist die Neubauförderung. Da rede ich über das Thema strukturelle Veränderungen. Es wird zum Oktober eine Überarbeitung der Förderbedingungen geben, die vermutlich auf der Basis der jetzigen Struktur fortgeschrieben ist. Wir brauchen aber ein Bekenntnis für Förderstrukturen, die nicht nur auf die städtischen Gesellschaften und die Genossenschaften ausgerichtet sind, sondern auch auf die Privaten.

Wie wird denn zum Beispiel der Bau von Sozialwohnungen wieder interessant für Projektentwickler? Woher soll die Rendite kommen? Also vielleicht dann aus einer finanziellen Förderung? Wäre das ein Mechanismus, den man gut finden müsste?
Man wird nicht alle Probleme lösen können, indem man Förderungen in beliebiger Höhe für alle und alles ausreicht. Wenn man weiß, dass ein Viertel der Kostensteigerungen in den zurückliegenden zwanzig Jahren auf Verfahren und öffentliche Anforderungen zurückgeht, dann weiß man, wo man zur Entlastung der Förderung den Hebel ansetzen muss. Für die Finanzierung von Projekten klafft eine Lücke zwischen dem, was sich über spätere Mieten refinanziert, und dem, was ich vorher an Baukosten aufwenden musste. Wenn ich heute Baukosten pro Quadratmeter Wohnfläche habe, die zu Mieten zwischen 20 und 25 Euro führen, wissen wir: In dieser Preisklasse braucht diese Stadt nicht unbegrenzt weiteren Wohnraum. Die Musik spielt in der groben Richtung bis 15 Euro. Das ist die Spanne, in der eine Menge gebaut werden muss – und zwar nicht nur für die, die sich nur eine Miete von 6,50 Euro leisten können. Sondern auch für das ganz große Segment in der Mitte, für die Menschen, die wegen ihres Einkommens bisher aus dem preisgedämpften Wohnraum herausfallen, für die 20 bis 25 Euro pro Quadratmeter aber völlig illusorisch sind. Dieser Bereich muss mit der Förderung besser abgedeckt werden.

Wir werden uns in dieser Stadt von dem Gedanken verabschieden müssen, dass es „einfache“ Grundstücke gibt, auf die man schnell mal etwas draufsetzen kann.

Susanne Klabe, Geschäftsführerin des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) Landesverband Berlin/Brandenburg e.V.

Sie meinen das Wohngeld? 
Unser Thema ist der einkommensorientierte Zuschuss. Es hatte diesen Zuschuss interessanterweise unter Rot-Rot-Grün in den Förderbedingungen schon eine kurze Zeit gegeben. Es wird alle zwei Jahre das Einkommen überprüft und der Eigentümer erhält dann die Differenz, die zwischen der abgesenkten Miete, die der Mieter leisten kann und der, die der Vermieter eigentlich braucht. Das kann man auch so gestalten, dass man konkret rechnet, wie die Miete auf die gesamte Laufzeit von 30 Jahren Bindung aussehen muss, sodass man später keine überraschenden Sprünge erlebt. Das wäre verbindlich.

Wie hoch sind denn Ihre Kosten ohne den Grundstückserwerb, um einen Neubau anzugehen?
Da reden wir über 5.000 Euro für den Quadratmeter Wohnfläche. Interessanterweise gibt es eine aktuelle Studie vom Institut der ARGE Kiel, die für die Großstädte mit angespannten Wohnungsmärkten auf ziemlich exakt vergleichbare Zahlen kommt.

Das ist eine ganze Menge. Bundesbauministerin Klara Geywitz hält ja an dem Ziel fest – ab 2024 hat sie neuerdings gesagt – jährlich 400.000 Wohnungen auf Bundesebene bauen zu lassen. Berlin will 20.000 verwirklichen. Also das ist nicht zu schaffen. Sollte der Bund hier viel stärker selbst in den Wohnungsbau einsteigen?
Wir werden uns in dieser Stadt von dem Gedanken verabschieden müssen, dass es „einfache“ Grundstücke gibt, auf die man schnell mal etwas draufsetzen kann. Alles was man heute anfängt, ist komplex und damit auch am Ende im Zweifel teuer. Der Bund ist tatsächlich selbst im Wohnungsbau auf seinen Flächen tätig. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BimA) baut Wohnungen für ihre eigenen Beschäftigten.

Wie gestalten wir unsere Landesgesetze? Wie setzen wir sie in der Verwaltung um? Wie schnell sind wir? Das sind die einzigen Stellschrauben, an denen man arbeiten kann.

Susanne Klabe, Geschäftsführerin des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) Landesverband Berlin/Brandenburg e.V.

Sie haben über die Komplexität von Bauvorhaben gesprochen. Es kommt jetzt auch noch die Heizungswende hinzu. Halten Sie diese Pläne in einer Großstadt für umsetzbar? Wir sehen und hören vor allem Hunderte oder Tausende von Wärmepumpen leise vor sich hin surren in unseren Kiezen.
Das dem Gesetz offensichtlich zugrunde liegende bauliche Leitbild ist in Seitenstraßen des Kurfürstendamms nicht ansatzweise gelebte Realität. Wenn Sie dort klimapolitisch Lösungsansätze verfolgen wollen, müssen Sie das im ganzen Quartier tun. Sie brauchen vielleicht Lösungsansätze, wie eine Art „Quartiersmanagement Energie“. Ein Beispiel: Sie haben in einem kurzen Stück Uhlandstraße vielleicht 25 Eigentümer mit drei Erbengemeinschaften hintendran, die alle unterschiedliche Vorstellungen haben, wie mit dem Thema Energie umgegangen werden soll. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass in einer gebauten Stadt an vielen Stellen bestimmte Dinge technisch gar nicht funktionieren. Das hat nichts mit Ablehnung von neuen Technologien zu tun, sondern damit, dass sich bestimmte Dinge schlicht technisch nicht auf einem kleinen Grundstück mit vorhandener Bebauung realisieren lassen. Wenn Sie ein ausgebautes Dach haben, sind Sie beim Thema Photovoltaik nur begrenzt handlungsfähig auf dem Dach. Wenn dazu noch Denkmalschutz kommt, wird es zusätzlich schwierig. Und wenn Sie dann sagen okay, ich gucke mir mal an, ob wir hier vielleicht eine Pelletheizung unterbringen, dann haben wir das Thema der Lagerung der Pellets. Was machen Sie, wenn Grundstück oder Gebäude die notwendigen Flächen nicht hergeben?

Sie würden hier die Quartierslösung an vorderster Stelle sehen? Die Frage stellt sich auch bei den Gebieten, die Berlin neu entwickeln will, wie etwa den Blankenburger Süden.
Die neue Landesregierung wird sich vermutlich diese Projekte alle anschauen mit dem Ziel: Wie können wir hier noch Dinge anders aufsetzen? Allerdings bitte nicht mit dem Ergebnis, dass man jetzt plötzlich wieder zehn Jahre später ist in der Fertigstellung, sondern mit dem Ziel, trotzdem eine halbwegs vernünftige Reaktionszeit zu behalten. Das heißt, wir brauchen für genau dieses Thema einen Plan.

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