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Musk hat mit Twitter Großes vor.

© Foto: AFP/NurPhoto/STR

Chaostage bei Twitter: Elon Musk kam, sah – und scheiterte?

Der Tech-Milliardär stellt den beliebten Nachrichtendienst auf den Kopf. Nach einer Reihe unpopulärer Entscheidungen steht die Zukunft des Unternehmens auf der Kippe.

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Ja, nein, oder vielleicht doch? So ungefähr lässt sich beschreiben, wie der neue Eigentümer des politisch wohl einflussreichsten sozialen Netzwerkes der Welt derzeit die Geschäfte führt.

Da wäre etwa die chaotische Kommunikation gegenüber den 7500 Angestellten, von denen er die Hälfte zuerst per E-Mail feuern ließ, um sie dann einige Stunden später wieder zurückzubitten. Musk hatte begriffen, dass ihr Know-How doch gebraucht werden könnte. Zum Beispiel um eines seiner angekündigten Vorhaben – die Zeichenzahl in Tweets auf 280 zu erhöhen – zu programmieren.

Nebenbei verstörte Elon Musk auch zahlreiche der rund 240 Millionen täglich aktiven Nutzer (2,2 Milliarden Profile insgesamt gibt es bei Twitter). So kündigte er zahlungspflichtige Abonnements an, um das Vorhaben kurz darauf wieder zu verschieben. Für acht Dollar im Monat sollen User künftig einen blauen Haken bekommen können, der ihre Profile als „echt“ ausweist.

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Musk dazu: „An alle Nörgler, beschwert Euch bitte weiter, aber es kostet acht US-Dollar.“ Starten soll das Verifizierungsprodukt aber erst nach den US-Kongresswahlen.

Der Tech-Milliardär will mit dem Vorstoß einerseits die Umsätze steigern, aber auch gegen vermeintliche Fake-Accounts vorgehen. In den vergangenen Tagen haben zahlreiche verifizierte Twitter-Nutzer, darunter auch Comedians, ihre Konten geändert und sich als „Elon Musk“ ausgegeben. Was der echte Musk gar nicht lustig fand und die Konten sperren ließ.

„Künftig werden alle Twitter-Handles, die sich als Imitatoren ausgeben, ohne eindeutig ‘Parodie’ zu nennen, dauerhaft gesperrt“, drohte er. Das schreckte allerdings, gerade nach der Umstellung des Verifikationssystems, nicht alle Nutzer ab. So wurde beispielsweise über den angeblichen Account des Basketball-Stars LeBron James am Mittwoch verkündet, dass er die Los Angeles Lakers verlassen wolle.

Zum Haareraufen: Elon Musk verwandelt Twitter in einen Chaosclub.

© Reuters/Adrees Latif

Es war einfach, den Account für echt zu halten: Neben dem Namen des Sportlers stand das bekannte weiße Häkchen auf blauem Hintergrund, und auch der Account-Name war zum Verwechseln ähnlich: „@KINGJamez“ statt des echten „@KingJames“. Der Account wurde zwar gesperrt – aber erst nachdem er bereits breitere Aufmerksamkeit bekommen hatte. Auch für andere Prominente und Unternehmen wurden Fake-Accounts angelegt.

Musk stoppt neues Häkchen für Prominente

Für Chaos sorgte in der Nacht auf Donnerstag auch, dass Musk die Einführung eines neuen Symbols für verifizierte Accounts prominenter Nutzer nach nur wenigen Stunden wieder stoppte. Einigen Nutzern fiel auf, dass das graue Häkchen mit dem Wort „Official“ in ihren Profilen erst auftauchte und dann wieder verschwand. Das graue Häkchen soll künftig die Alternative zum bezahlten Verifizierungs-Häkchen für bereits verifizierte Accounts sein.

„Bitte nehmen sie zur Kenntnis, dass Twitter in den kommenden Monaten jede Menge dummer Sachen machen wird“, schrieb er auch. „Wir werden behalten, was funktioniert“ – und das andere wieder ändern.

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Erratisch, eskalierend

Elon Musk und Twitter – schon in den vergangenen Monaten war das eine teils chaotische Beziehung. Im April wurde bekannt, dass der 51-Jährige den Kurznachrichtendienst für 41,4 Milliarden Dollar kaufen, ihn von der Börse nehmen und in ein Unternehmen umbauen will, das angeblich der freien Rede mehr Raum gibt.

Musk als Retter der Meinungsfreiheit, so sieht er sich. Genauso wie als kreativer Zerstörer, der zuvor die Autobranche auf den Kopf gestellt hat.

Und so erratisch wie er teilweise twittert – indem er zum Beispiel ankündigte, Tesla von der Börse zu nehmen, was die Aktie in die Höhe schnellen ließ – führte er die Verhandlungen zum Kauf von Twitter. 

Öffentlich und ohne Wissen des Unternehmens zog der Selfmade-Milliardär sein Angebot im Juli wieder zurück. Er ließ über seine Anwälte wissen, dass er sich getäuscht fühle. Angeblich habe ihn Twitter falsch über die Anzahl von Fake-Konten informiert.

Doch ganz so einfach ließ sich die Sache nicht beenden. Das Unternehmen bestand darauf, den Kauf abzuwickeln und reichte Klage ein. Kurz vor Beginn des Prozesses zeigte sich Musk dann wieder bereit, Twitter zum ursprünglich vereinbarten Preis von 54,20 Dollar pro Aktie zu kaufen.

Die Unternehmenszentrale von Twitter in San Francisco, Kalifornien.

