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Werden auch dieses Jahr in Washington zu Gesprächen zusammenkommen: Bundesbankpräsident Joachim Nagel, IWF Chefin Kristalina Georgiewa und Finanzminister Christian Lindner (von links), hier bei einem Treffen der G7 Finanzminister und Notenbankgouverneure.

© IMAGO/Marc John

Frühjahrstagung von IWF und Weltbank: Alte und neue Krisen bremsen den globalen Aufschwung

Die zunehmende geoökonomische Fragmentierung setzen der Weltwirtschaft zu. IWF, Weltbank und Fachminister beraten diese Woche über Wege aus der Krise.

Die Agenda wird nicht unbedingt kürzer. Beim letztjährigen Frühjahrstreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank standen noch Coronapandemie und die hohen Energie- und Lebensmittelpreise infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Zentrum. Die Waffen schweigen bis heute nicht. Von Preisstabilität kann immer noch keine Rede sein. Die Zinswende stellt Industrie- wie Schwellenländer vor große Herausforderungen. Dazu setzen taumelnde Banken diesseits und jenseits des Atlantiks der Stabilität des Finanzsektors zu.

Die Themen dürften der globalen Finanz- und Entwicklungselite diese Woche in Washington also nicht ausgehen. Alljährlich im Frühjahr treffen sich Notenbanker, Fachminister und weitere Vertreter aus mehr als 180 Ländern in der US-Hauptstadt.

Ein zentrales Diskussionsthema im Entwicklungsbereich wird die Reform der Weltbank sein. Kreditgeber drängen auf eine Umstrukturierung, um globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel zu begegnen. Dazu reist auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), die Deutschland gleichzeitig als Gouverneurin bei der Weltbank vertritt, nach Washington.

Parallel kommen auch die G7- sowie G20-Finanzminister zu Beratungen zusammen. Der Delegation des Bundesfinanzministeriums (BMF) gehört laut eines Sprechers der Behörde unter anderem Finanzminister Christian Lindner sowie der Parlamentarische Staatssekretär Florian Toncar (beide FDP) an.

Inhaltliche Schwerpunkte, heißt es aus Kreisen des Finanzministeriums, soll die aktuelle Situation der Weltwirtschaft, die weitere Unterstützung für die Ukraine und die Schuldenproblematik in den Entwicklungs- und Schwellenländern sein.

Prognose für Weltwirtschaft eingetrübt

Am Dienstag legt der Währungsfonds seinen globalen Konjunkturausblick für die wichtigsten Regionen der Welt vor. Dass die Zeichen auf geringerem Wachstum stehen, machte IWF-Präsidentin Kristalina Georgieva bereits vor dem Gipfel deutlich. „Wir gehen davon aus, dass das weltweite Wachstum in den nächsten fünf Jahren bei etwa drei Prozent liegen wird“, so die Ökonomin am Donnerstag. Das sei die niedrigste Mittelfristprognose seit über 30 Jahren und liege deutlich unter den 6,1 Prozent Wachstum 2021 sowie 3,4 Prozent im vergangenen Jahr.

Während Indien und China laut IWF die Hälfte des für 2023 prognostizierten Wachstums ausmachen, verlangsame sich das Wachstum in nahezu allen Industrienationen. Auch die Situation in den ärmeren Weltregionen verschärfe sich, Armut und Hunger könnten wieder zunehmen. Am Donnerstag will sich Bundesbankpräsident Joachim Nagel in Washington zur Lage der Weltwirtschaft äußern.

Angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen und der nach wie vor hohen Inflation ist ein robuster Aufschwung nach wie vor schwer zu erreichen.

Kristalina Georgieva, IWF-Präsidentin

„Angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen und der nach wie vor hohen Inflation ist ein robuster Aufschwung nach wie vor schwer zu erreichen“, sagte Georgieva vorab. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine und gegenseitige Spionagevorwürfe haben die bereits angespannten Beziehungen zwischen den USA und China weiter verschlechtert. Berechnung des Währungsfonds zufolge könnten die Kosten einer zunehmenden Fragmentierung des Welthandels bis zu sieben Prozent der globalen Wirtschaftsleistung betragen.

Finanzhilfen für die Ukraine

Der wichtigste Schlüssel zu einer raschen ökonomischen Erholung ist laut BMF-Kreisen ein sofortiges Ende des russischen Angriffskrieges. Mehr als ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung wurde vertrieben, ein großer Teil der Infrastruktur des Landes zerstört. Die Staatsverschuldung schnellte in die Höhe, das Haushaltsdefizit blähte sich auf. Die ukrainische Wirtschaft schrumpfe 2022 um rund 30 Prozent.

Um die wirtschaftliche Stabilisierung zu unterstützen und den Wiederaufbau der Ukraine zu beschleunigen, verabschiedete der IWF bereits Ende März ein neues Finanzierungsprogramm. Der Währungsfonds genehmigte Finanzierungsvereinbarungen für die Ukraine in Höhe von 15,6 Milliarden US-Dollar bis 2027.

Um den weiteren Bedarf für ökonomische Hilfen für die Ukraine und ihren Wiederaufbau zu erörtern, findet in Washington am Mittwoch ein Treffen auf Ministerebene statt. Daran teilnehmen soll neben den Chefs von Weltbank und IWF unter anderem auch der ukrainische Premierminister, Denys Schmyhal.

Bessere Refinanzierungsbedingungen für ärmeren Länder

Der Krieg in der Ukraine hat darüber hinaus die Inflationskrise auf der gesamten Welt verschärft und die wirtschaftliche Erholung in ärmeren Weltregionen ausgebremst. Dabei war die Lage infolge der Coronapandemie durch fehlende Impfstoffe und geringe finanzielle Spielräume zur Unterstützung der Konjunktur bereits angespannt.

60
Prozent der Länder mit niedrigen Einkommen sind laut IWF von Schuldenproblemen bedroht oder betroffen.

Laut IWF waren bereits 2022 über 60 Prozent der Länder mit niedrigen Einkommen von Schuldenproblemen bedroht oder betroffen. Das sind doppelt so viele wie 2015. „Zahlreiche Staaten stehen finanzpolitisch mit dem Rücken zur Wand“, heißt es aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums.

Die geldpolitische Straffung durch die Zentralbanken in den USA und der Eurozone verschärfe die Bedingungen, zu denen sich Staaten refinanzieren können, noch weiter. Nach der jüngsten Bankenkrise in den USA droht außerdem, dass Kapital aus risikoreicheren Entwicklungs- und Schwellenländern abgezogen wird.

Der IWF hat zur Unterstützung der einkommensschwächsten Länder seine zinsfreie Kreditvergabe um mehr als das Vierfache erhöht. Mit dem sogenannten Common Framework wurde im Jahr 2020 von den G20-Staaten außerdem ein internationaler Rahmen für die Entlastung von Entwicklungsländern geschaffen. Dadurch soll verhindert werden, dass hochverschuldete Ländern in Zeiten finanzieller Instabilität in weitere Notlage geraten.

Bislang haben diesen Mechanismus für einen Erlass oder eine Umstrukturierung von Staatsschulden allerdings wenige Länder in Anspruch genommen. Kritiker bemängeln zum Beispiel, dass nicht alle Gläubiger, vor allem auch privatwirtschaftliche Geldgeber in die Umstrukturierungsprozesse einbezogen werden. Es brauche Experten zufolge unter anderem auch ein international ausgerichtetes System zur Behandlung von Staatsinsolvenzen. Im Rahmen der Frühjahrstagung will die Bundesregierung laut BMF auch die Reform des Common Framework weiter vorantreiben.

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