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Im Restaurant Lagom läuft Fußball. Auf große Begeisterung trifft das bei den Gästen nicht.

© Foto: Tsp/Louise Otterbein

Verhaltenes Public Viewing in Berlin: „Viele wollen ihre Begeisterung nicht zeigen“

Etliche Kneipen zeigen keine WM-Spiele, auch am Brandenburger Tor gibt es kein Public Viewing. Und dort, wo die Spiele laufen, ist die Stimmung meist verhalten.

Von Louise Otterbein

Es ist 20 Uhr, das Spitzenspiel der Gruppe, Deutschland gegen Spanien. Zum Anpfiff herrscht Stille in der Simon-Dach-Straße. Wüsste man es nicht besser, könnte man denken, dass die Weltmeisterschaft gar nicht stattfindet. Es gibt kein Public Viewing am Brandenburger Tor, viele boykottieren die WM, zahlreiche Kneipen und Bars zeigen die Spiele aus Protest gar nicht erst.

Gerade aus der Simon-Dach-Straße in Friedrichshain ist man von vergangenen Welt- und Europameisterschaften andere Bilder gewohnt. Jedes Restaurant, jede Bar, jeder Späti hatte mindestens einen Bildschirm auf der Straße. Menschenmassen versammelten sich hier, feierten, fluchten und jubelten. Es herrschte Partystimmung – doch dieses Jahr ist alles anders.

So auch im Restaurant Lagom. Weder Fußballdeko, noch Fahnen oder Trikots sind hier zu sehen. Die Stimmung bei den Gästen ist verhalten, ab und zu geht ein Raunen durch den Raum, richtige Euphorie kommt aber nicht auf. Das Restaurant ist zu zwei Dritteln gefüllt.

Es geht ums Überleben der Bar. Um das Politische müssen sich andere kümmern.

Chedor, Mitarbeiterin der Sportsbar Tor

Lokalbesitzer David Dawood hatte sich mehr erhofft. „Ich verliere auch viele Gäste, die die WM boykottieren. Sie wollen hier nicht sitzen, während die Spiele laufen.“

Es kommen hauptsächlich internationale Fans für die Spiele ins Restaurant. So auch Brian Nichols. Der Kanadier sitzt an der Bar, er hat sich das Spiel seiner Mannschaft gegen Kroatien angeschaut. Seit 1986 ist Kanada erstmals wieder bei einer WM dabei. „Das wollte ich nicht verpassen.“

Dass so viele Menschen die WM boykottieren oder sich dafür schämen, die Spiele zu gucken, merkt er nicht nur auf den Straßen. „Auch auf Social Media sehe ich bei Freunden viel weniger Posts zur WM. Es wirkt so, als gäbe es keine WM.“

In der FC Magnet Bar trifft das Fußballspiel auf größere Begeisterung – bei deutschen wie bei internationalen Fans.

© Foto: Tsp/Louise Otterbein

Anders als im Lagom sind in der Sportsbar Tor in Mitte alle Plätze besetzt, hier tragen ein paar Gäste sogar Trikots. „Wir haben keine andere Wahl, als die Spiele zu zeigen“, sagt Chedor, die hinter der Bar steht. „Es geht ums Überleben der Bar. Um das Politische müssen sich andere kümmern.“

Nicolas Martinez aus Chile und Alex South aus Florida haben einen der begehrten Plätze im Inneren der Bar ergattert. Sie sind nur für ein paar Tage hier und wollten einmal ein Deutschlandspiel in Berlin gucken, der Erfahrung wegen.

Trotzdem sagt Martinez:. „Es ist ein innerer Konflikt, die politische Situation ist furchtbar. Ich gucke die Spiele, weil ich Fußball-Fan bin, aber ich tu das nur mit halbem Herzen.“

Auch ein paar hundert Meter weiter, in der FC Magnet Bar am Weinbergspark, haben sich viele Fußballbegeisterte versammelt. Schon zwei Stunden vor dem Anpfiff ist die Bar voll. Über Politik wird hier nur wenig diskutiert – die Aufmerksamkeit gilt dem Sport.

Bar-Besitzer Andreas Sürken freut sich über die gute Stimmung im Laden. Er habe das Gefühl, dass die Deutschen mehr als andere über die politische Perspektive diskutieren. Bei vielen internationalen Fans herrsche mehr WM-Euphorie.

Doch auch viele Berliner zeigen hier ihre Begeisterung. So wie Dario, der das Spiel vor der Bar verfolgt, weil er drinnen keinen Platz mehr bekommen hat. „Ehrlich gesagt, sehe ich die WM weniger kritisch, ich habe mich damit aber auch nicht wirklich beschäftigt“, sagt er. Seine Freundin Samantha aus Ecuador sieht das ähnlich. Sie ist großer Fußballfan und war erst vor wenigen Tagen in Katar, um sich das Spiel ihrer Nationalmannschaft anzuschauen.

Während in der FC Magnet Bar mitgefiebert wird, herrscht auf den Straßen weiterhin Ruhe. Als Niclas Füllkrug in der 83. Minute das Tor zum Ausgleich schießt, fallen sich ein paar Jugendliche in der Simon-Dach-Straße jubelnd in die Arme und zünden einen Böller. Es knallt und raucht. Doch schnell ist wieder Ruhe in der Straße und von WM-Begeisterung nichts mehr zu spüren.

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