© Foto: AFP/Constanza Hevia

Keine Kehrtwenden machte er bei seinen inhaltlichen Plänen für das Netzwerk. Er wolle es neu ausrichten, wird er nicht müde zu betonen. Es soll eine „weltweite Plattform für die Meinungsfreiheit“ werden und damit die „Demokratie stärken“.

Gleichwohl bestätigte er, dass auf Twitter auch die Verbreitung radikaler Positionen erlaubt sein müsse. Nutzern sollte die Veröffentlichung „ziemlich empörender“ Dinge möglich sein, sagte er. Ihre Verbreitung könne aber gedrosselt werden.

Zahlreiche Werbekunden haben sich nach diesen Ansagen zurückgezogen, darunter Schwergewichte Pfizer, General Motors und Volkswagen. Ein heftiger Schlag für Twitter, immerhin erzielte der Dienst 2021 rund 89 Prozent seiner Umsätze von insgesamt 5,1 Milliarden Dollar mit Anzeigen.

Die Umsätze seien bereits „massiv eingebrochen“, schrieb der neue Twitter-Chef auf seiner Plattform vor einigen Tagen und schimpfte auf Aktivisten, die angeblich schlechte Stimmung gemacht hätten.

Musks’ Vorstellung von Redefreiheit

Was Musk von Redefreiheit hält, offenbarte er kurz nachdem der Ehemann der US-Politikerin Nancy Pelosi überfallen und verletzt wurde.

Er teilte einen Artikel des „Santa Monica Observers“, in dem spekuliert wird, dass niemand in das Anwesen der Pelosis eingebrochen sei und Paul Pelosi mit einem Mann Sex gehabt hätte, der ihn dann angegriffen habe. Ungeachtet dessen, dass die Polizei eindeutig von einem Einbruch spricht. Die Geschichte, die der Observer verbeitete, steht inzwischen in Verschwörungskreisen hoch im Kurs.

Überhaupt hat sich der Ton auf Twitter in der ersten Woche nach Musks Übernahme geändert und vermehrt Verschwörungstheoretiker angezogen, stellten Beobachter fest – vermutlich durch sein Versprechen, die Plattform weniger zu kontrollieren. Nachgewiesen ist ein starker Anstieg der Nutzung des N-Wortes zum Beispiel.

Nach zahlreichen Beschwerden über Hass und Hetze durch rechte Nutzer versprach Musk, dass er die Vorwürfe prüfen werde. Allerdings wolle Twitter keine der politischen Lager bevorzugen, schrieb er – um dann selbst via Twitter kurz vor den Midterms eine Wahlempfehlung für die Republikaner abzugeben.

„Geteilte Macht zügelt die schlimmsten Exzesse beider Parteien. Daher empfehle ich, für einen republikanischen Kongress zu stimmen.“ Von vielen Nutzer wurde das als Hinweis gesehen, dass die inhaltliche Ausrichtung der Plattform künftig eher die Konservativen bevorzugt.

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Dass Musk ein Anhänger der Republikaner ist, kam nicht überraschend. Schon im Mai twitterte er, dass er früher die Demokraten gewählt, an Hillary Clinton Geld gespendet und für sie gestimmt habe, genauso wie für Joe Biden. „Angesichts der Angriffe führender Demokraten gegen mich und einer sehr kalten Schulter gegenüber Tesla und SpaceX beabsichtige ich jedoch, die Republikaner zu wählen“, erklärte er.

Führungskräfte von sozialen Medien haben es bisher vermieden, ihre politischen Präferenzen zu äußern, um Einflussnahme zu verhindern. Für Musk spielt das offenbar keine Rolle, was umso gefährlich ist, da Twitter ein Forum ist, in dem Millionen von Menschen Nachrichten, Informationen und Mitteilungen von führenden Politikern der Welt lesen. 

All das führt wiederum zur Frage, die sich viele seit Ankündigung von Musks Übernahme stellen: Was hat der Mann, dem auf der Plattform 112 Millionen Menschen folgen, mit Twitter vor?

Will er mit Twitter die Zahlungsindustrie revolutionieren?

Eine Theorie, die der US-Journalist Jeff John Roberts in einem Beitrag für das Finanzmagazin „Fortune“ ins Spiel bringt: Ihm zufolge könnte es Musk um einen großen Umbau des Zahlungsverkehrs gehen, sein Werkzeug wäre Twitter.

Roberts zitiert Caitlin Long, eine bekannte ehemalige Morgan Stanley-Bankerin, die mittlerweile ein Kryptowährungs-Unternehmen leitet, und überzeugt ist: Musk will seinen seit langem gehegten Wunsch, die Zahlungsindustrie neu zu gestalten, vorantreiben.

Musk gehörte zu den Gründern des Internetbezahldienstes Paypal. Seitdem, mutmaßt Roberts, verfolge er den Plan, die Art, wie Menschen für Produkte bezahlen, zu verändern. Über Twitter könnte er nun versuchen, die Bezahlung mit einer eigenen Kryptowährung populär zu machen. Facebook-Chef Mark Zuckerberg war vor Jahren mit einem ähnlichen Projekt für sein soziales Netzwerk gescheitert.

Als Belege für seine Thease führt Roberts eine Liste an Musk-Unterstützern an, die im Geschäft mit Kryptowährungen führend sind. Genauso wie ein Investorendokument, das der „New York Times“ vorliegt. Darin kündigt Musk an, dass Twitter bis 2028 1,2 Milliarden Dollar pro Jahr im Bereich des Zahlungsverkehrs umsetzen wird. Damit wäre auch sein Ziel erreicht, den Nachrichtendienst unabhängiger von Werbekunden zu machen.

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