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Vor allem die schlechte Auftragslage in der Industrie lässt die deutsche Wirtschaft kriseln.

© REUTERS/THILO SCHMUELGEN

Deutschland tastet sich aus der Krise: Wirtschaft nimmt erst ab 2024 wieder Fahrt auf

Die Lage der Industrie verschlechtert sich im Juli erneut. Die Konjunktur trübt sich dadurch weiter ein. Wie schlagen sich andere Nationen und wohin steuert die deutsche Wirtschaft?

Die deutsche Wirtschaft kommt aktuell nicht in Schwung. Nach einem überraschend kräftigen Anstieg im Juni brach der Auftragseingang der Industrie im Juli mit 11,7 Prozent wieder deutlich ein, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Auch im Juni ist der Anstieg laut Statistikamt lediglich auf Großaufträge zurückzuführen. Insgesamt belastet vor allem die schlechte Lage in Industrie und Bauwirtschaft die Erholung der deutschen Konjunktur.

Im vergangenen Winter war die deutsche Wirtschaft zwei Quartale in Folge geschrumpft und damit in eine sogenannte technische Rezession gerutscht. Im zweiten Quartal 2023 stagnierte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Europas größter Volkswirtschaft. Aufgrund der schwachen Weltkonjunktur sind die Exporte weiter leicht rückläufig. Die Importe sowie der private Konsum stagnieren.

„Deutschland bekommt jetzt auch zu spüren, dass sein altes industrielles Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert“, sagt Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) anlässlich der Vorstellung der konjunkturellen Herbstprognose seines Instituts. Teile der energieintensiven Produktion sind laut Schularick nicht mehr rentabel und werden es voraussichtlich auch nicht wieder werden. Dazu leide das industrielle Exportgeschäft unter der globalen Investitionsschwäche.

Verglichen mit anderen Ländern steht Deutschland insgesamt gut da.

Joachim Nagel, Präsident der Bundesbank

Inflation sinkt nur langsam

Die IfW-Ökonomen korrigierten ihre Wirtschaftsprognose vom Sommer daher um 0,2 Prozentpunkte nach unten. Demnach soll die deutsche Wirtschaft 2023 um 0,5 Prozent schrumpfen. Neben der Krise in Industrie und Bau machen die Fachleute dafür auch die sich nur langsam abkühlende Inflation verantwortlich.

Infolge des russischen Angriffskriegs stiegen die Preise in Deutschland 2022 im Schnitt um 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Tempo der Inflation verlangsamt sich seitdem zwar, allerdings rechnet das Statistische Bundesamt auch für den August noch mit 6,1 Prozent Teuerung.

„Die Notenbanken haben erfolgreich Zähne im Kampf gegen die Inflation gezeigt, und in diesem neuen Umfeld muss sich die deutsche Wirtschaft nun behaupten“, so Schularick.

Ökonomen zufolge dürfte die Inflation auch weiterhin auf einem hohen Niveau bleiben. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sagte zuletzt, er sehe einen „erfreulichen Rückgang, aber noch längst keine Entwarnung“. Dieses Jahr rechnet die Bundesbank mit einer Inflation von 6 Prozent. Für 2024 und 2025 rechnet sie mit 3,1 Prozent und 2,7 Prozent.

Die Kieler Wirtschaftsforscher glauben, die Inflation in Deutschland dürfte in den folgenden Jahren stärker zurückgehen und 2024 wieder bei etwa zwei Prozent liegen.

Wirtschaftliche Erholung ab 2024

Getragen von diesem deutlichen Rückgang des Preisniveaus, dürfte sich auch die deutsche Wirtschaft ab 2024 wieder erholen. Das IfW geht laut neuer Herbstprognose für 2024 und 2025 von einem Wachstum von 1,3 und 1,5 Prozent aus. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit minimal unterhalb des Durchschnitts. Für den Euroraum prognostizieren die Fachleute einen Zuwachs um 1,4 Prozent (2024) und 1,7 Prozent (2025). Die Weltwirtschaft dürfte dem IfW zufolge in moderatem Tempo expandieren und soll nach 3,0 Prozent in diesem Jahr in den kommenden beiden Jahren um 2,8 bzw. 3,2 Prozent zulegen.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht Deutschland im Jahr 2024 mit 1,3 Prozent wieder auf Wachstumskurs. Nachdem die deutsche Wirtschaft 2023 als einzige große Industrienation schrumpfen wird, soll sie nach aktueller Prognose ab 2024 sogar bedeutend stärker wachsen als andere große Volkswirtschaften. Im G7-Vergleich würde demnach nur Kanada ein stärkeres Wachstum verzeichnen.

„Verglichen mit anderen Ländern steht Deutschland insgesamt gut da“, sagte Joachim Nagel dem Handelsblatt. Auch wenn die deutsche Wirtschaft ihre akute Schwäche noch nicht hinter sich lassen kann, sieht der Bundesbank-Präsident deswegen aber keinen Grund für Panikmache.

„Deutschland ist nicht der kranke Mann Europas. Ich halte das für eine Fehldiagnose, die bei vielen allzu leicht verfängt“, so Nagel. Der Karlsruher Ökonom sieht das deutsche Wirtschaftsmodell nicht als Auslaufmodell. „Aber es braucht ein Update.“ Ansatzpunkte sieht Nagel bei der Energiewende sowie der Digitalisierung.

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