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Update

Fall Hoeneß: Steinbrück: „Kavallerie“ besser als Diplomatie bei Steuerhinterziehung

Der ins Visier der Steuerfahnder gerückte Uli Hoeneß geht in die Offensive und droht Medien mit juristischen Schritten. Kanzlerin Merkel zeigt sich „enttäuscht“ vom Bayern-Präsidenten. Auch Peer Steinbrück poltert nun los.

Steilvorlage für den SPD-Kanzlerkandidaten: Peer Steinbrück hat den Fall Hoeneß zur Attacke gegen die schwarz-gelbe Koalition genutzt. „Aktuell zeigt sich, wie mangelhaft die Bundesregierung das Steuerabkommen mit der Schweiz verhandelt hat. Manchmal ist Kavallerie besser als Diplomatie“, schrieb Steinbrück am Montag auf seiner Facebook-Seite.

Als Bundesfinanzminister hatte er im Frühjahr 2009 den Bankenplatz Schweiz mit dem lockeren Spruch provoziert, man müsse notfalls mit Peitsche und Kavallerie gegen Steuerflüchtige vorgehen. Ende vergangenen Jahres hatten SPD und Grüne dann das von der Regierung fertig ausgehandelte Steuerabkommen mit der Schweiz im Bundesrat endgültig zu Fall gebracht.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wies die Äußerungen des SPD-Politikers zurück. „Über ein Steuerabkommen mag man in der Sache diskutieren, aber wer in Europa der Kavallerie den Vorzug gibt vor der Diplomatie, liegt grundfalsch.“

Der aufsehenerregende Steuerfall von Uli Hoeneß wird voraussichtlich zur Dauer-Affäre und „enttäuscht“ sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Bayern-Präsident will kurzfristig nichts mehr zu dem Thema sagen und droht Medien mit juristischen Schritten. „Gegen die Exzesse in einigen Berichterstattungen werde ich mich anwaltschaftlich zur Wehr setzen“, sagte Hoeneß im „Münchner Merkur“. Zwei Tage zuvor waren die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung bekanntgeworden. Einer Münchner Zeitung kündigte der frühere Bayern-Manager an: „Für die wird das richtig teuer.“

Bezahlen muss Hoeneß seine Verfehlung bereits jetzt mit einem beträchtlichen Imageschaden. Zwar schwiegen zahlreiche Größen aus dem deutschen Fußball zur Causa, Angela Merkel (CDU) distanzierte sich jedoch mit deutlichen Worten von ihm. „Viele Menschen sind jetzt enttäuscht von Uli Hoeneß, die Bundeskanzlerin zählt auch zu diesen Menschen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Diese Enttäuschung sei natürlich umso größer bei jemandem, der für so viel Positives stehe. Es gebe weiterhin Verdienste des Bayern-Präsidenten. „Aber es ist jetzt durch die Tatsache der Selbstanzeige wegen Steuerbetrugs eine andere, traurige Facette hinzu gekommen.“ Die Kanzlerin bleibe davon überzeugt, dass ein Steuerabkommen mit der Schweiz weiter nötig sei. „Eines Tages wird ein solches Abkommen auch kommen“, betonte Seibert.

Das Finanzministerium hält die Kritik am gescheiterten Steuerabkommen mit der Schweiz im Zuge der Steueraffäre für unberechtigt. Es sei nicht zu erkennen, warum ein Einzelfall die Sinnhaftigkeit des Abkommens infrage stelle, sagte Sprecher Martin Kotthaus: „Es wäre gelungen, nicht nur die Einzelfische zu fangen, sondern den ganzen Schwarm im Netz zu haben.“ SPD und Grüne sehen den Fall Hoeneß als Bestätigung, dass sie mit der Blockade des Steuerabkommens mit der Schweiz richtig gelegen hätten. Hoeneß hatte seine Selbstanzeige mit dem Ende 2012 endgültig gescheiterten Steuerabkommen mit der Schweiz begründet.

