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People Berlin macht Modedesign zum Integrationsprojekt.

© Philotheus Nisch

Projekt mit jungen Obdachlosen: Power to the People

Beim Label „PEOPLE Berlin“ in Lichtenberg wird Mode so gemacht, dass nicht nur Eliten etwas davon haben. Wir waren im Atelier zu Besuch.

Von Jonas Bickelmann

Auf den ersten Blick wirkt das pinke Sweatshirt aus der aktuellen Kollektion, das Eva Sichelstiel von der Kleiderstange nimmt, vollkommen normal.

Wären da nicht die zusätzlichen Ärmel auf Höhe des Bauchnabels und am Rücken. „Umgedreht, gewickelt, verkehrt, falsch herum - anders“ steht in Handschrift auf dem Papieretikett des Sweaters - eine Idee von Bolek.

Bolek ist eine der Jugendlichen ohne festen Wohnsitz, die im Atelier von PEOPLE am Nöldnerplatz in Lichtenberg Mode entwerfen. „Die kreative Arbeit ist sehr beziehungsstiftend“, sagt Sichelstiel. „Selbst, wenn die Jugendlichen und unsere Kunden aus verschiedenen Lebenswelten kommen, teilen sie ästhetische Standpunkte.“

Den Link zu schaffen zwischen der Mode-Elite und jungen Menschen, die auf der Straße leben, ist Sichelstiel wichtig: Einerseits, weil sie selbst nach ihrem Modestudium in Pforzheim merkte, wie erbarmungslos und turbokapitalistisch die Branche mit ihren vier, fünf Kollektionen im Jahr und monatlichen Drops geworden ist.

Und andererseits, weil sie damit einen Mechanismus brechen wollte, von dem die Mode lange gut gelebt hat - den Style der Ärmsten aufzugreifen und teuer zu verkaufen. Jeans, Baggypants, Baseballcaps, hochgekrempelte Ärmel bei T-Shirts: alles Ideen, die die Mode bloß aufgeschnappt hat.

Ohne die eigentlichen Kreativen je zu entlohnen. Mit den beiden Mitgründerinnen Ayleen Meissner und Cornelia Zoller dreht Sichelstiel das Prinzip um: Bei ihrem Label PEOPLE kommen die Jugendlichen von der Straße ins Atelier. Es ist ein Projekt des Vereins „Karuna - Zukunft für Kinder und Jugendliche in Not“. Förderer sind „terre des hommes“ und die „VW-Belegschaftsstiftung“.

„Die meisten, die hier ankommen, sind durchs System gefallen, sind von zu Hause weggelaufen, sind nicht mehr zur Schule gegangen, sind arbeitslos, haben eine Drogenproblematik und oft auch psychische Erkrankungen“, sagt die Designerin. „Die dürfen hier erst mal ankommen.“

Der gemeinsame Kreativprozess sei eine Form von Individualpädagogik, erklärt sie. „Das heißt, man muss einfach beachten, was bringt jemand mit, wie fit ist der, wie krank ist der.“

Verkauft wird die Kollektion online und in Pop-up-Stores (die Vogue berichtete). „Wenn das Kleid für 200 Euro im Laden hängt und die Kundin es kauft, können die Jugendlichen das oft gar nicht fassen: Mein Kleid hat die gekauft!“, sagt Sichelstiel.

Die neue Kollektion ist unter peoplepeoplepeople.de erhältlich.

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