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Eliud Kipchoge war überglücklich nach dem Zieleinlauf.

© Eliud Kipchoge war überglücklich nach dem Zieleinlauf. / AFP

Weltrekord beim Berlin-Marathon: Eliud Kipchoge setzt den nächsten Meilenstein

Eliud Kipchoge läuft beim Berlin-Marathon in neue Dimensionen. Der 37-Jährige pulverisiert seinen Weltrekord aus dem Jahr 2018.

| Update:

Auf den letzten Metern wirkte Eliud Kipchoge genauso wenig angestrengt wie auf den ersten. Der Kenianer ist ohne Übertreibung ein Laufwunder. 2018 stellte er beim Berlin-Marathon in 2:01:39 Stunden einen Weltrekord auf. Und 2022? Da steigerte er sich noch einmal, in 2:01:09 Stunden lief er unter dem Jubel der vielen Tausend Zuschauerinnen und Zuschauer ins Ziel. So schnell ist noch nie jemand bei einem offiziellen Marathon gelaufen.

„Ich bin so froh, dass sich die Vorbereitung ausgezahlt hat“, sagte der Kenianer dem „RBB“ eine gute halbe Stunde nach dem Rennen. „Ich war so schnell wegen des Teamworks.“ Zudem hatte er noch eine Botschaft: „Lasst uns alle laufen, gemeinsam können wir alles erreichen.“

Wäre Kipchoge nicht solch ein famoses Rennen gelaufen, dann hätten die Schlagzeilen sicher Tigist Assefa gehört. Die Äthiopierin, die Fans der Leichtathletik noch aus 800-Meter-Läufen beim Berliner Istaf kennen, gewann den Marathon der Frauen in 2:15:37 Stunden - der bislang drittschnellsten Zeit, die eine Frau gelaufen ist.

Ganz so perfekt waren die äußeren Bedingungen nicht, wie es die Veranstalter noch vor wenigen Tagen prognostiziert hatten. Beim Start waren Teile der Strecke feucht, rutschig. Und zwölf Grad waren für manche Top-Läufer:innen ein wenig zu kalt. Kipchoge grinste bei seiner Vorstellung unmittelbar vor dem Start dennoch in die Kameras und hob die Daumen. Er wusste wohl schon etwas mehr.

Es konnte losgehen und das tat es auch, nachdem Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey den Startschuss abgegeben hatte. Nach fünf Kilometern kam der erste Auftritt von „Bottle-Claus“. Den Namen trägt Claus-Henning Schulke seit dem Weltrekordlauf Kipchoges beim Berlin-Marathon vor vier Jahren. Schulke ist der Mann, der Kipchoge damals sämtliche Trinkflaschen reichte. Das tat er auch dieses Mal. Und wieder jubelte er bei jeder überreichten Flasche, als wäre er höchstselbst in Bestzeit durchs Ziel gelaufen.

Nach fünf Kilometern also ballte er wieder die Fäuste; Kipchoge lag zusammen mit dem Äthiopier Adamlak Belihu und den Schrittmachern in 14:14 Minuten vorne, aber direkt hinter ihm: sein Herausforderer Guye Adola. Der Äthiopier hatte im vergangenen Jahr den Berlin-Marathon gewonnen – und das gegen herausragende Rivalen wie den Kenianer Kenisa Bekele. An diesem Sonntag aber war Adola schon nach sieben, acht Kilometern anzumerken, dass er Probleme mit dem höllischen Tempo hatte.

Bei Kilometer 13 lag Adola ein paar Meter zurück, sein Gesicht zeigte deutliche Zeichen der Anstrengung. Das verwunderte nicht. Mit 36:49 Minuten befand sich Kipchoge sogar 40 Sekunden unter seiner Weltrekordzeit. Kipchoge hatte im Vorfeld keine großen Töne gespuckt. Er wolle ein sehr schnelles Rennen laufen, sagte er. Das Wort Weltrekord nahm er nicht in den Mund. Das Rennen ging er aber an, als wollte er seine eigene Bestzeit pulverisieren.

Auch die Frauen waren schnell unterwegs, bei Kilometer 15 befanden sich die schnellsten Läuferinnen um die Kenianerin Joyce Chepkirui auf einem Zielkurs von 2:17 Stunden. Der favorisierten US-Amerikanerin Keira D’Amato war das zu schnell, sie ließ sich etwas zurückfallen. Sie sollte auch nicht mehr herankommen an die besten Läuferinnen. Auch Chepkirui fiel nach etwas mehr als der Hälfte der Distanz ab. Am Ende lief Assefa ein einsames Rennen und gewann überlegen.

Vorne bei den Männern ging derweil weiter die Post ab, bei der Zeitmessung nach 18 Kilometern stand für Kipchoge und Belihu eine Zeit von 51:02 Minuten, damit waren sie 50 Sekunden schneller als beim Weltrekord vor vier Jahren unterwegs. Die Frage war: Konnte das gutgehen, war das Tempo nicht viel zu schnell?

Die Strecke in Berlin gilt als schnellste auf der Welt. Der Kurs ist recht flach, die Straßen in einem vergleichsweise guten Zustand und der Wind – wie auch am Sonntag – bläst den Läuferinnen und Läufern in der Regel kaum ins Gesicht. Und dann sind da noch die vielen Zuschauerinnen und Zuschauer am Streckenrand. Der Berlin-Marathon lebt von seiner besonderen Atmosphäre. Kipchoge selbst verzichtet auf höhere Gagen bei anderen Marathons, um in Berlin antreten zu können. Hier, in Berlin, könne man Grenzen verschieben, sagte er vor wenigen Tagen.

Das Problem am Sonntag aber war: Bei Kilometer 26 konnten die Schrittmacher Kipchoge nicht mehr folgen, der 37-Jährige war auf sich allein gestellt. Zumal auch Belihu abreißen lassen musste. Es war im Grunde offensichtlich, dass der Kenianer das Tempo so nicht halten würde können.

Doch zunächst schien Kipchoge weiter über die Strecke zu schweben. Seine Durchgangszeit bei 30 Kilometern betrug 1:25:40 Stunden und war 1:04 Minute schneller als bei seinem Weltrekord. Selbst der Zweite Belihu befand sich unter der Weltrekordzeit von Kipchoges aus dem Jahr 2018.

Auf den letzten sieben Kilometern musste Kipchoge kämpfen, das hohe Tempo konnte er nicht ganz halten, auch wenn ihm das äußerlich nicht anzumerken war. Aber Schmerzen, das sagte Kipchoge vor wenigen Tagen auf einer Pressekonferenz in Berlin, gehörten zum Marathon und zum Leben dazu. Man müsse das akzeptieren. Das tat er am Sonntag und lief in einer neuen Fabelzeit ins Ziel.

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