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USA, Tucson: Demonstranten halten nach dem Tod des Schwarzen George Floyd Plakate hoch. Schon im April hatte es in Tucson einen Fall von tödlicher Polizeigewalt gegen den Latino Carlos Ingram Lopez gegeben.

© dpa

27-jähriger Latino stirbt in Tucson: Neue, tödliche Polizeigewalt erschüttert die USA

Der Vorfall ereignete sich bereits am 21. April: Ein junger Latino kommt bei einem brutalen Einsatz ums Leben. Der Polizeichef bietet seinen Rücktritt an.

In den USA ist ein neuer Fall von brutaler Polizeigewalt bekannt geworden. Dabei kam bereits vor rund zwei Monaten in Tucson im US-Bundesstaat Arizona der 27-jährige Latino Carlos Ingram Lopez ums Leben, wie erst jetzt bekannt wurde. Der Polizeichef von Tucson, Chris Magnus, bot am Mittwoch (Ortszeit) seinen Rücktritt an. Dies berichten mehrere Medien, darunter die „New York Times“.

Auch Lopez sagt der Polizei: „I can't breathe“

Magnus äußerte sich bei einer Pressekonferenz, bei der ein Video veröffentlicht wurde, das zeigt, wie Lopez, der offenbar in einem labilen, verwirrten Zustand ist, bei dem Polizeieinsatz am 21. April stirbt. Das Video, das von den Körperkameras der Polizeibeamten aufgenommen wurde, belegt, dass Lopez vor seinem Tod mit Handschellen gefesselt wird. Wiederholt bittet er in Englisch und Spanisch um Wasser und nach seiner Großmutter. An einer Stelle sagt er dann: „I can't breathe“ (Ich kann nicht atmen), wie auch die Daily Mail“ online berichtet.

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Der Grund für den Einsatz sei ein Anruf der Großmutter von Lopez gewesen, sagte der Polizeichef: „Sie berichtete, er sei betrunken, würde schreien und nackt im Haus herumlaufen.“ Wie auf dem Video zu hören ist, sagte ein Beamter irgendwann zu Lopez, dass ein Elektroschocker eingesetzt werde, wenn er nicht kooperieren würde.

Magnus sagte den Medienberichten zufolge, dass die Beamten Lopez nicht im Würgegriff gehabt hätten. Er bestätigte jedoch, dass sie gegen die Trainingsrichtlinien verstießen, indem sie das Opfer etwa zwölf Minuten lang mit dem Gesicht nach unten in Bauchlage festhielten, bevor Lopez am Tatort starb. Im Autopsiebericht hieß es demnach, die Todesursache sei eine Kombination aus körperlicher Ruhigstellung und Herzstillstand mit Kokainvergiftung gewesen.

Wieder stehen US-Polizisten – hier in Phoenix in Arizona – im Fokus.
Wieder stehen US-Polizisten – hier in Phoenix in Arizona – im Fokus.

© Ash Ponders/Reuters

Die betroffenen drei Beamten seien am vergangenen Donnerstag zurückgetreten, sagte Magnus. Der Polizeichef identifizierte die Beamten als Samuel Routledge, Ryan Starbuck und Jonathan Jackson. Zwei der zurückgetretenen Beamten sind Weiße und einer ist Afroamerikaner, sagte Lane Santa Cruz, ein Mitglied des Stadtrates, der über den Vorfall informiert worden war.

Vorfall ein Monat vor Tod des Afroamerikaners Floyd

Die Enthüllung von Lopez Tod fällt in eine Zeit, in der viele Latinos in den Vereinigten Staaten fordern, dass die Polizei ihr Verhalten gegenüber Latinos ändern müsse. Vergangenen Woche empörte die Ermordung von Andres Guardado, einem 18-jährigen Latino-Schüler und Sicherheitsbeamten, durch einen Stellvertreter des Sheriffs des Bezirks Los Angeles.

Ähnliche Forderungen wie jetzt von den Latinos an die Polizei gibt es von Afroamerikanern. Der Vorfall in Tucson ereignete sich etwa einen Monat, bevor George Floyd, ein Schwarzer, von Polizeibeamten in Minneapolis getötet wurde, wodurch im ganzen Land Proteste auch gegen Präsident Donald Trump ausbrachen.

Floyd war acht Minuten und 46 Sekunden von einem weißen Polizist das Knie auf den Nacken gedrückt worden. Floyds flehentliche Worte „Ich kann nicht atmen“ sind zu einem Kampfruf der Demonstranten der Black-lives-matter-Bewegung geworden. Der 46-jährige Restaurant-Mitarbeiter war nur wegen eines kleinen mutmaßlichen Delikts festgenommen worden: Er soll einen gefälschten 20-Dollar-Schein für einen Einkauf benutzt haben.

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Tucsons Bürgermeisterin Regina Romero schien dem Bericht zufolge erschüttert, als sie am Mittwoch bei der Pressekonferenz über den Tod von Lopez sprach. Sie redete auf Spanisch, als sie der Familie von Lopez ihr Beileid aussprach, während sie auf Englisch ihre Empörung über die Geschehnisse zum Ausdruck brachte. „Ich bin zutiefst beunruhigt und empört“, sagte Romero, die die erste Latina ist, die als Bürgermeisterin der stark lateinamerikanisch geprägten Stadt fungiert. „Diese Beamten wären entlassen worden, wenn sie nicht zurückgetreten wären.“

Das Rücktrittsangebot von Polizeichef Magnus allerdings schien Romero, die an seiner Seite stand, dem Bericht zufolge zu überraschen. Sie sagte, sie werde die Einzelheiten der Geschehnisse prüfen, bevor sie tätig werde.

Das FBI soll den Einsatz gegen Lopez überprüfen

Die Behörden hatten erst am Dienstag Einzelheiten über den Tod von Lopez bekanntgegeben, als Romero eine Stadtratssitzung absagte, nachdem auch sie das Video gesehen hatte. Vor der Veröffentlichung des Videos hatte Magnus dem Bericht zufolge die Polizei von Tucson öffentlich als eine der fortschrittlichsten Behörden des Landes bezeichnet. So seien zuvor Würgegriffe verboten und von den Beamten verlangt worden, an Schulungen zu kulturellem Bewusstsein und Krisenintervention teilzunehmen.

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In der Pressekonferenz erklärte Magnus, er habe das FBI gebeten, den Vorfall zu überprüfen, gegen den in der Abteilung bereits intern ermittelt worden sei. Die beteiligten Offiziere hätten die in der Ausbildung festgelegten Standards nicht erfüllt.

Dem NYT-Bericht zufolge werden in vielen Polizeibehörden Beamte im Umgang mit Menschen, die zunächst in Bauchlage festgehalten werden, trainiert. Es besteht dabei die Gefahr, dass es zu einem plötzlichen Atemstillstand kommt, weil die Menschen

Schwierigkeiten haben, ihren Brustkorb auszudehnen, um Luft einzuatmen. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn sie Anzeichen von psychischer Belastung oder einer Vergiftung durch stimulierende Drogen zeigen. In den Richtlinien für solche Situationen werde in der Regel gefordert, dass die Beamten die Betroffenen so bald wie möglich auf die Seite legen oder sie aufsetzen.

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