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Wohin geht's mit der Lufthansa? Großaktionär Thiele hat es in der Hand, was geschieht.

© dpa

Heinz Hermann Thiele: Wer ist der Mann, der das Rettungspaket für die Lufthansa zu Fall bringen kann?

Der Milliardär Heinz Hermann Thiele ist in der Coronakrise zum größten Lufthansa-Aktionär aufgestiegen. Er könnte das Rettungspaket platzen lassen.

Wochenlang sagte er kein Wort. Dann, wenige Tage vor der schicksalhaften Hauptversammlung der Lufthansa, krachte der größte Kranich-Aktionär im Stil eines Splash Divers in die Rettungsmission hinein.

Milliardär Heinz Hermann Thiele, einer der zehn reichsten Deutschen, hat in den vergangenen Wochen seinen Anteil am Airline-Konzern zu Spottpreisen von zehn auf 15 Prozent aufgestockt. Doch er lässt offen, ob er am nächsten Donnerstag für das mühsam mit der Regierung ausgehandelte Finanzpaket stimmt – oder dagegen. Es geht um 130.000 Arbeitsplätze.

„Die Lufthansa braucht für Sanierung und Gesundung keine Staatsbeteiligung", sagte Thiele der „FAZ“. Nun solle nachverhandelt werden, dann wolle er sich eine „abschließende Meinung“ bilden.

Der Familienunternehmer, der den Bahntechnikkonzern Knorr-Bremse zum Weltmarktführer formte, will persönlich mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sprechen, um seinen Willen zu bekommen.

Tatsächlich hat Thiele es in der Hand, was geschieht: Gegen seine Stimmen könnte das Rettungspaket in der Hauptversammlung scheitern, wenn zu wenige andere Anteilseigner teilnehmen, was wahrscheinlich ist, wie die Lufthansa warnt.

Thiele, ein Kriegskind, dessen Familie damals alles verlor, hat eine Tellerwäscher-zum-Milliardär-Geschichte geschrieben.
Thiele, ein Kriegskind, dessen Familie damals alles verlor, hat eine Tellerwäscher-zum-Milliardär-Geschichte geschrieben.

© imago images/ITAR-TASS

Über die Motive des Milliardärs wird viel spekuliert

Da es unwahrscheinlich ist, dass die Regierung das Paket noch einmal komplett aufschnürt, darf über die genauen Motive des Milliardärs spekuliert werden. Es machen schon Gerüchte die Runde, dass Thiele auch bei einer Zerschlagung des Konzerns am Ende Geld verdienen könnte – etwa, wenn Sparten wie Lufthansa Technik, die einzelnen Tochter-Airlines wie Swiss und die Flugzeuge versilbert werden. Ein Familienunternehmer als Kranich-Heuschrecke – ob der 79-Jährige wirklich so in Erinnerung bleiben will?

Die Aktionäre seien „überfallartig“ damit konfrontiert worden, dass sie durch die Kapitalerhöhung für den Staatseinstieg einen Wertverlust ihres Eigentums akzeptieren müssten und der Bund durch den niedrigen Einstiegskurs zum Profiteur werde, kritisierte Thiele. Überfallartig? Tatsächlich zogen sich die Verhandlungen monatelang hin. Anfangs sah es sogar nach 25 Prozent der Anteile und einer Sperrminorität für den Bund aus.

Es droht ein wirtschaftspolitischer Scherbenhaufen

Dagegen kämpfte die Lufthansa zwar, was aber wenig genützt hätte, wenn der Union nicht noch aufgefallen wäre, dass das schlecht zu ihrer Ludwig-Erhard-Linie passt. Nun sollen es 20 Prozent werden.

Dass der Einstieg der Regierung in dieser Höhe riskant ist, darauf hatte die Lufthansa früh hingewiesen. Eine Zehn-Prozent-Beteiligung etwa bräuchte keine Zustimmung der Hauptversammlung und damit von Thiele. Scheitert die Neun-Milliarden-Rettung deshalb, steht die Bundesregierung vor einem wirtschaftspolitischen Scherbenhaufen.

