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© YCM | Studio Borlenghi/Luca Butto

TU-Solarboot startet auf Rallye in Monaco: Aus der Spreegarage an den Yachthafen

Eine Gruppe von TU-Studis tüftelt an einem Katamaran, der von Sonnenenergie angetrieben wird. Im Juli gehen sie damit bei einer Rallye in Monaco an den Start. Hat das Garagenprojekt Chancen?

Mit dem selbst gebastelten Katamaran auf einer Bootsrallye in Monaco starten – die Studierenden vom Projekt „WannSea“ haben sich ein hohes Ziel gesetzt.

Kommt man auf den ehemaligen Gewerbehof des Campus Severingelände, wo die Gruppe ihren Werkraum hat und Bootsteile und -rumpf in den Garagen lagern, könnte der Kontrast zum glamourösen Yachthafen am Mittelmeer indes nicht größer sein. Riccardo Petschke, der Wirtschaftsingenieurswesen studiert und die TU-Projektwerkstatt leitet, bemerkt, als er über das verfallene Gelände führt: „Das wird wahrscheinlich alles bald abgerissen, Asbest und Einsturzgefahr bei manchen Gebäuden.“

Inmitten der urbanen Industrieromantik am Spreeufer haben die Berliner Studierenden schon eine Menge auf die Beine gestellt, um im Juli an der „Monaco Energy Boat Challenge“ an den Start gehen zu können. Die Rallye ist ein Konstruktions-Wettbewerb für Boote, die emissionsfrei fahren, also etwa wind-, solar- und batteriebetrieben. Das WannSea-Projekt tritt in der einfachsten Kategorie an, bei der alle Teams denselben Katamaran-Rumpf gestellt bekommen, auf den sie vor Ort ihre selbstgebauten Teile montieren.

70.000 Euro haben die Studis eingeworben

Den Motor, Batterien sowie sechs Meter lange, armdicke Bambusstangen, die das selbstgebaute Oberteil am Ende mit dem Rumpf verbinden sollen, haben die derzeit rund 30 aktiven WannSea-Mitglieder schon zusammen. Auch ein Prototyp des Cockpits aus Holz ist fertig. In einer dunklen, modrigen Garage des Geländes lagert ein Katamaran-Gestell auf einem Anhänger: „Von Ebay-Kleinanzeigen“, erzählen die Studenten.

So soll das solarbetriebene Boot, an dem die Studierenden um Riccardo Petschke tüfteln, aussehen.

© WannSea

Den Rumpf für das Rennen wartet zwar in Monaco auf sie. Doch ob ihr Konzept aufgeht, muss zumindest auf dem Wannsee schon mal getestet werden. Die erste Probefahrt ist für Mai geplant.

Möglich sei das alles nur dank der Sponsoren, erzählt Moritz Vliem aus dem Finanzteam: „Seit Projektstart Anfang vergangenen Jahres haben wir etwa 30.000 Euro an Sachmitteln bekommen und rund 40.000 Euro finanzielle Mittel.“ Zu den Sachspenden der Unterstützer zählen etwa die Batterien, im Gegenzug machen die Studis Werbung auf ihrem Rennboot. „Viele kleinere Besorgungen beim Baumarkt zahlen wir oft vorab erstmal aus eigener Tasche“, merkt Vliem an. Die TU stelle zwar ein Budget für das Projekt bereit, aber das Geld fließe nur auf Antrag – weshalb die Leiter des Teams oft vorstrecken müssen.

Neben dem Finanz- und dem Bauteam gliedert sich die Gruppe in die Bereiche IT, Antrieb, Strom und Management. Für die Teilnahme kann man sich Leistungspunkte anrechnen lassen. „Wer länger als ein Semester dabei bleibt, wird Teil unserer Studi-Initiative“, ergänzt der Initiator Petschke. So gebe es immer ein Kernteam, das besonders viel Zeit und Energie in das Projekt investiere.

Flachs als leichtes Öko-Material

Fragt man die fünf jungen Männer, die an diesem Nachmittag vor Ostern in der Werkstatt tüfteln, ob sie noch Zeit für ihr reguläres Studium finden, tönt aus allen Ecken Gelächter: Nein, das stehe erstmal hinten an.