Die SPD will mögliche Verbindungen zwischen Hoeneß und der bayerischen Landesregierung im Bundestag zur Sprache bringen. Das kündigte der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier am Montag in Berlin an. „Warum hat sich der bayerische Ministerpräsident so sehr für das Steuerabkommen mit der Schweiz engagiert? Wurde Hoeneß aus der bayerischen Landesregierung über den Stand der Verhandlungen über das Abkommen informiert? Diesen Dingen werden wir nachgehen“, sagte Steinmeier.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) war am Samstag mit der Äußerung zitiert worden, er wisse schon seit längerem von den Steuerermittlungen gegen Hoeneß. Über seine Pressestelle ließ Seehofer am Montag klarstellen, dass er nicht über Details der Steuerermittlungen gegen den Präsidenten des deutschen Fußball-Meisters FC Bayern informiert war.

Aus der Sportwelt verweigerten zahlreiche Entscheidungsträger jeglichen Kommentar. Auch der Deutsche Fußball-Bund, die Deutsche Fußball Liga oder der Weltverband FIFA wollten sich nicht äußern.

Für Dienstag kündigte der 61-jährige Hoeneß den Besuch des Halbfinal-Hinspiels in der Champions League gegen den FC Barcelona an, will dort aber nicht über das schwebende Verfahren sprechen. „Ich werde einige Wochen ins Land ziehen lassen, ehe ich mich äußere“, erklärte Hoeneß. Bei der Pressekonferenz zum Königsklassen-Duell untersagte der Club Fragen zu dem Thema.

Dennoch wird der Fall die Münchner, die nach dem Gewinn des Meistertitels mit Triumphen in Champions League und DFB-Pokal erstmals das Triple holen wollen, wohl noch für längere Zeit begleiten. „Das lässt sich rein zeitlich sehr schwer einschätzen, das hängt immer von der Fallgestaltung ab“, sagte Staatsanwalt Ken Heidenreich über das mutmaßliche Ausmaß der Ermittlungen. „Es müssen viele Dinge geprüft werden.“

Heidenreich bestätigte, dass die juristische Maßnahme durch eine Selbstanzeige im Januar aufgenommen worden sei. Zu Details, Summen oder einer angeblich erfolgten Hausdurchsuchung machte er keine Angaben. „Zu Einzelheiten möchten wir uns nicht äußern.“ Begegnet waren sich die Münchner Staatsanwaltschaft und Hoeneß bereits, als der FCB-Präsident die Ermittler wegen ihres Vorgehens im Fall der Brandstiftung durch Innenverteidiger Breno harsch attackierte.

Ein Spitzenfunktionär wollte sogar seinen Namen gar nicht im Zusammenhang mit der Affäre lesen, Bayer Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler ließ sich zumindest entlocken, dass er „ein bisschen geschockt“ über die unerwartete Offenbarung sei. „Wenn man die Fakten nicht kennt und vor allem Uli Hoeneß kennt - ich habe ihn im Laufe der Jahre als ganz großen Menschen kennengelernt - muss man sich zurückhalten“, sagte der frühere Teamchef der deutschen Nationalmannschaft beim Pay-TV-Sender Sky.

Aus dem Bayern-Aufsichtsrat gab es zunächst ebenfalls keine Stellungnahme über den Vorsitzenden des Gremiums. Ein Sprecher des Hauptsponsors Telekom, für den Finanzvorstand Timotheus Höttges im Aufsichtsrat sitzt, verwies darauf, dass es sich um eine Privatangelegenheit von Hoeneß handele. Herbert Hainer, Vorstandsvorsitzender von Bayern-Anteilseigner Adidas, und VW-Vorstandschef Martin Winterkorn äußerten sich ebenfalls nicht.

Die Selbstanzeige hänge mit einem Konto in der Schweiz zusammen, hatte Hoeneß dem „Focus“ gesagt. Dort sorgt der Fall vor allem vor dem Hintergrund früherer Aussagen des Bayern-Präsidenten für deutliche Kritik. „Bis jetzt war er der erhobene Zeigefinger des deutschen Fußballs - doch nun richten sich die Zeigefinger auf ihn selbst“, hieß es im Schweizer „Tages-Anzeiger“ (Montag). „Uli Hoeneß stürzt von der Kanzel des Moralpredigers“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“.

Das öffentliche Interesse an dem Fall bleibt ungebrochen. Das Thema bescherte der ARD-Talkshow „Günther Jauch“ am Sonntagabend die beste Einschaltquote seit Sendestart. 6,67 Millionen Zuschauer (Marktanteil 23,0 Prozent) schalteten die Talkrunde zum Thema „Vom Saubermann zum Steuersünder“ über die Steueraffäre um 21.45 Uhr ein. (dpa)

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