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Bei einem Aus für das Rettungspaket würde Lufthansa in ein Schutzschirmverfahren gezwungen. Das wäre zwar keine Insolvenz, würde durch den noch höheren Sanierungsdruck aber auf einen Kahlschlag hinauslaufen. Nach Ansicht von anderen Aktionären ist es zwar schmerzhaft, dass ihre Anteile durch den Staatseinstieg verwässert und damit wertloser werden. Das Risiko eines Schutzschirmverfahren wäre aber viel höher. An dieser Lesart zweifelt Thiele aber offenbar. „Meines Erachtens sind nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden“, sagte er. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hätte härter verhandeln sollen. Seine Sorge sei, dass der Staat nicht „minimalinvasiv“ vorgehe, so Thiele, sondern sich doch mehr einmische als versprochen – wenn es etwa ernst wird mit dem Stellenabbau.

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Es dürften aufreibende Tage werden in Frankfurt. Denn eines, womit der 79-Jährige bislang selten aufgefallen ist, ist eine ausgeprägte Freude an Kompromissen. Aber dann hätte Thiele vielleicht auch nicht eine so imposante Unternehmerkarriere hingelegt. Der Jurist fing einst als Sachbearbeiter bei Knorr-Bremse an, zehn Jahre später saß er im Vorstand, ab 1985 dann als Vorsitzender.

Als sich die Erben zerstritten, kaufte Thiele das Unternehmen und formte aus dem sanierungsbedürftigen Bremsenhersteller einen Hightech-Weltmarktführer und vervielfachte den Wert. Auf 14,8 Milliarden Euro schätzt „Forbes“ Thieles aktuelles Vermögen. Dazu gehört auch die Hälfte am Bahnkonzern Vossloh, eine Rinderzucht in Uruguay und eine Avocado-Plantage in Südafrika. Einige Millionen fließen auch in Hilfsorganisationen, die er etwa nach dem Tsunami in Südostasien gründete.

Seine Kinder halten es nur kurz mit ihm aus

Thiele, ein Kriegskind, dessen Familie damals alles verlor, hat eine Tellerwäscher-zum-Milliardär-Geschichte geschrieben. Und das ist nicht nur eine Metapher. Nach dem Abitur heuerte er bei Hapag-Lloyd an und fuhr als „Aufwäscher“ zwischen Bremerhaven und New York hin und her. „Thiele kannte keine Furcht. Krisen sind Chancen“, schrieb sein Wegbegleiter Peter Gauweiler einst in einer Laudatio. Als es Knorr-Bremse in den 80er Jahren eher mittelprächtig ging, wagte Thiele trotzdem den Sprung nach Fernost. Das war früh, und es sollte sich auszahlen.

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„Das Unternehmerleben ist ein unvermeidlicher, immerwährender Kampf", sagte Thiele selbst einmal. Das bekam mit ZF Friedrichshafen auch einer der weltgrößten Autozulieferer zu spüren, als Thiele gegen dessen Übernahme des Bremsenherstellers Haldex vorging. Nach einer Bieterschlacht ging ZF leer aus.

Knorr-Bremse wurde Großaktionär des Konkurrenten, seitdem beharken sich beide Seiten auch öffentlich. Robust ist wohl auch Thieles Umgang mit seinem Spitzenpersonal, inklusive der eigenen Kinder, das es oft auffällig kurz mit dem Patriarchen aushält. Oder umgekehrt, das ist Auslegungssache.

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Was für ein Bild seine Last-Minute-Attacke in der Öffentlichkeit erzeugt, scheint Thiele nicht weiter zu beschäftigen. Dass der Steuerzahler mit neun Milliarden Euro an Krediten und anderen Hilfen für die Lufthansa nicht nur Arbeitsplätze und Ticketguthaben der Passagiere sichert, sondern auch das Anlagevermögen der Aktionäre, ist ja mehr als eine Fußnote.

Einst wünschte sich der Unternehmer den Einzug der AfD in den Bundestag

Sich darüber zu echauffieren, braucht schon Chuzpe, wenn gleichzeitig Passagiere auf ihr Geld für stornierte Flüge warten und Flugbegleiterinnen um ihren Job fürchten. Wenn das ausgerechnet ein Milliardär tut, ist das die beste Steilvorlage für Kritiker der Milliardenspritze. Thiele liefert sie gerade auf dem Silbertablett.

Aber PR-Berater hat der Unternehmer wohl selten zu Rate gezogen und falls doch, ignoriert er sie.

Einst wünschte sich der Unternehmer den Einzug der AfD in den Bundestag. Und über die Möglichkeit, seine Tochter als Nachfolgerin aufzubauen, sagte er einmal öffentlich: Das gehe „biologisch“ nicht, dafür gehe es an der Konzernspitze zu „hart und brutal“ zu.

Die Lufthansa, so viel scheint klar, hatte schon pflegeleichtere Großaktionäre.

Felix Wadewitz

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