Der Weg nach Monaco ist lang: „Und es könnte noch einiges schiefgehen“, sagt Petschke. Die Aufregung und Begeisterung sieht man ihm an. „Unser erster Cockpit-Entwurf war zu schwer, deswegen nutzen wir für den Boden und die Abdeckung jetzt Flachsfaser.“ Das Ökomaterial, eine Art Bast, der aus Flachsstängeln gewonnen wird, sei nachhaltiger und zugleich leichter als Kohlen- oder Glasfaser.

Was am Prototyp bislang noch aus Holz ist, soll am Ende größtenteils aus Flachsfaser sein: Das Material ist leicht und nachhaltig.

© WannSea

Neben der Leichtigkeit zählt bei der Konstruktion ein effizienter Elektroantrieb. Entschieden hat sich die Gruppe für eine Lithiumbatterie und ein doppelseitiges Solarpanel, das auch vom Wasser reflektiertes Licht aufnimmt. Die Vorgabe: Die Batterie darf maximal zehn Kilowattstunden Energie an Board speichern. Die Batterie sei zwar nicht nachhaltig in ihren Rohstoffen, räumt Petschke ein. Doch bemühe sich der Hersteller sein Produkt nach Nutzung so weit es geht zu recyceln.

Die TU-Studis werden im Juli mit 15 weiteren Teams von Hochschulen aus der ganzen Welt – von Europa bis Kanada, China, Indonesien – an den Start gehen. An einen Sieg des WannSea-Boots beim Rennen glaubt der Projektleiter allerdings eher nicht. Der Titelverteidiger sei kaum zu schlagen: „Ein Universitätsteam aus Bologna, das von Jahr zu Jahr sein Boot optimiert“.

Mit einer Lockdown-Idee ins Rennen

Stattdessen setzen die Berliner darauf, den Sonderpreis für den Bau mit dem niedrigsten CO₂-Fußabdruck zu ergattern. Auch die Anreise der Teams wird in dieser Kategorie in die Gesamtbewertung eingerechnet. „Wir haben sogar einen Logistik-Sponsor gefunden, der uns mit einem Bio-LNG-Truck nach Südfrankreich fährt.“

Und wie wurde die Idee geboren? „Aus Corona-Langeweile“, sagt der angehende Wirtschaftsingenieur Petschke. Die Rallye kannte er aus Urlaubsreisen am Mittelmeer. Als die Uni 2021 wegen der Pandemie vorübergehend geschlossen war, kam ihm die Idee, sich für Bootsbau und Teilnahme auf eine Projektwerkstatt der TU zu bewerben. In dem Format bieten Studierende eigene Praxiskurse an, unterstützt von der Uni.

Beim zweiten Anlauf, das Projekt als TU-Kurs einzurichten, klappte es. Zusammen mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter meldete Petschke WannSea Anfang 2022 als Modul an. „Auf die erste Ausschreibung gab es hundert Bewerbungen, nur 30 konnten wir annehmen.“ Sieben bis zehn Frauen seien aktuell dabei, bei der ersten Runde hätten sich aber auch nur 15 beworben.

Zwar wird das Projekt vor allem von männlichen Wirtschaftsingenieuren getragen, insgesamt sind aber verschiedene Fächer vertreten. „Im Bauteam gibt es zum Beispiel auch eine Person mit einem Bachelor in Materialforschung und einen Architekten“, sagt Andreas Wilk, der die Untergruppe leitet und selbst Schiffs- und Meerestechnik studiert. Über die Fachgrenzen hinweg etwas Gemeinsames zu schaffen: Diese Erfahrung zählt für die meisten hier mehr als jeder Schein.

Und manch einer würde um Einsichten reicher, erzählt Bau-Chef Wilk. Ein Beispiel: Die Maschinenbauer im Team hätten das Cockpit vorn am Bug am liebsten klobig wie ein Auto designt, erzählt er amüsiert. „Aber als Schiffsbauer weiß man: Wasser hat eine höhere Dichte als Luft; der Bug muss also spitz zulaufen, um das Wasser zu teilen – sonst bremst es.“

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